In der Luzerner Hirschmatt Buchhandlung fand eine besondere Buch-Vernissage statt. Ein Luzerner Grossrat im Ruhestand präsentierte einem interessierten Publikum seinen Regional-Krimi. Dieser lehnt an einen landesweit bekannt gewordenen Einsatz der Zentralschweizer Polizeitruppe LUCHS vom Juni 2005 im schwyzerischen Arth Goldau gegen zwei jugendliche Disco-Heimkehrer an. Die Polizei filmte sogar die Zufügung der Misshandlungen und Verletzungen, löschte die schlimmste Sequenz auf dem Video aber hinterher. Unter dem Vorwand, es sei ihr „ein Missgeschick passiert“. Nun mischte sich die Polizei sogar in diese Buch-Vernissage ein, um ihre Unschuld zu behaupten. Unter die geladenen Gäste schlich sich ein polizeilich bezahlter „Gutachter“, der den Inhalt der gelöschten Sequenz als harmlos darstellte, obwohl diese offiziell nicht rückverfolgbar war.
Der Inhaber der polizeilich beauftragten „FCS Forensic Computing Services“, c/o Seedamm Plaza, Pfäffikon, gab sich bei der Buch-Vernissage als „der Gutachter“ bezüglich des „versehentlich“ überspielten Polizeivideos aus, ohne sich weiter vorzustellen. Was er ebenso verschwieg: erst im Oktober 2008, und damit 40 Monate nach dem Ueberfall der LUCHS-Truppe gelangte die Schwyzer Justiz an ihn, „das Missgeschick“ mit der fehlenden Stelle beim Videoband zu „untersuchen“. Für diesen Klacks benötigte der Experte abermals fast ein Jahr. Begründung: „Für den komplexen Fall“ sei „eine neue Software“ erforderlich, die es zuerst zu schreiben gelte, etc.
Bei der Krimi-Vernissage wandte der „Gutachter“ ein, die gelöschte Sequenz habe nicht 10 sec. wie im Buch beschrieben, sondern nur 6,72 sec. gedauert. Auch habe die kameraführende Polizistin das Videogerät wiederholt auf STOPP gestellt. So seien eben nur Bruchteile des Polizeizugriffs gefilmt worden. Wie die Verletzungen der beiden Jugendlichen entstanden seien, sei somit (leider) nirgends dokumentiert.
Der Krimi analog zum LUCHS-„Missgeschick“ erscheint unter dem Titel „Hohle Gasse“ und ist das dritte Werk des ehemaligen Chemie-Kantilehrers und alt-Grossrats Peter Beutler, Jahrgang 1942. Schon bald nach dem LUCHS-Ueberfall vom Juni 2005 zog er sich aus Luzern auf seine ursprüngliche Heimat an den Thunersee zurück. Zuvor hatte er im Luzerner Parlament u.a. gefragt, ob beim (von 10vor10 mehrfach gezeigten) Polizeivideo polizeiseitig manipuliert worden sei. Dies wurde durch Polizeikommandant Beat Hensler wider besseres Wissen bestritten. Erst vor der Rekursinstanz des Schwyzer Kantonsgerichts (das die Verfahrenseinstellung durch die Schwyzer Staatsanwaltschaft gleich 6 Mal wegen Untersuchungsweigerung refüsierte) gab Hensler die Manipulationen zu.
Die jahrelangen Vertuschungsversuche des LUCHS-Ueberfalls liessen den (noch immer) akuten Justizskandal in Schwyz noch weiter eskalieren. Jener gekaufte Staatsanwalt, der das LUCHS-Dossier am liebsten vollständig geschreddert hätte, wurde kurz vor seiner Pensionierung gegen ein Jahresgehalt von 250‘000 freigestellt mit der Absicht, die „Untersuchung“ noch weiter zu komplizieren. Zur Anklage gelangten die von rund 30 LUCHS-Tätern den zwei Jugendlichen zugefügten schweren Körperverletzungen nie. Dagegen begünstigte das Schwyzer Strafgericht die LUCHS-Gruppenführer Willi Eicher und Franz Renggli mit klaren Freisprüchen und hohen Entschädigungen, weil ihnen ab 2010, also 5 Jahre nach der LUCHS-Aktion, zugemutet wurde, zu unwesentlichen Nebenpunkten befragt zu werden. Wie geht es eigentlich den beiden Polizeiopfern? Beide sind sie seither invalid, doch dieser Aspekt kam bei der Buch-Vernissage nicht zur Sprache. Bei freigesprochener, bzw. nicht untersuchter Polizeigewalt besteht kein Anspruch auf Entschädigung.
In „Hohle Gasse“ werden etliche Details und Rituale aus der luzernischen Polizeiarbeit authentisch und schlüssig dargestellt. Die Form des Krimis lässt es zu, bestimmte Vorgänge, aber auch systemische Vernetzungen und Abhängigkeiten durch beliebige Figuren an frei gewählten Orten abhandeln und verhandeln zu lassen. Für all jene, die mit dem Polizeisystem zu tun haben, ist dies eine Fachlektüre auf leisen Sohlen und bestätigt Automatismen, die man in der Zeitung so nicht liest.
Dass der LUCHS-Ueberfall letztlich einem Krimi, und nicht einem Sachbuch als Vorlage diente, hat wohl mit dem enormen Einschüchterungs-Potenzial des Polizei- und Justizapparats zu tun. Dies gilt besonders für die Innerschweiz. Dort sieht man harte Fakten lieber ins Unwirkliche verklärt. Beim Ueberfall vom 5. Juni 2005 in Arth waren nebst 26 LUCHS-Spezis auch 4 deutsche und österreichische „Gäste“ zugegen, die deutschen von der GSG 9. An der Buch-Soirée war man sich einig: Das war ein sadistischer Plausch-Ueberfall. Das hier angefügte Dokument zeigt ebenfalls diese Richtung an.