Seit heute Samstag, 18. Mai 2013, besetzen wir das Duttweiler-Areal in Zürich West für drei Tage. Der Staat will hier ein erstes «Bundeszentrum» für Asylsuchende errichten und ab Januar 2014 die Durchführbarkeit seiner neuen Strategie in der Asylpolitik testen. Weil wir gegen jegliche Art von Herrschaft, Ausbeutung, Unterdrückung und Einsperrung sind, bekämpfen wir dieses geplante Internierungslager.
Die Aktion «Smash the Camps» wird von direkt Betroffenen und Solidarischen, Einzelnen und Gruppierungen gebildet, die das Migrationsregime als Ganzes ablehnen und deshalb das Bundeslager (als Teil staatlicher Lagerpolitik) auf dem Duttweiler-Areal verhindern wollen. Wir delegieren unsere Macht nicht an Parteien und Asylorganisationen, die sich im Bestreben, die Migration zu lenken und zu kontrollieren grundsätzlich einig sind, sondern setzen auf Selbstorganisation und Selbstermächtigung. Dazu nehmen wir uns Raum, ohne darum zu bitten, und suchen gemeinsam nach Möglichkeiten, wie wir die Abläufe des Migrationsregimes sabotieren können.
Wir lehnen jede Kooperation mit Medienschaffenden ab und verweisen für Stellungnahmen auf dieses Schreiben. Für uns stehen die selbstorganisierten und selbstermächtigenden Prozesse vor Ort im Vordergrund und nicht das mediale Spektakel.
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Bundeslager als Teil des globalen Herrschaftssystems
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Für ein effizienteres Ausweisungsverfahren soll auf dem Duttweiler Areal in Zürich West ein neuer Repressions-Komplex entstehen, in welchem 500 Asylsuchende einquartiert werden sollen. Dieser vereint u.a. eine Rechtsberatung, zuständige Behörden und die Polizei. In der Umgebung sind zudem 700 Ausschaffungshaftplätze, sowie Spezialknäste für «renitente» Asylsuchende geplant; ein neuer Komplex also, in dem sich die ganze Ausschaffungsmaschinerie konzentriert. Dieser Komplex dient den Herrschenden zum Erhalt ihres Machtsystems, welches u.a. darauf beruht, all
jene, die sich nicht profitabel verwerten lassen, also für das System überflüssig sind, einzusperren und auszuschaffen. Konkret heisst das, dass all jene, die nicht unter widrigsten Umständen ausgebeutet werden können, da ihre Arbeitskraft nicht benötigt wird, illegalisiert und abgeschoben werden sollen. Menschen, die aufgrund unterschiedlicher kapitalistischer Verwerfungen migrieren, finden sich hier in den gleichen Ausbeutungs- und Unterdrückungsstrukturen wieder – nur der Kontext ist ein anderer. Jährlich landen Zehntausende in der Schlaufe des Asylverfahrens, werden illegalisiert und schnellstmöglich ausgeschafft. Diese Strukturen der Unterdrückung und Ausbeutung können nur in einer autoritären Gesellschaft bestehen, welche die herrschenden hierarchischen Machtstrukturen als unantastbaren Status Quo akzeptiert und als Grundlage eines progressiven,
demokratischen Systems versteht. Die Herrschenden setzen indes alles daran, diesen scheinheiligen Frieden inmitten eines sozialen Krieges zu bewahren und jede potenzielle Gefährdung wegzusperren.
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Bundeslager als Teil des postkolonialen Grenzregimes
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Bundeszentren dienen offiziell der Abschreckung von Migrant_innen. Sie reihen sich damit in die Massnahmen zur migrationspolitischen Abschottung Europas ein und zementieren postkoloniale Machtverhältnisse. Seit den 1970er Jahren findet eine Globalisierung der Produktion und des Handels statt. Märkte werden liberalisiert und grosse Teile der westlichen Industrie in ehemals kolonialisierte Niedriglohnländer verlagert. Damit sind Landenteignungen von Millionen subsistenzwirtschaftender Landwirt_innen sowie die Zerstörung lokaler Märkte und Sozialstrukturen verbunden. Als Folge dieser Ausbeutung und in der Hoffnung auf eine bessere Lebensperspektive migrieren viele nach Europa. Die europäischen Unternehmen sind jedoch aufgrund des wachsenden Tertiärsektors immer weniger auf niedrigqualifizierte Lohnabhängige aus dem Süden angewiesen und unter dem Druck der Krise können immer weniger Migrant_innen überhaupt noch in die kapitalistische Produktion integriert werden. Innerhalb des Schengenraumes herrscht Personenfreizügigkeit. Sie wird als kultureller Erfolg der europäischen Einheit gefeiert, führt jedoch mangels Schutzbestimmungen der Arbeitsbedingungen zu Konkurrenz und Lohndruck. Die Einwanderung nach Europa wird durch kontingentierte Aufnahmen von Hochqualifizierten, verstärkte Kontrollen der Aussengrenze und systematische Ausschaffungen reguliert. Mit den Bundeslagern wird die Schweiz über eine weitere Massnahme verfügen, um die postkolonialen Machtverhältnisse zu verteidigen.
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Bundeslager als Teil des kapitalistischen Ausbeutungsregimes
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Falls Migrant_innen trotz lebensbedrohlichen Grenzregimes in die Schweiz gelangen, werden sie zukünftig in Bundeslager gesperrt. Diese sind, wie Lager im Allgemeinen, ein Ort der Entrechtung, der Isolation und der Stigmatisierung. In Bundeslagern werden Flüchtlinge in «Richtige» und «Falsche» unterteilt. Illegalisierte Migrant_innen werden der Ausschaffungsmaschinerie zugeführt oder müssen untertauchen und sich mit Schwarzarbeit durchschlagen. Niedriglohnbranchen wie Bau, Gastronomie, Landwirtschaft oder der Care-Bereich setzen auf einen ethnisch hierarchisierten Arbeitsmarkt und die Ausbeutung illegalisierter Migrant_innen. In bestimmten Sektoren benötigt das Kapital solche entrechteten Arbeitskräfte, um archaische Ausbeutungsformen aufrechtzuerhalten. Die blosse Anwesenheit stigmatisierter Arbeitskräfte dient dazu, Teile der Arbeitswelt gegeneinander auszuspielen. Durch diese Lagerpolitik wird ein rassistischer Boden bereitgelegt, welcher sich durch mediale Hetze verfestigt und zur Verschärfung des Asylwesens beiträgt. Illegalisierte Migrant_innen sind idealtypische Angestellte des neoliberalen Akkumulationsregimes und führen zu Anpassungen der Lohn- und Anstellungsbedingungen nach unten. Die Bundeslager tragen dazu bei, dass das Kapital zu den benötigten ausbeutbaren Arbeitskräften kommt.
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Bundeslager als Teil des neoliberalen Asylregimes
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Die laufende Asylgesetzrevision hat wie die bisherigen einen ausgeprägten unternehmerischen Managementcharakter. Die effizientere Gestaltung des Asylverfahrens und der effektivere Vollzug von Wegweisungen standen häufig im Mittelpunkt der Revisionen. Effizienz und Effektivität stellen Kriterien in einem betriebswirtschaftlichen Unternehmen dar, um Abläufe zu optimieren. Die Bundeslager sollen die Abläufe ebenfalls «beschleunigen». Asylsuchende, BFM, Rechtsvertretung, Rückkehrhilfe, Dokumentprüfende, Polizei, u.s.w. werden zu diesem Zweck künftig am gleichen Ort konzentriert. Hierzu werden in der Umgebung der fünf Empfangszentren je vier Lager an bis zu 400 Plätzen und zu den 430 bestehenden Haftplätzen weitere 700 für
Ausschaffungs- oder Beugehaft geschaffen. Diese «Beschleunigung» wird im Sinne der Asylsuchenden dargelegt, da diese ein Recht auf einen raschen Entscheid hätten. Tatsächlich geht es aber um die effiziente und effektive Lenkung der Migration. Die neuen Bundeslager gehen deshalb mit einer massiven Ausweitung des Repressionsapparates einher. Das Ziel ist die Zahl der Asylgesuche bzw. Kosten zu senken und «echte» von «falschen» Flüchtlingen zu trennen. Das sind die Qualitätsmerkmale eines neoliberalen Asylregimes, welches Migrant_innen stigmatisiert, degradiert und wie Waren in einer Fliessbandproduktion verarbeitet.
Die Zeiten des Dialogs sind vorbei:
BUNDESLAGER VERHINDERN!