Die Urteile im österreichischen §278a-Verfahren gegen 13 TierbefreierInnen, liegen nun in schriftlicher Form vor. Ein Artikel der österreichischen Tageszeitung Der Standard:
Nach den Freisprüchen im Prozess präzisiert Richterin Sonja Arleth ihre Sicht: von krimineller Organisation keine Spur.
Wien – Neun Monate brauchte Richterin Sonja Arleth, um ihr Urteil schriftlich auszuführen. Am 2. Mai 2011 hatte sie ihre spektakulären Freisprüche in dem Monsterverfahren gegen 13 Tierschützer verkündet. Diese waren wegen Bildung einer kriminellen Organisation laut dem umstrittenen Paragrafen 278a und anderen Delikten angeklagt gewesen.
Am 6. Februar 2012 bekamen Verteidiger und Staatsanwalt das 385-Seiten-Konvolut zugestellt, das auch dem STANDARD vorliegt. Darin nimmt die Verhandlungsvorsitzende, die inzwischen keine Verhandlungen mehr leitet, sondern jetzt über Haftanträge entscheidet, auch zur eigenen Prozessführung Stellung. Diese war vielfach als schleppend empfunden worden.
“Die Hauptaufgabe des Strafgerichtes liegt nicht darin, ein Verfahren in übermütiger Raschheit zu Ende zu führen”, schreibt Arleth. Vielmehr sei die “umfassende Bearbeitung unverzichtbarer Beweismittel” angesagt gewesen. So zum Beispiel die Entscheidung über die “circa 1.500 Beweisanträge”, meist von Angeklagtenseite, die sie bei Durchsicht der Hauptverhandlungsprotokolle aus den 13 langen Prozessmonaten zusammengezählt hat.
Abgewiesen
Etliche davon hatte Arleth während des Prozesses abgewiesen: Sie hätten, wie sie schreibt, keine Zusatzerkenntnisse gebracht und den Prozess zusätzlich verlängert. Dass sie auch zwei vorgeschlagene Zeugenladungen zum “Mafia”-Vorwurf von Staatsanwalt Wolfgang Handler ablehnte, könnte laut Rechtsexperten jetzt Ausgangspunkt für dessen Berufung sein. Diese hat Handler zu Prozessende bereits angemeldet – doch allein entscheiden wird er nicht. “Eine allfällige Berufung geht zur Überprüfung auf dem Berichtsweg zur Oberstaatsanwaltschaft und ins Justizministerium”, erläutert dort Sektionsleiter Christian Pilnacek.
Mit ihren Freisprüchen im Mai hatte Arleth Handlers Anklage in allen Punkten als zu dünn bezeichnet. In der Urteilsbegründung zerpflückt sie vor allem seinen Hauptvorwurf: dass es in Österreich eine kriminelle Tierschützer-Organisation gebe, die in verbrecherischer Absicht und international vernetzt gegen Pelzhandel und Tierversuche vorgehe.
Über mehr als 20 Seiten ziehen sich ihre rechtlichen Ausführungen zu Paragraf 278a: was dieser unter Strafe stelle, wie er zu interpretieren sei. “Was da steht, ist dissertationsreif und von einer wissenschaftlichen Akribie, die Arleth in meiner Gunst stark steigen lässt – egal, wie ihre Prozessführung auch war”, kommentiert der Verfassungsrechtler Bernd-Christian Funk.
Keine Tatbegehungsbeweise
Die beschuldigten Tierschützer seien eindeutig nicht der organisierten Kriminalität zuzurechnen, schließt die Richterin. Vielmehr hätten sie “durch legale Aktionen des zivilen Ungehorsams im Rahmen einer Protestbewegung politische Ziele verfolgt”. Und bei den angeklagten Einzeldelikten – von Sachbeschädigungen an Hühnerbatterien bis zur Nötigung von Kleider-Bauer-Pressesprechern – fehlten überall ausreichende Tatbegehungsbeweise.
Harsch fällt auch Arleths Einschätzung der Zeugenaussage des Leiters der Sonderkommission Tierschutz, Erich Zwettler, aus. Zum Einsatz der verdeckten Ermittlerin Danielle Durand habe er nur “Schutzbehauptungen” von sich gegeben.