Beim Weltwirtschaftsforum ließ sich die globale Oligarchie als Krisenretter feiern. Zugleich entdeckten die Herrschaften ein neues Billionengeschäft
Einmal im Jahr bietet Davos eine Bühne, Weltwirtschaftsforum genannt. Dann stolzieren im schweizerischen Nobelkurort Bosse und Bankster, Politiker, Medienzaren sowie diverse Ökonomiegurus wie Pfauen umher. Diesmal waren sie in die Graubündener Berge gekommen, um die Welt vor der Krise zu retten. Blöd nur, daß es diese Herrschaften selbst waren, die mit ihrer Fixierung auf die neoliberale, deregulierte Marktwirtschaft den Schlamassel angerichtet haben. Ja, es sind dieselben Leute, die unter dem Deckmantel der Freiheit gigantische Monopole geschaffen haben. Das Versprechen hieß unbegrenzter Wettbewerb, die Realität ist: Jede echte Konkurrenz wurde erfolgreich verhindert. Von den libertären Heilsversprechen ist nur die »freie« Wahl beim ungehemmten Konsum übriggeblieben – und selbst das ist eine Lüge. Die Freiheit ist die Opfergabe auf dem Altar des Profits.
Jene Leute, die das verantworten, wurden per Selbstmandat – und mit dem Segen der Konzernmedien – zu unseren Rettern erklärt. Und sie setzten noch eins drauf: Mit der gleichen Großkotzigkeit, mit der diese Typen seit Generationen unsere Welt vergiften, haben sie sich jetzt in Davos zu den Vorreitern des globalen Umweltschutzes aufgeschwungen. Na klar, das verspricht noch mehr Profit als Währungsdeals und Schuldenhilfen, Wetten auf Nahrungsmittelpreise und ungehemmtes Verbrennen fossiler Energieträger. Insgesamt 14 Billionen US-Dollar (700 Milliarden jährlich – so der am Schauplatz von Thomas Manns Zauberberg ausgeheckte Plan – sollen die Regierungen der Welt aufbringen, damit Großkonzerne uns mit vermeintlich genialen Projekten vor der globalen Erwärmung retten können. Und es wird funktionieren. Unter dem Einfluß der medialen Gehirnwäsche (eine »gesunde Umwelt« für unsere Kinder könne nur durch diese Projekte gesichert werden) werden sich die meisten Eltern erneut von den Betrügern in Nadelstreifen ausrauben lassen.
Ach ja, da wären noch die Zombies. In der Parawissenschaft sind das lebende Tote. Gemeinhin treiben sie nur in Horrorfilmen ihr Unwesen, aber in Davos geisterten sie durch Foren und Salons. Der US-Ökonom Nouriel Roubini faßte den Spuk so zusammen: Wenn die im System existierenden Schulden nicht zügig abgebaut würden, hätte das »die Schaffung von Zombiebanken, Zombieunternehmen, Zombie-Haushalten und Zombieregierungen zur Folge«. Roubini, auch als Doktor Doom (Dr. Untergang) bekannt, lenkte damit geschickt von den eigentlich Schuldigen ab.
Auch Stephen Roach, Führungsmitglied des US-Finanzkonzerns Morgan Stanley, hat Untote entdeckt. Allerdings zu Hause in den USA. Das tatsächliche Problem sei »eine langwierige Bilanzrezession (der Haushalte), die eine ganze Generation von amerikanischen Verbrauchern in Zombies verwandelt« habe, dozierte er. Auch Roach bietet eine interessante Perspektive, wobei er dem Kern, daß es sich nämlich um ein Bilanzproblem handelt, näher kommt als Roubini. Allerdings sind weder die Konsumenten (Roach) noch die Staatsschulden (Roubini) für die Zombifizierung der westlichen Welt verantwortlich, sondern deren unreguliertes Finanzsystem.
Die seit dem Crash 2007/2008 in- und außerhalb der Bilanzen der Banken und Anlagefirmen mitgeschleppten (oder versteckten) Schulden sind einfach zu groß, als daß sie bezahlt, eliminiert oder sonst irgendwie bereinigt werden könnten. Nach jüngsten Angaben belaufen sich beispielsweise die Verbindlichkeiten der nach außen wieder so gesund dastehenden britischen Banken auf 4000 Milliarden Pfund. Der schöne Schein kann nur deshalb gewahrt werden, weil die buchhalterischen Normen zur Bilanzerstellunge aufgehoben wurden und die Geldinstitute nicht mehr gezwungen sind, ihre Schrottpapiere zum Marktwert (nahe Null) zu bewerten.
Derweil schanzen Notenbanken und Regierungen den Finanzhäusern gigantische Summen zu, angeblich zur Ankurbelung der Konjunktur. Aber das kann per Definition nicht funktionieren, solange die Kreditinstitute nicht nach gleichem Standard und zur selben Zeit restrukturiert werden. Das aber hätte die Pleite zahlreicher dieser Banken und somit große Verluste für deren Eigentümer zur Folge – also jener Leute, die in Wirtschaft und Politik die größte Macht haben und sogar Regierungen vorschreiben, wo es lang geht. Diese Macht hat es ihnen bisher erlaubt, eigene Verluste zu verhindern und statt dessen öffentliche Gelder zu nutzen, um ihre Banken über Wasser zu halten. Die auf diese Weise von den Regierungen veruntreuten Steuergelder sind unwiederbringlich verloren: Zombie-Geld.
Quelle: http://www.jungewelt.de/2013/02-02/045.php