«FOR SALE»: So lautet einer der Slogans der IG Industriestrasse. Sie will damit aufmerksam machen, dass die Stadt Luzern immer mehr Boden verkaufen will, aktuell und konkret: Land im Gebiet der Industriestrasse. Das ist eine Tendenz, die mich zum Nachdenken anregt.
Es darf nämlich nicht sein, dass die Stadt aus «steuertechnischen Gründen» oder aus Standortmarketing-Überlegungen EinwohnerInnen und Einwohner verjagt und attraktive Standorte – leichtsinnig! – verkauft. Seit über zehn Jahren sind die Industriestrasse und ihre Zukunft bei der Stadt Luzern ein Thema, und trotzdem präsentieren uns Stadtrat und Stadtparlament nun mit dieser Abstimmungsvorlage eine absurde, eine kurzsichtige Lösung.
Eine Zürcher Firma soll dieses zentrale Stück Stadt Luzern für den bescheidenen Preis von wenigen Millionen kaufen können; 17 Millionen seien viel zu wenig, sagen Kenner der Immobilienbranche. Während also diese Branche boomt und blüht, verkauft die Stadt Land zu einem Spottpreis! Nach einem wirtschaftlich sinnvollen Geschäft tönt das nicht.
Es sind Orte wie die Industriestrasse und ihre gegenwärtige Nutzung, es sind solche Freiräume und Freiheiten, auf die unsere Stadt stolz sein kann. Freiräume, in denen Neues keimen, werden und wachsen und erstarken kann. Solche Perlen dürfen keinesfalls leichtsinnig einem kurzsichtigen Deal geopfert werden.
Beim Industriestrassenfest am 25. August haben viele Besucherinnen und Besucher, die dieses Biotop der Ideen, diesen Mikrokosmos der gesellschaftlichen Vielfalt erstmals gesehen darüber gestaunt, was hier auf so wenig Fläche alles entstanden ist und – eigentlich – gerne weiterbestehen möchte.
Auch die Initiantinnen und Initianten wissen, dass dieses wertvolle Gebiet über kurz oder lang anders genutzt werden wird. Genau darum aber will ihr Volksbegehren, dass dieses städtebaulich ebenso empfindliche wie wertvolle Areal nicht einfach – wie Tafelsilber, allerdings zu Scherzpreisen – verscherbelt wird.
Sie wollen, dass das Areal im Baurecht abgegeben wird, was auch mir als einzig vernünftige Lösung erscheint, damit es der Stadt längerfristig erhalten bleibt.
So wäre es auch möglich, dieses Baurecht an gemeinnützige Wohnbauträger wie Genossenschaften, abzugeben, die – erstens – im Sinne der am 17. Juni angenommenen Wohnbau-Initiative preisgünstigen und familienfreundlichen Wohnraum erstellen; und die – zweitens – bereit sind, den heutigen «Spirit Industriestrasse» wenigstens teilweise in ein nachhaltiges Projekt überzuführen, das sich nicht allein an der Profitmaximierung orientiert.
Seit ich an der Industriestrasse ein eigenes Atelier habe, erlebe ich tagtäglich, wie sich hier unterschiedlichste Nutzungen und ihre Akteurinnen und Akteure ideell gegenseitig inspirieren und motivieren: Hier nämlich warten nicht allein «Kreative» jedwelcher Disziplinen auf ihre Eingebungen, hier sind produktive Kleinstbetriebe zuhause, wirken und werken, um ihren Lebensunterhalt zu verdienen. Genau dieses Miteinander verschiedenster Nutzungen muss unbedingt in einer «künftigen Industriestrasse», sprich einer Überbauung im Baurecht, weiterleben.
Das Engagement der InitiantInnen sagt übrigens etwas Interessantes aus: Obschon sie genau wissen, dass sie dort mittelfristig ihre heutigen Ateliers verlieren, kämpfen sie mit vollen Kräften für ihre Vision, wie sie sich die Industriestrasse vorbildhaft darstellt.
Isabelle Roth, Luzern