Die Konflikte in Tunesien zwischen der islamistischen Ennadah und den ArbeiterInnen, Gewerkschaftlern, Arbeitslosen und „frustierten Jugendlichen“ spitzen sich weiter zu. Erst vor 10 Tagen war ein Gewerkschaftsführer in Tataouine umgebracht worden. Während offiziell ein Herzinfakt als Todesursache angegeben wurde, zeigen in sozialen Netzwerken veröffentlichte Fotos eine mit zahlreichen Wunden übersäten Leichnam.
Andere Gewerkschaftler aus Tataouine beschuldigen Anhänger von Ennadah, hinter dem Mord zu stecken.
Die Proteste in Gabes, einem Ort mit gut einhunderttausend Einwohnern an der Küste, begannen vor gut einer Woche.
Auslöser war die Einstellung von 50 Technikern und 600 Arbeitern bei dem Chemieunternehmen Tunisian Chemical Group. (TCG). Bei den Einstellungen wurden bevorzugt Einwohner aus dem Geburtsort von Rached Ghannouchi, der Führer der islamistischen Ennadah Partei ist, eingestellt. während Bewerber aus Gabe selbst benachteiligt wurden.
Gabe leidet wie viele Orte in Tunesien unter einer extrem hohen Arbeitslosigkeit, neben dem Tourismus sind Jobs im Industriegebiet der Stadt eine der wenigen Möglichkeiten, Geld zu verdienen. Beschäftigte in einem Unternehmen wie TCG sind im Vergleich zu anderen, prekären Beschäftigten, was Verdienst, soziale und Gesundheitsleistungen angeht, priviligiert, entsprechend begehrt sind die Jobs.
Gegen die aufgebrachten Demonstranten aus Gabes, die gegen die aus der Ben Ali Ära bestens bekannte Klientelpolitik protestierten, gingen die Bullen von Anfang an massiv vor.
Bei den Bulleneinsätzen wurde u.a. Tränengasgranaten in Wohnhäuser von mutmasslichen Protestlern geworfen.
Daraufhin versuchten Demonstranten, die örtliche Zentrale der Nationalgarde zu stürmen, der Angriff konnte jedoch von den Bullen abgewehrt werden.
Nach drei Tagen militanter Auseinandersetzung wurden die Bulleneinheiten teilweise zurückgezogen und durch eingerückte Militäreinheiten ersetzt, die überall in der Stadt postiert wurden und Bewohner und missliebige Reporter bedrohten.
Trotzdem kam es weiter zu Protesten und Auseineinandersetzungen, auf die mit der Verhängung des Ausnahmezustandes für die Stadt und die Region reagiert wurde.
Dieser sieht u.a. eine nächtliche Ausgangssperre vor, die jedoch von Gruppen von Jugendlichen missachtet wurde, die sich auch in den kommenden Nächten weiter Zusammenstösse mit den „Sicherheitskräften“ lieferten.
Als Antwort auf die Verhängung des Ausnahmezustandes wurde für den 22.10. ein Generalstreik für die Stadt und die Umgebung ausgerufen, an dem sich weite Teile der örtlichen Bevölkerung beteiligten.
Obwohl nach wie vor die nächtliche Ausgangssperre gilt, kommt es weiter zu Protesten und Aktionen, in der Nacht von Mittwoch zu Donnerstag wurden verschiedene Hauptstrassen durch brennende Barrikaden blockiert, in Teboulbou (Gabe) wurde ein Bullenrevier niedergebrannt.