Jetzt geht es ans Eingemachte

Quelle: http://jungle-world.com/von-tunis-nach-teheran/963/

Sehr bemerkenswert, diese Meldung; Schüsse & Blendgranaten auf einer Demonstration in Saudi Arabien. Also weniger die Schüsse und Blendgranaten sind bemerkenswert, sondern der Umstand, daß in Saudi Arabien eine richtige Demonstration stattgefunden hat, die aufgelöst werden mußte.

Wenn in Saudi Arabien etwas passiert, wenn es dort auch nur dezent instabil wird, dann dürften die Ölpreise explodieren, die Amerikaner panisch werden, die Chinesen endlich auf der Landkarte gucken, wo dieser blöde Nahe Osten überhaupt genau liegt, dann dürften überhaupt die Fetzen fliegen. Die saudischen Hardliner haben schon in Bahrain mit Beratung und personeller Aushilfe vorgemacht, wie sie sich den letztgültigen sachgerechten Umgang mit Demonstranten vorstellen: man bringt sie mit Hilfe von Söldnern um.

In Saudi Arabien trifft alles aufeinander; wahnwitziger Reichtum und von aller Prosperität abgehängte Minderheiten, Stammesgesellschaft und neoabsolutistische Monarchie, religiöser Fanatismus und praktische Weltläufigkeit, Libertinage hinter Palastmauern und finsterstes Patriarchat, ein High-Tech-Mittelalter, das den weltweiten Ölfluss letztlich garantiert – denn wer immer bei der Ölproduktion abdreht oder ausfällt, die Saudis haben es bisher ausgeglichen.

Saudia Arabien, das ist das Land, wo gerade ein paar ganz besonders langbärtige Rechtgläubige die Buchmesse in Riad gestürmt haben, denen selbst dieses harmlose, zarte Schönheitspflästerchen einer Pseudoliberalisierung schon zu viel war; es ist aber auch das Land, aus dem der Blogger Ahmed al Omran stammt, der im Guardian schreibt:

We are sick and tired of the status quo; we want change and we want it now. The demands are clear and simple: a constitutional monarchy, the rule of law, justice, equality, freedom, elections, and respect of basic human rights. Is this too much to ask in this age and time?

Präziser und knapper kann man es nicht sagen.

Aber wir ahnen es schon, wenn Saudi Arabien beginnt zu brodeln, dann wird ein Wehklagen losgehen, das die Rolle dieser Monarchie als Promoter und Financier des weltverheerenden Wahabismusfeldzuges schlicht unterschlagen wird, um ihre Bedeutung als Stabilitätsfaktor zu preisen, und recht bald wird es auch heißen, die Zukunft Israels hänge vom Schicksal des Hauses Saud ab. Wetten?

Die letzten Antiimperialisten, die gerade das Schicksal Gaddafis so sehr verstört, werden sich natürlich über Probleme bei den Saudis freuen, nur dumm, daß jenseits der langbärtigen wahabitischen Problemträger, die, wenn sie in Widerspruch zum Königshaus stehen, noch einmal besonders langbärtig sind, die saudische Opposition die guten alten revolutionär-liberalen Forderung von 1848 vorträgt.

(Oder ist in Wahrheit alles ganz anders? Richten sich die Proteste in Saudi Arabien vielleicht doch gegen den “Neoliberalismus” und eröffnen somit der “globalen Linken” ganz neue Perspektiven? Öh.)

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