Zur Aufrechterhaltung der globalen Ausbeutungsstrukturen gehen die Eliten zunehmend militärisch gegen die Verlierer der herrschenden Verhältnisse vor
Die Verleihung des Friedensnobelpreises an die Europäische Union stellt einen weiteren Höhepunkt der Orwellisierung der derzeitigen Weltordnung dar. Während weite Regionen von Kriegen und Interventionen heimgesucht werden, bekommen die Hauptverantwortlichen der weltweiten Gewaltexzesse Nobelpreise umgehängt. Bei der Verleihung an US-Präsident Barack Obama 2009 verwiesen Befürworter auf dessen Versprechen, Kriege und Folter zu beenden. Eingetreten ist schließlich genau das, was schon damals absehbar war: der »Krieg gegen den Terror« wurde nicht nur weitergeführt, sondern sogar noch ausgeweitet. Nach wie vor werden Gefangene gefoltert und jahrelang ohne jegliche rechtliche Grundlage festgehalten. Die Zahl der Drohnenangriffe und illegaler Tötungen stieg unter Obamas Befehl stetig.
Die Verleihung der höchsten Friedensauszeichnung an die EU konnte ohnehin nur unter Ausblendung großer Teile der Realität begründet werden. Allein die im Lissabon-Vertrag verankerte Aufrüstungsverpflichtung für die Mitgliedsstaaten disqualifiziert die Union für den Nobelpreis. Hinzu kommen kürzlich durchgeführte, derzeit stattfindende oder geplante Kriegseinsätze in Afghanistan, Somalia, Côte d’Ivoire, Libyen und Mali, die Beteiligung an der Militarisierung unzähliger Konflikte weltweit oder die kriegsartigen Einsätze an den EU-Außengrenzen. Von der EU als »Friedensprojekt« zu sprechen kann nur, wer alles ignoriert, was außerhalb Europas passiert – und wer außer acht läßt, daß dieses »Projekt« auch innenpolitisch in weiten Teilen der Union nur mehr unter Einsatz von Polizeiknüppeln aufrechtzuerhalten ist.
Militärische Aktivitäten außerhalb der westlichen Metropolen werden seit jeher mit anderen Maßstäben bewertet als die – derzeit eben nicht vorhandenen – Kriege zwischen diesen. Die Verlagerung der bewaffneten Auseinandersetzungen in die Peripherie wird dabei noch mit einer besonderen Verantwortung der Metropolen begründet. Das neueste ideologische Konstrukt zur Rechtfertigung solcher Waffengänge heißt »Schutzverantwortung«. Staatliche Souveränität existiert nur mehr, solange dies nicht den Interessen der Hegemonialmächte zuwiderläuft. Menschenrechte können mit dem Konzept der »Schutzverantwortung« noch leichter für Interventionen instrumentalisiert werden, als dies schon bei den »humanitäten« Militäreinsätzen der Fall war. Die Demontage des Völkerrechts ist wieder einen Schritt vorangekommen.
Die Militarisierung der Weltpolitik begleitet den verzweifelten Versuch der Profiteure der bestehenden Verhältnisse, angesichts der tiefen Krise des Kapitalismus die globalen Ausbeutungsstrukturen zu sichern. Je mehr die Weltwirtschaft wackelt, desto fester müssen die Schrauben angezogen werden – um auch weiterhin Extraprofite einzufahren und um die Verlierer dieser Weltordnung davon abzuhalten, sich gegen die vermehrten Angriffe auf ihre Lebensgrundlagen zur Wehr zu setzen.
Innenpolitisch bedeutet das in den kapitalistischen Metropolen des Westens, daß trotz des Totalversagens des Neoliberalismus dieser nach ein paar kurzen Schreckmomenten und voreiligen Abgesängen auf den Markttotalitarismus zu Beginn der Krise nun von Regierungen und Konzernmedien wieder als einzig möglicher Ausweg dargestellt wird. Errungenschaften eines Jahrhunderts werden zurückgenommen, soziale Sicherungssysteme zerschlagen und die Verursacher der jetzigen Situation nicht mal mehr erwähnt.
Außenpolitisch wird die Gewalt zur Durchsetzung der Interessen des globalen Nordens und zur Bekämpfung punktuellen Aufbegehrens der Opfer der imperialistischen Machtverhältnisse zur Normalität. Zu den Kriegsaktivitäten von USA bzw. NATO und EU kommen die Gewaltexzesse, in denen sogenannte Schwellenländer zunehmend versinken. Bei dem Versuch, neoliberale Konzepte und Konzerninteressen gegen den Widerstand von großen Teilen der eigenen Bevölkerung durchzusetzen, agieren die Regierungen dieser Länder als willige Handlanger der Metropolen. Ob Militarisierung der EU-Außengrenzen oder die Instrumentalisierung des »Drogenkrieges« zur Bekämpfung sozialer Bewegungen in Mexiko – stets geht es darum, die sozialen Auswirkungen dieser Weltwirtschaftsordnung gewaltsam niederzuhalten.