Quelle: www.davidroth.ch
Wir erinnern uns: Am 28. November fand die Abstimmung über die Ausschaffungsinitiative und den Gegenvorschlag statt. Als Reaktion auf die Abstimmungsresultate fanden in mehreren Städten Spontankundgebungen statt – die meisten verliefen friedlich. Auch in Luzern hatten junge Leute eine Demonstration organisiert. Von Bern kommend, stiess ich nach 19.00 Uhr hinzu und wurde gefragt, ob ich einige Worte zum Abstimmungsresultat sagen würde.
Der Demonstrationszug hielt auf dem Pilatusplatz und die Polizei – welche den Umzug begleitete – blockierte während meiner Rede den Verkehr. Wenig später fand die Demonstration auf dem Luzerner Bahnhofsplatz ein Ende.
Einen Monat später fand die Geschichte aber eine wenig erfreuliche Fortsetzung. Am 15. Dezember erhielt ich eine am 12. Dezember verfasste Vorladung von der Luzerner Polizei. Ich solle zur Sache „Demonstration vom 28. November“ aussagen – und dies bereits am 16. Dezember. Im Brief war weder vermerkt ob ich als Angeschuldigter oder als Zeuge auszusagen habe, noch zu welchem Delikt ich befragt werden soll. Dies erfuhr ich erst eine halbe Stunde vor der Vernehmung.
Vernommen wurde ich dann wegen einem Verstoss gegen das Reglement zur Benutzung des öffentlichen Grundes – konkret wegen der Teilnahme an einer unbewilligten Demonstration. Ich sollte gestehen an dieser Demonstration teilgenommen zu haben (was ich selbstverständlich tat) und ich sollte alle mir bekannten TeilnehmerInnen verpfeifen (was ich selbstverständlich NICHT tat). Nachdem die Polizei die Kundgebung über ihre ganze Dauer unterstützend begleitete und die Polizei durch die Verkehrssperrung mir die Rede ermöglichte, war ich entsprechend überrascht.
Dürfen LuzernerInnen ihren Unmut (die Stadt Luzern stimmte 2x Nein) nicht kundtun, während das in der übrigen Schweiz kein Problem ist?
Indem die Polizei nun im Anschluss an die friedliche Spontankundgebung vom 28. November die TeilnehmerInnen verzeigt (ich nehme an, ich bin nicht der einzige), will sie Demonstrationen per se kriminalisieren. Denn wenn unklar ist, ob man an einer Demonstration teilnehmen darf oder nicht, obwohl die Polizei diese unterstützend begleitet, werden sich viele BürgerInnen zweimal überlegen an einer Demonstration teilzunehmen.
Festzuhalten bleibt: Jene die zu dieser Kundgebung aufriefen hatten keine Bewilligung eingeholt und die Polizei versicherte mir, dass dies rein zeitlich gar nicht möglich gewesen wäre. Für die TeilnehmerInnen war dies nicht erkennbar, im Gegenteil musste man durch das Verhalten der Polizei sogar davon ausgehen, dass es sich um eine rechtmässige Veranstaltung handelt. Das Problem ist aber nicht nur, dass die OrganisatorInnen keine Bewilligung einholten, sondern dass diese gar nicht nötig sein dürfte. Es muss unser demokratisches Recht sein, auch auf die Aktualität reagieren zu können. Mehrere Städte ermöglichen dies in einem eigenen Reglementsartikel. Dieser ist insbesondere für Reaktionen auf Abstimmungsresultate gedacht. Luzern hat diesbezüglich noch Nachholbedarf. Dies wiederum ist auch ein Versäumnis des Luzerner Stadtparlamentes, dem auch ich angehöre. Wir versäumten es, den dafür notwendigen Artikel in die kürzliche Revision des Reglementes einfliessen zu lassen und sollten dies dringend nachholen. Eine solche Regelung könnte sich am Berner Modell orientieren:
Art. 3 Meldepflicht für Spontankundgebungen
1 Spontankundgebungen sind Kundgebungen, die als unmittelbare Reaktion auf
ein unvorhergesehenes Ereignis spätestens am zweiten Tag nach Bekanntwerden
dieses Ereignisses durchgeführt werden.
2 Spontankundgebungen bedürfen keiner Bewilligung.
3 Wer zu einer Spontankundgebung aufruft, hat diese gleichzeitig mit dem Aufruf
der zuständigen Behörde zu melden.
Quelle: www.davidroth.ch