Scheren gegen Spitzhacken

Spanische Bergarbeiter streiken gegen die Kürzung der Subventionen für den Kohleabbau.

Mehr als 60 Barrikaden auf Autobahnen, Landstraßen und Bahngleisen zählte die Polizei in der nordspanischen Region Asturien am 19. Juni. Auch an anderen Tagen waren wichtige Verkehrsverbindungen stundenlang unterbrochen, oft sind die Blockaden weithin sichtbar, weil die Mineros, die Bergarbeiter, Reifen anzünden.

In den ersten zwei Wochen des Streiks hielten die Mineros vor allem Kundgebungen und Versammlungen ab. Im Schacht von Santa Cruz del Sil bei Bierzo schloss sich am 21. Mai eine Gruppe von acht Bergarbeitern ein. Sie wollen so lange unter Tage bleiben, bis die Kürzung der Subventionen für den Kohlebergbau zurückgenommen wird. Sie sind immer noch unten. Ihre Hoffnung, dass Politiker der regierenden konservativen Volkspartei (PP) zu ihnen kommen, hat sich bis jetzt nicht erfüllt. Auch Versuche von Funktionären der beiden staatsnahen Gewerkschaftsverbände CCOO und UGT, mit der spanischen Regierung zu verhandeln, scheiterten.

»Uns ist klar, dass sie uns in eine Sackgasse geleitet haben, aus der sie uns nicht herauslassen«, sagte der CCOO-Funktionär Alberto González Llamas. Sein Kollege Juan Carlos Álvarez Maestro von der zur UGT gehörenden Gewerkschaft FITAG appellierte an den Ministerpräsidenten Mariano Rajoy und den Industrieminister José Manuel Soria, doch noch einzulenken. Soria erklärte derweil die Kürzungen, denen Ende Juni auch die zweite Kammer des Parlaments zugestimmt hat, für unverzichtbar. Um 64 Prozent, etwa 180 Millionen Euro, wurden die Subventionen gekürzt, mit großen Unterschieden zwischen den Bereichen: Während die Mittel für Infrastrukturmaßnahmen nur um 39,2 Prozent niedriger ausfallen als voriges Jahr, beträgt die Kürzung bei Zuschüssen für die Umschulung der Arbeiter 99,6 Prozent und bei Investitionen in die Arbeitssicherheit 100 Prozent.

Bereits die Regierung des sozialdemokratischen PSOE hatte im Jahr 2010 mit der EU die Beendigung der Subventionen vereinbart, diese sollten jedoch erst 2018 auslaufen. Der PP präsentierte sich damals als »Retter der Kohle«, umso schockierter ist man nun in den Bergbauregionen. Dass es zu Ende geht, ist lange klar, denn die Weltmarktpreise für Kohle sind so niedrig, dass die spanischen Produzenten nicht mithalten können. Die Zahl der im Kohlebergbau Beschäftigten sank seit 1985 von 52 910 auf 7 900.

»Der abrupte Subventionsabbau«, so der Wirtschaftsrat der Regionalregierung von Asturien, Graciano Torre, »kann das Ende der Kohleförderung schon 2012 bedeuten.« Das würde nicht nur zu Massenentlassungen führen. Viele kleinere Orte leben ausschließlich vom Bergbau. Dort haben die Mineros einen starken Rückhalt, auch für militante Aktionen. So stellten sich in der Kleinstadt Cireña bei den Straßenblockaden ältere Leute ganz selbstverständlich neben die mit Sturmhauben maskierten Mineros. In Léon drohten 50 000 Demonstranten in Anspielung auf das Symbol der Kürzungen: »Ihr habt die Scheren, wir haben die Spitzhacken.« Die paramilitärische Guardia Civil hat viele ihrer Sondereinsatzkommandos in das Konfliktgebiet verlegt. Aber diesmal haben sie es mit Streikenden zu tun, die bereit sind, alles zu riskieren.

So schossen Mineros aus umfunktionierten Stahlrohren Feuerwerksraketen auf Polizisten, deren Gummigeschosse eine geringere Reichweite haben. Kommt die Polizei näher, werden Zwillen benutzt. Die CCOO haben sich vehement von diesen Aktionen distanziert. Doch ist es offenkundig ihre eigene Basis, die so kämpft. Mittlerweile werden die Barrikaden von den Mineros nicht mehr verteidigt, es gab zu viele Festgenommene und Verletzte. CCOO und UGT haben am 22. Juni einen »Schwarzen Marsch« begonnen, mehrere Gruppen haben sich auf den Weg nach Madrid gemacht, wo sie am 11. Juli eintreffen sollen. Es gibt erste Solidaritätsaufrufe, unter anderem einen von der radikalen »Antikapitalistische Linken«. Dieser fordert kurzfristig den Erhalt der Subventionen, langfristig alternative Arbeit für die Mineros und unter Bezugnahme auf die Selbstorganisation der Mineros ein Wirtschaftsmodell, das von »denen von unten« entwickelt wird.

Quelle: http://jungle-world.com/artikel/2012/27/45797.html

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