Am Samstag 19. November fand in Brunnen im Kanton Schwyz eine Sauvage statt. Die bürgerlichen Medien hatten ziemlich Mühe, sich darauf einen Reim zu machen: “So ist im Moment nicht bekannt, wer die Party organisiert hat und wie viele Personen sich auf dem Areal befanden.” (Schwyzer Zeitung vom 22. November 2011) Kein Wunder, die Bullen getrauten sich nämlich nicht, rein zu kommen…Und wir waren viele, sehr viele: zwischen 300 und 500 Leute von überall her feierten zu Minimal und Tech-House in einer Halle der ehemaligen Zementfabrik, die Atmosphäre erinnerte an die Ursprünge der Techno-Kultur als diese noch nicht vereinnahmt und kommerzialisiert war. Das Areal, auf welchem das Gebäude steht, liegt brach, gehört der Holcim AG und wird von der Liegenschaftsverwaltung der Kantonalbank Schwyz verwaltet. In einigen Jahren soll hier ein neues Ghetto für Reiche entstehen: Brunnen Nova, ein Quartier voller Luxuslofts und schicker Läden. Doch im Raum Schwyz gibt es noch genug hübsche Gebäude, um eine Party zu feiern, und wir kommen sicher wieder…
Folgender Text ist an der Party verteilt worden:
“Wir nehmen uns hier und heute einen Raum, um unsere Leben zumindest für einen Abend in die eigenen Hände zu nehmen, fernab der alltäglichen Zwänge und Einschränkungen treffen wir uns, um, je nach individuellen Bedürfnissen, uns kreativ zu beteiligen, über unsere Ideen zu diskutieren oder einfach nur zum Tanzen und Feiern.
Das Bedürfnis nach einem selbstorganisierten, nicht-kommerziellen Freiraum (1) existiert nach wie vor in unserem Talkessel (2). Leider vergessen einige Leute, dass Freiheit nicht erbettelt, sondern nur erkämpft werden kann (3) ! Denn die Herrschenden in dieser Gesellschaft werden uns nur genau so viel “Freiheit” zugestehen wie unbedingt nötig ist, um die Profitmaximierung, also die Ausbeutung unserer Leben und unserer natürlichen Lebensgrundlage, weiter zu führen und zu verstärken. Dies zeigt sich, wenn Leute sich die Mühe machen, Unterschriften zu sammeln und den staatlichen Institutionen Vertrauen schenken, nur um zu erfahren, dass im bürokratischen Müllhaufen die Verantwortung hin- und hergeschoben wird. Schliesslich stellt der Staat fest, dass es kein Bedürfnis nach Freiräumen gibt (oder geben darf) und jegliche Energie verpufft an der (ach so demokratischen) staatlichen Heuchelei. Verschiedene Objekte, die sich eignen würden, werden natürlich viel lieber mit Gewerberäumen gefüllt oder luxussaniert. Und selbstverständlich werden Areale lieber leer stehen gelassen, um damit zu spekulieren, anstatt unser Leben jenseits der Logik der Warengesellschaft lebenswerter zu machen. Aber wo denken wir da auch hin…
Dies verwundert uns gar nicht, denn wer auch mal über den Kessel hinaus schaut, weiss, dass die Gentrifizierung (4) nicht nur ein grossstädtisches Phänomen ist. Hier, wo wir nun tanzen und feiern, plant beispielsweise die Kantonalbank ein neues Ghetto für Reiche.
Wir wollen hier aber keine Forderungen stellen oder Pläne schmieden zur weiteren Befriedung im kapitalistischen Ausbeutungsverhältnis. Wir wollen die Freiheit, eine Freiheit ohne die alltäglichen Herrschaftsstrukturen, die wir längst auch selbst reproduzieren, wir wollen Herrschaftsfreiheit! Dies verlangt nach Selbstverantwortung und gegenseitiger Hilfe, also sind wir alle ein Teil dieser Party und können nur gemeinsam mit gegenseitigem Respekt einen wirklichen Freiraum gestalten.
Der Kessel dampft!
(1) Von 1998 bis 2009 gab es in Schwyz den Himmel, einen selbstorganisierten Treffpunkt und Konzertraum.
(2) “Talkessel Schwyz” bezeichnet das Tal von Schwyz, Brunnen und Umgebung.
(3) Vor nicht allzu langer Zeit lancierte ein Gruppe namens Kultur(t)raum Schwyz eine Petition für einen alternativen Konzertraum mit Hunderten von Unterschriften. Die Reaktion des Regierungsrates von Schwyz beschränkte sich auf ein trockenes “Nein”…
(4) Hergeleitet vom englischen Begriff für Adel, beschreibt dieser aus der Stadtsoziologie kommende Begriff die “Aufwertung” von Quartieren durch Sanierungen oder Neubauten. Dabei werden in der Regel günstige Wohnungen durch Luxuslofts und schicke Cafés ersetzt. Die Folge davon ist, dass ganze Quartierbevölkerungen umziehen müssen, weil sie die gestiegenen Mieten und anderen Lebenserhaltungskosten nicht mehr bezahlen können.”