Beim Staatsschutz die Fresse halten –
Bei Anquatschversuchen das Maul aufreissen!
Im Kanton Aargau ist der Staatsschutz eine Abteilung der Kantonspolizei, fachlich direkt dem Polizeikommandanten und administrativ dem Abteilungschef der Kriminalpolizei unterstellt. Er erfüllt jedoch mit der «Extremismus-Prävention» eine «Bundesaufgabe» und ist somit gegenüber dem Bund rechenschaftspflichtig. Im Aargau sind es nach unserem Wissen noch zwei Polizisten, die diesen Job ausüben: Herr Rolf Urech, Leiter dieser Abteilung und Herr Roth. Thomas Erismann, in der Vergangenheit häufiger in Erscheinung getreten, ist seit zwei Jahren nicht mehr in der Abteilung Staatsschutz tätig, geht jedoch als Fahnder weiterhin in zivil als Kantonspolizist seiner Arbeit nach.
Schon in Zeiten, als der Verein für alternative Kultur in Aarau (fak aarau) aktiv war, war das der Staatsschutz ebenso. In diesen Jahren (2002 bis ca. 2005) stach vor allem Herr Urech als engagierter Beamter hervor. Schon damals wurden Personen aus dem Umfeld des fak aarau jeweils vor anstehenden Aktionen wie Demonstrationen, Konzerte etc. angerufen, um so an Informationen heranzukommen. Schon damals versuchte der Staatschutz mit einer Einladung zu einem Kaffee oder einer Pizza etwas länger mit Personen über die «Szene» zu plaudern. Zu einem solchen Treffen kam es jedoch glücklicherweise nie.
Im Jahr 2007 tauchte das erste Mal Thomas Erismann in der Öffentlichkeit auf. Während der «Reclaim the Streets»-Strassenparty in Lenzburg (Aufgrund der Verhinderung des «Think’n’Move»-Festivals im Tommasini) war auch Herr Erismann vor Ort. Ab diesen Zeitpunkt, tauchte dieser dann häufiger auf.
Im Rahmen der Hausbesetzungen und anderen Aktionen der Gruppe Klaustrophobia in den Jahren 2008 bis 2009 kam es dann auch wieder häufiger zu Kontakt mit dem Staatsschutz, sei es durch Vorladungen oder Hausbesuche. Anbei ein kleiner und unvollständiger Überblicke der letzten Jahren:
Im April 2008 fand in Wöschnau SO eine Platzsauvage statt. Vorher besammelte mensch sich jedoch im Aarauer Graben, wo vereinzelt Personenkontrollen durchgeführt worden sind. Ein paar Tage später klingelte das Telefon bei der Mutter des noch minderjährigen Kurt, der Staatsschutz wolle vorbei kommen. Dieser kam dann auch in Gestalt von Herr Urech, Chef des Staatsschutzes des Kantons Aargau. Urech redete beinahe unermüdlich, dass Kurt nun am Rande der «linksextremen Szene» sei und er keine «geordneten Bahnen» verlassen dürfe, weil sonst schlimmeres passiere. Nebenbei wollte er unbedingt Infos, mit wem Kurt da gewesen sei, wen er sonst kenne und ob er wisse, wer die Sauvage organisiert hätte. Ohne verwertbare Infos zog Urech nach einer knappen halben Stunde wieder ab.
Am 13. Juni 2009 hätte es zu einer Nazi-Demo der «Freien Nationalen Kameradschaft Schweiz-Germania» kommen sollen. Ursprünglich hat die Stadtpolizei die Demo bewilligt, auf Drängen der Kantonspolizei wurde die Bewilligung jedoch wieder zurückgezogen. Jedenfalls waren einige Antifaschist_innen in Aarau unterwegs. So wurde Franz angehalten und da er anscheinend in der lokalen Hausbesetzer-Szene unterwegs sei, vorläufig festgenommen. Im Polizeigewahrsam tauchte dann Thomas Erismann auf, welcher Franz dann auch befragte. Aus der Fragestellung liess sich lesen, dass der Staatsschutz wissen wollte, wie tief Franz in der «Szene» sei. Nebenbei bot Erismann Fr. 1000.– für Hinweise bezüglich der Urheber_innen der Sprayerei auf dem Sandstein am Grossratsgebäude. Franz gab nur sehr ausweichend Antworten und wurde so mit einer Wegweisung wieder entlassen.
Am Sonntag, 15. August 2009 wurde das kurz zuvor besetzte Haus an der Melligerstrasse 33 in Baden wieder verlassen. Als Alvin etwa 150 Meter vom Haus entfernt war, wurde er von hinten mit seinem Nachnamen angesprochen. Staatsschützer Erismann wollte ein wenig plaudern und lud Alvin auf eine Pizza ein. Der hungrige Alvin liess sich aufs Pizza-Essen ein, sprach ansonsten jedoch nicht mit Erismann, der sich für den Bezug von Alvin zum besetzten Haus interessierte. Ebenfalls wollte er wissen, was für eine Gruppe das Haus besetzt hat.
Im darauffolgenden Monat erhielten drei Personen eine Vorladung des Staatsschutzes. Der angegebene Grund, war die davor stattgefundene und nach einem Tag abgebrochenen Hüttensiedlung im Aarauer Schachen. Aufgrund welcher Kriterien diese drei Personen eine Vorladung erhielten blieb unklar. Quentin war zu diesem Zeitpunkt schon gar nicht im Lande und erschien so gar nicht bei Herr Erismann. Romolus folgte der Vorladung und plauderte auch mit dem Staatsschützer, da diese Person die Bedeutung und Auswirkung eines solchen Gespräches nicht wirklich kannte. Und auch die aktiven Besetzer_innen erfuhren erst später von der Vorladung und dem Gespräch von Romolus. Die dritte Person, Tim, erschien ebenfalls beim Staatsschutz, war aber nicht gesprächsbereit und musste sich so nur ein paar mahnende Worte vom besorgten Herr Erismann anhören.
Für den Samstag, 5. Dezember 2009 wurde ein Knastspaziergang für Philipp und Ivo, die damals in Untersuchungshaft sassen, angekündigt. Rund 30 mutmassliche Demonstrant_innen wurden am Bahnhof von Robo-Cops gekesselt und mit dem Zug zurück nach Bern gebracht. 40 Menschen gelang es währenddessen, Philipp und Ivo solidarisch zu grüssen. Erschreckende Szenen spielten sich jedoch in der Bahnhofsunterführung ab: Der sichtlich nervöse und überforderte Thomas Erismann verhaftete mehrere Menschen indem er ihnen den Nachnamen entgegenbrüllte und eine Schusswaffe auf diese Personen richtete.
Mitte April 2011 wurde Lena beim Klebern erwischt. Der doch recht ansehnliche Stapel Aufkleber wurde konfisziert und laut dem Streifenpolizisten nach Aarau zum Staatsschutz geschickt. Nach einigen Tagen rief dann einer der drei Staatsschützer an und sprach Lena auf die Aufkleber an. Diese wollte jedoch nicht mit dem Polizisten sprechen. Obwohl der Staatsschützer sagte, dass Lena einen grossen Fehler mache und sie sie abholen würden, wenn sie nicht spreche, beendete Lena das Telefonat bestimmt durch Auflegen des Telefons. Konsequenzen hatte dies keine.
In den letzten Jahren tauchte dann ein weiterer Staatsschützer immer häufiger in Erscheinung. So war Herr Roth an der 1.-Mai-Demo 2010 in der Stadt unterwegs, um sich ein Bild des revolutionären Blocks zu machen oder auch an der letzten Nacht-Tanz-Demo (Dezember 2011) oder dem Knastspaziergang für Marco Camenisch in Lenzburg (April 2012) schlich er umher. Aber auch bereits während den Knastspaziergängen für Ivo und Philipp war er vor Ort. Carlos, der für eine Personalien-Überprüfung auf den Posten mitgenommen wurde, drohte Roth mit den Worten «wenn du so weiter machst, bist du der nächste der hier [im Knast] sitzt.».
Das dies nicht einfach Märchen und Geschichten aus früheren Zeiten sind, beweist der Staatsschutz gleich selber, indem er immer noch versucht, einige Personen anzurufen um so Infos über vergangene oder kommende Veranstaltungen zu erhalten.
Am Donnerstag, 12. April bekamen zwei Menschen aus der Region Aarau-Olten einen Anruf von Herr Urech. Dieser wollte über die letzte Nacht-Tanz-Demo in Aarau plaudern, wollte wissen, was am 1. Mai 2012 in Aarau geplant ist und was das am Samstag genau für eine Veranstaltung im Kulturzentrum Bremgarten KuZeB sei [Antifa-Soli-Day mit Workshop, Film, Küfa/Vokü und Konzerten]. Es wurde ausweichend geantwortet und sich schnell wieder von Seiten der Angerufenen verabschiedet. Noch am gleichen Tag klingelte das Telefon in der alten Kleiderfabrik in Bremgarten. Werner Jappert, Stellvertretender Chef der Regionalpolizei Bremgarten erkundigte sich auf Geheiss des Staatsschutzes über den Antifa-Soli-Tag. Einen Tag später erkundigte er sich noch einmal, ob denn wirklich keine Aktivitäten draussen geplant seien und wie viele Menschen erwartet würden, ob keine Angst vor Nazis vorhanden wäre und wie die Situation deswegen eingeschätzt wird. Er schloss damit ab, dass er nicht hoffe, dass das KuZeB jetzt in die «Staatenfeindlichkeit» abrutsche und erwähnte schon fast beiläufig, dass der Staatsschutz vor Ort sein werde. Tatsächlich wurden am Abend dann noch drei doch sehr auffällige Männer weggewiesen und am nächsten Mittag versuchte auch noch einer sein Glück, welcher jedoch auch nicht hereingelassen wurde.
Wiederum klingelte am 27. Juni bei drei Menschen das Mobiltelefon und Herr Urech wollte etwas plaudern. Die eine Person, Magdalena wusste von nichts und konnte/wollte dem Staatsschützer keine Angaben zu eventuellen Aktivitäten der Antifa Aarau bezüglich «Frei.Wild» und dem anstehenden «Nächtlichen Tanzvergnügen 2.0» geben. Jakob nahm das klingende Telefon gar nicht erst ab. Besonders interessant ist, dass der Staatsschutz jetzt schon versucht, via Juso Infos zu beschaffen: So wurde uns über Umwege zugetragen, dass Herr Urech versuchte, telefonisch bei einem Jungsozialisten an Infos zur Antifa Aarau und möglichen Gegenaktivitäten zum «Frei.Wild»-Konzert am Heitere-Openair zu gelangen. Herr Urech soll jedoch auch beim Juso auf keinerlei relevanten Informationen gestossen sein.
Wir wollen mit diesem Text, das herrschende Schweigen bei Staatsschutz-Tätigkeiten durchbrechen. Wir hoffen, mit diesem Statement zu einem sichereren und vor allem offeneren Umgang mit Repression beizutragen. Niemand von uns ist alleine, egal ob er_sie verhaftet, kontrolliert, misshandelt, überwacht, ausgequetscht, erpresst, eingeschüchtert oder auch nur angesprochen wird. Macht Anquatsch-Versuche öffentlich und meldet euch bei lokalen Antirep-Gruppen! Zeigt auf, was Staatsschutz und Co. wollen und helft so anderen dabei, sich zu wehren. Macht keine Aussagen gegenüber Staatsschutz, anderen Polizist_innen oder Staatsanwaltschaft und unterschreibt auch nichts! Lasst euch nicht auf (Telefon-)Gespräche mit dem Staatsschutz ein! Räumt euer Zimmer wieder mal auf und informiert euch über eure Rechte. Dies schützt euch und eure Freund_innen.
Es bleibt dabei: Anna und Arthur halten’s Maul!
Unsere Solidarität gegen ihre Repression!