Trayvon Martin ist nur eines von unzähligen Opfern rassistischer Gewalt in den USA
Von Mumia Abu-JamalDie Nachricht vom Fall des in Florida erschossenen afroamerikanischen Jugendlichen Trayvon Martin hat sich mit Cybergeschwindigkeit über den Globus ausgebreitet, größtenteils dank der sozialen Netzwerke. Die Geschehnisse seit Ende Februar 2012 tragen alle Merkmale einer nationalen Tragödie, die weiter fortschreitet, auch wenn nun endlich Anklage gegen den Todesschützen George Zimmerman erhoben wurde. Unbeachtet bleiben dabei aber ähnliche Ereignisse der Vergangenheit, denn was Trayvon widerfahren ist, ist kein Einzelfall, hat vielmehr eine lange und scheußliche Vorgeschichte. Die Täter sind jedoch zumeist Polizisten und nicht Zivilpersonen wie der Wachschützer einer geschlossenen Wohnanlage, der Trayvon in Notwehr erschossen haben will.
Im Mai 1980 flammten in Miamis Schwarzenghetto Liberty City Empörung und Zorn auf. Vorausgegangen war den Unruhen der Tod des 33jährigen Versicherungsvertreters Arthur McDuffie, den Polizisten am 21. Dezember 1979 bei einer Verkehrskontrolle verprügelt hatten. Der Motorradfahrer war aber nicht nur niedergeschlagen, sondern er war totgeprügelt worden. Im Prozeß gegen die vier verantwortlichen Polizisten aus dem Bezirk Dade County, Miami, verglich der medizinische Sachverständige Ronald Wright die Verletzungen, die McDuffie durch Polizeiknüppel und Faustschläge zugefügt worden waren, mit denen eines Sturzes aus dem vierten Stock. McDuffie habe die schlimmsten Schädelverletzungen erlitten, die ihm, Wright, bei mehr als 3600 Autopsien untergekommen seien. Trotzdem sprach eine nur aus weißen Männern bestehende Jury die Polizisten im Mai 1980 in allen Anklagepunkten frei, woraufhin Tausende Menschen aufgebracht durch die Straßen von Liberty City zogen.
Den Namen Arthur McDuffies könnte ich durch eine Reihe weiterer Namen ersetzen, die ebenfalls längst in Vergessenheit geraten sein mögen, ausgenommen bei ihren Angehörigen und Freunden. Sie sind Opfer eines langen und schmutzigen Krieges gegen Schwarze, den weiße Rassisten, vom Staat oder privat mit Waffen ausgerüstet, führen. Opfer wie der 21jährige Randy Heath, der 1979 in Miami von einem weißen Polizisten, der dienstfrei hatte, von hinten ins Genick geschossen wurde. Freispruch für den Täter. Und Dwaine Thomas – erinnert sich noch irgend jemand an diesen Namen? Er war 19 Jahre alt und wohnte in einem Stadtteil namens Over-the-Rhine in Cincinnati, Ohio. Auch er wurde umgebracht. Sein Mörder? Ein weißer Polizist, der, obwohl unter Anklage gestellt, das Gericht als freier Mann verlassen konnte.
Nicht zu vergessen der sogenannte Move-Bombenanschlag, bei dem am 13. Mai 1985 Kinder, Frauen und Männer umkamen, als die Polizei das von ihr umstellte Haus der Move-Organisation in Philadelphia durch eine von einem Hubschrauber abgeworfene Bombe in Brand setzte. Elf Menschen starben in den Flammen oder durch Polizeikugeln. In diesem Fall konnte es keine Freisprüche geben – weil niemand dafür angeklagt wurde. Ein Massaker an Zivilisten, aber die Justiz erhebt keine Anklage!
Die einzelnen Fälle weichen voneinander ab, aber im wesentlichen Punkt gibt es keinen Unterschied. Sie zeigen, wie wenig das Leben eines schwarzen Menschen wert ist. Und sie sagen viel aus über den »American Way of Acquittals«, der Freisprüche über Freisprüche für weiße Killercops. Im Fall von Trayvon Martin ging es nun um einen Täter aus der Kategorie »bewaffneter Zivilbulle«, und sein Opfer ist ein unbewaffneter schwarzer Junge von 17 Jahren. Auch das paßt ins Schema.