600 fordern Freiheit für Mumia

Mit einem 700 Meter langen Transparent umzingelten heute ca. 600 Menschen die US Botschaft in Berlin, um nach über 30 Jahren Haft die Freilassung von Mumia Abu-Jamal zu fordern. Auf dem Transparent und In Sprechchören wiesen sie auch auf die Masseninhaftierung in den USA hin und forderten die weltweite Abschaffung der Todesstrafe.

Über mehrere Monate hatten Unterstützer_innen des afroamerikanischen Journalisten Abu-Jamal auf Info-Veranstaltungen im gesamten Land kleine Stoffstücke als Zeichen ihres Protestes bemalt, die nun in Berlin auf die Straße getragen wurden. Parolen und Spruchbänder waren dabei in über 20 verschiedenen Sprachen entstanden. Unterstützt wurden die FREE MUMIA Aktivist_innen dabei von Teilnehmer_innen des Berliner Ostermarsches, der aus diesem Anlass auf den Pariser Platz zog. Knapp 900 Teilnehmer_innen protestierten heute in Berlin trotz sehr kalten Wetters gegen die Waffenexporte aus der Bundesrepublik und die daraus resultierende Steigerung der Kriegsbereitschaft in weiten Teilen der Welt. Solidarisch unterbrachen sie den Ostermarsch, um an der FREE MUMIA Aktion teilzunehmen.

In Flugblättern wurde darauf hingewiesen, dass der ehemals zum Tode verurteilte linke Journalist erst im vergangenen Herbst vom Obersten Gerichtshof der USA Recht bekam. Dort wurde festgestellt, dass das 1982 ergangene Todesurteil gegen ihn verfassungswidrig war. Trotzdem weigert sich die Justiz, ein neues Verfahren zu eröffnen oder ihn endlich freizulassen.

Nach einigen Wochen verschärfter Isolationshaft konnte Mumia im Februar 2012 zumindest durchsetzen, dass er in den Normalvollzug verlegt wurde (1). In diesem Monat finden nun in mehreren Ländern Aktionen statt, um endlich die Freilassung von Mumia Abu-Jamal durchzusetzen. So mobilisieren in den USA zu Mumias Geburtstag (24. April) landesweit Gruppen zu zivilem Ungehorsam vor das Justizministerium in Washington D.C. (2). In London wird zu Protesten in Brixton und in Amsterdam vor das US Konsulat aufgerufen (3), ebenso wie in Berlin (4), wo ein ehemaliger Mitgefangener Mumias auf einer Demonstration vom Überleben im Todestrakt und dem Rassismus in Justiz und Verfassung der USA berichten wird.

18750 Gefangene sitzen weltweit in Todestrakten und warten auf die Hinrichtung. Auch die USA gehören zu den Ländern, die noch immer Gefangene hinrichten. Derzeit werden ca. 3200 Gefangene in den US Todestrakten festgehalten. Laut Amnesty International wurden 2011 zwar weniger Menschen als in den Vorjahren hingerichtet, aber nach China, dem Iran, Saudi-Arabien und Irak belegen die USA noch immer Platz 5 der meisten Hinrichtungen

Neben der allgemeinen Abschaffung der Todesstrafe forderten die Demonstrant_innen auch ein Ende der Masseninhaftierung in den USA. Derzeit sind dort 2,5 Millionen Menschen inhaftiert. Weitere 4,2 Millionen sind in Freigang oder auf Bewährung. Jede_r 31. Bürger_in der USA steht unter direkter Kontrolle der Justiz. Laut UNO sind 25% aller Gegangenen weltweit in den USA inhaftiert (bei ca. 4% Anteil an der Weltbevölkerung). Diese Form des Einsperrens der eigenen Bevölkerung hat nur wenige historische Parallelen. Kein anderer Staat der Erde sperrt derzeit in so hohem Masse seine eigenen Bürger_innen ein – weder nach realen Zahlen noch im Verhältnis zur Bevölkerungsgröße.

Obwohl der vorherrschende Neo-Liberalismus in den USA unter dem Vorwand des “schlanken Staates” die Abschaffung fast sämtlicher Sozialmaßnahmen durchgesetzt hat, kostet der anstelle dessen errichtete moderne Gefängnisapparat die öffentlichen Haushalte inzwischen deutlich mehr. Durch die industrielle Ausbeutung der Gefangenen entstehen jedoch enorme Profite, die inzwischen einen messbaren Anteil an der gesamten US Wirtschaft haben (seit 2007 ungefähr 3%). Gerade die Privatisierung von Teilen des Strafvollzuges hat sich als Motor für immer weitere Strafverschärfungen und einen rapiden Anstieg der Inhaftierungsraten in den letzten Jahrzehnten erwiesen (6).

Da die Gefangenen überwiegend People Of Color sind, die nur 20% der Bevölkerung in den USA ausmachen, liegen die Parallelen zur offiziell abgeschafften Sklaverei auf der Hand. So musste das Justizministerium 2011 einräumen, dass inzwischen mehr Afroamerikaner_innen Zwangsarbeit in Gefängnissen leisten, als zur Zeit der Abschaffung der offiziellen Sklaverei. Die sozialen Auswirkungen dieser Politik sind immens. Gerade in den afroamerikanischen Gemeinden sind inzwischen häufig ein Drittel der Männer unter 35 Jahren im Gefängnis. Familien- und Sozialstrukturen sind z.T. komplett zerstört worden. Für viele Afroamerikaner_innen, Natives und Hispanics scheint ein Leben in völliger Armut und unter ständiger Bedrohung des Freiheitsverlustes dadurch zementiert zu sein.

Kritiker_innen des „Gefängnis-industriellen Komplexes“ sehen darin eine rassistische Form der Aufstandsbekämpfung bei gleichzeitigem entledigen jeglicher sozialer Verantwortung für das Drittel der Bevölkerung, welches von dem gesellschaftlichen Reichtum der USA gezielt ausgeschlossen wird.

Gerade auf diesen Zusammenhang wiesen zahlreiche der Transparente hin, die heute Mittag vor der US Botschaft in Berlin zu sehen waren.

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Anmerkungen:

(1) Isolationshaft gegen Mumia Abu-Jamal aufgehoben
 http://www.mumia-hoerbuch.de/mumiadeutsch.htm#isohaftaufgehoben

(2) FREE MUMIA – Now!
OCCUPY FOR JUSTICE: OCCUPY THE JUSTICE DEPARTMENT — April 24, 11AM
 http://www.mumia-hoerbuch.de/mumiaenglisch.htm#occupywdc240412

(3) Amsterdam: MUMIA VRIJ – NU! – Info:  http://www.mumia-hoerbuch.de/text/amsterdamfly210412.jpg
London: Sa, 21. April – 13:00 Uhr – Windrush Square – Brixton, Borough of Lambeth, London SW2

(4) Berlin: Sa. 21. April – Demonstrationsaufruf
 http://www.mumia-hoerbuch.de/text/flyer_demo_210412.pdf

(5) Death sentences and executions in 2011
 http://www.amnestyusa.org/research/reports/death-sentences-and-executions-2011

(6) Lobby Vereine wie z.B. die Correctional Corporations of America (CCA) zahlen jährlich Millionen an “Wahlkampfspenden”, um auf allen politischen Ebenen den inzwischen nicht mehr ganz so beliebten Law And Order Diskurs auf Linie zu halten. Details dazu siehe auch:
“Der Fall Mumia Abu-Jamal – Rassismus, strafender Staat und die US-Gefängnisindustrie”, Kyrylo Tkachenko, Unrast-Verlag 2012
 SPAMSTOPP.Andrea_1@live.de   http://www.freiheit-fuer-mumia.de

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