Biografie von Marco Camenisch

Marco Camenisch wurde am 21. Jan. 1952 im Kanton Graubünden geboren. Nach dem Abbruch des Gymnasiums (Evang. Mittelschule Schiers) begann er eine Lehre auf dem Plantahof, konnte sich jedoch mit der dort praktizierten modernen Tierzucht nicht anfreunden und zog auf eine Alp.

In den 70ern wurde er zum Öko-Aktivist und zum engagierten, bald auch zum militanten AKW-Gegner.
1979 versuchten Camenisch und einige Mitstreiter, die Anlagen der Atomlobby zu sabotieren, indem sie u.a. in Graubünden Sprengstoffanschläge auf Hochspannungsmasten der NOK (Nordostschweizerische Kraftwerke) verübten.
Im Januar 1980 wurde er zusammen mit einem Mitstreiter verhaftet und wegen Sachbeschädigung, begangen an einem NOK-Mast bei Bad Ragaz durch das Kantonsgericht Chur zu 10 Jahren Zuchthaus verurteilt (das Strafmass widerspiegelt sowohl die damalige aus Deutschland importierte Terror-Hysterie, sowie die harte Linie gegen alles, was sich nicht den Normen unterordnen wollte, bzw. was nach “militanter Jugendbewegung” aussah).
Im Dezember 1981 floh Camenisch zusammen mit 5 Mitgefangenen aus der Strafanstalt Regensdorf (ZH). Dabei wurde ein Wärter erschossen, ein weiterer verletzt, was die Angelegenheit zu einem Medienereignis werden liess. Obwohl M.C. nachweislich nicht in derjenigen Gruppe war, aus der geschossen wurde, handelte er sich doch den Ruf in der bürgerlichen Presse, eines “gefährlichen Terroristen” ein.
In den folgenden 10 Jahren gehörte er zu den meistgesuchten Personen der Schweiz. Gerüchte besagten, dass er sich in den südlichen Alpentälern Graubündens versteckt halte; andere Quellen glaubten zu wissen, dass er sich in Italien einer militanten Anti-AKW-Gruppe angeschlossen habe … genaueres wusste niemand.
Erst am 3. Dezember 1989 wurde Marco Camenisch wieder gesichtet, als er in Brusio (GR) das Grab seines kürzlich verstorbenen Vaters, eines Zollbeamten besuchte. Nur wenige hundert Meter vom Friedhof entfernt wurde kurz darauf ein Zöllner erschossen aufgefunden. Sensationspresse und Staatsschutz verdächtigten (selbstverständlich) Camenisch der Tat.

Im November 1991 wurde Camenisch in der Toscana von der italienischen Polizei verhaftet. Beim Schusswechsel anlässlich der Festnahme wurde ein Polizist leicht und M.C. schwer verletzt (die Schusswunden in Beine und Knie sind nie ausgeheilt).
Ein italienisches Gericht (Massa Carrara) verurteilte ihn 1993 wegen schwerer Körperverletzung und wegen Sabotage-Aktionen gegen die Elektrizitätswirtschaft (Anschläge auf Strommasten) zu zwölf Jahren Zuchthaus. Zudem stimmte es einem Gesuch der Schweizer Behörden nach Auslieferung zu, diese sollte aber erst nach Teilverbüssung der Strafe erfolgen.
In den folgenden Jahren sass M.C. in Hochsicherheitsgefängnissen und teilweise in Isolationshaft. Aus dem Gefängnis heraus setzte er seinen politischen Kampf fort und engagierte sich für Menschenrechte.
Am 18. April 2002 wurde Camenisch an die Schweiz ausgeliefert, wo ihn eine Reststrafe von 8 Jahren (Gerichtsurteil Chur), ein Haftbefehl im Zusammenhang mit der Flucht aus Regensdorf (BA Dielsdorf) und ein weiterer der Stawa Graubünden (Verdacht auf Tötung des Grenzwächters in Brusio, 1989) erwartete.
Zur Zeit sitzt Marco Camenisch im Hochsicherheitsgefängnis Pfäffikon (ZH) ein. Seine Gesundheit ist schwer angeschlagen, zur Teilinvalidität durch die Schussverletzungen sind u.a. noch ein Tumor an der rechten Nebenniere sowie ein Blutgefässtumor der Leber gekommen.
Am 14.12.2002 wird M.C. nach Krauchtal (BE) in das Zuchthaus Thorberg verlegt,- angeblich in «Normalvollzug». Wie aus seinen Briefen hervorgeht, wird er jedoch auch hier als Hochsicherheits-Häftling mit speziell strengem Haftregime behandelt. Er protestiert und tritt am 18.01.03 in einen Hungerstreik. Vier Tage darauf wird er wieder in das Hochsicherheitsgefängnis Pfäffikon zurückverlegt.
Im Januar 03 finden weltweit Solidaritätskundgebungen für M.C. statt. Die spektakulärsten Aktionen verüben, von der herrschenden Porpagandamschinerie sog. «Öko-Terroristen» in Italien, wo u.a. eine Relaisstation der RAI in Bergamo sowie die Talstation der Gondelbahn in Abetone zerstört werden (Slogan: «Feuer für die Zerstörer, Freiheit für Marco»).
Das zweitinstanzliche Schwurgericht in Rom verkündet am 1. Februar 2003 die Urteile in einem Prozess gegen 46 Anarchisten: ein Angeklagter bekommt lebenslänglich, 7 weitere werden zu insgesamt 95 Jahren Haft verurteilt, die Restlichen werden freigesprochen.
Unter den Freigesprochenen ist auch Marco Camenisch. Der Generalstaatsanwalt Antonio Marini hatte für ihn eine Freiheitsstrafe von 6 Jahren gefordert. Camenisch war angeklagt, Angehöriger der Kerngruppe der “aufständischen revolutionär-anarchistischen Organisation” von Alfredo Maria Bonanno zu sein. Diese sollten laut Anklage Sabotageakte gegen Sachen und Personen, Geiselnahmen, Raubüberfälle und weiteres verübt haben.
In der Schweiz wird M.C. indes von Gefängnis zu Gefängnis verschoben …
Im Mai/Juni 2004 findet in Zürich der Geschworenenprozess gegen M.C. statt. Die Anklage lautet auf Beteiligung an der Ermordung eines Aufsehers anlässlich des Ausbruchs von 1981 (s.o) sowie auf Mord an einem Zöllner in Brusio (1989).
Bezüglich des ersten Falles verneint das Gericht eine aktive Mitschuld von M.C. am Tod des Aufsehers. Beim Zöllnermord hingegen erachtet es M.C. für «zweifelsfrei» schuldig. Dies, obwohl die Indizienkette lückenhaft war und von den Zeugen widersprüchliche Angaben gemacht wurden.
Das Strafmass ist exemplarisch hoch: 17 Jahre Zusatzstrafe zu den 12 Jahren, zu welchen er in Italien verurteilt worden war (die Arithmetik besagt, dass er mit dem Urteil «Lebenslänglich» weniger lang sitzen müsste!).
Am 12. und 13. März 2007 hat das Zürcher Geschworenengericht ein weiteres mal über den anarchistischen Gefangenen Marco Camenisch befunden; denn das Bundesgericht hat das Strafmass des letzten Prozesses im Sommer 04 als zu hoch zurückgewiesen. der zuständige Staatsanwalt Ulrich weder verlangte eine psychiatrische Begutachtung von Marco, damit er verwahrt werden kann. Die Staatsanwaltschaft vertreten durch Herr Weder stellte den Antrag um Marco Camenisch zwangs begutachten zu lassen. Um ihn dann später auf Lebenszeit zu verwahren. Dem Antrag wurde nicht statt gegeben. Die Strafe musste auf die im spezifischen Fall juristisch mögliche Höchstbemessung von 8 Jahren herabgesetzt werden, was insgesamt 30 Jahre Knast mit Strafende Mai 2018 bedeutet.

Im Oktober 2010 wurde Marco ein weiteres mal verlegt. Seit seinem Prozess (vor 8Jahren) war er in Pöschwies. Kurz vor seiner Versetzung gab es eine Kampagne für die Freiheit revolutionärer Langzeitgefangener, in der Marco einen kollektiven Hungerstreik mit den seit dem 15. April 2010 in der Schweiz inhaftierten italienischen ÖkoanarchistInnen Silvia, Billy und Costa gemacht hat. In dieser Zeit gab es eine Demos und viele verschiedene Aktionen zum Hungerstreik.

Zu seiner Verschleppung schrieb Marco:
Liebe GenossInnen
Do. 7.10.10.10 vor Arbeitsbeginn nachmittags wurde ich ich über die Gegensprechanlage der Zelle „informiert“ es habe keine Arbeit, ich könne auf der Zelle bleiben (in 6 Jahren nie dagewesen. Ha, ha…), dann wurde ich ins Abteilbüro gerufen, „ Herr Hauenberger (Chef Abteile 5-8) wollte mich sprechen“, da war er aber nicht und zwei Prätorianer-Wärter (gross, nach viel Muskel- und wenig Hirnmasse ausgewählt) brachten mich zum Umkleide- und Effektendienst („der Hatschier muss Ihnen etwas zeigen“, übliche Masche..) Dort weitere Prätorianer, mir wurde die Versetzungsverfügung von Herrn Thomas Noll, sattsam bekannter „Vollzugschef“ Direktionsmitglied und ehemaliger Notfallpsychiater Pöschwies, vorgelegt. Versetzung wegen „Gefährdung der Anstalt wegen Demos“ und „Gefährdung des Personals“. Entzug der aufschiebenden Wirkung aus „Sicherheitsgründen“ der 10-tägigen Rekursfrist, und Orbe habe sich zu meiner Weiterinternierung bereit erklärt. Musste mich umkleiden und ohne effekten „kommen nach“ mit einschneidenden Kabelbindern an den Handgelenken am Gurt befestigt und Fussketten, an der Klappenkiste befestigt, mit 4 ZH Bullen losfliegen. Landung Yverdon les Bains auf einem von vermummten Bullen abgesperrten Industrieparkplatz. Die brachten mich mit Transporter rasch hierher, wo ich im „Eintrittsabteil“ neugierig auf meine „Ware“ warte. Immerhin in „Privatkleidern“ Uniform gelte für die Arbeit. Auch sonst sieht es so aus, als werde hier Perfidie und Schwachsinn etwas weniger auf die Spitze getrieben als im Avantgardeknast Pöschwies des Justizabschaums ZH.
Ist aber soweit irrelevant, relevant hingegen ist die eindeutige politische Repressalie und Geiselstatus-Dynamik als politischer bzw. Kriegsgefangener vom Staat und Kapital, und Verantwortlichkeit der Kantone bzw. Institutionen Zürich/Vaud. Nun nehme ich aber keinesfalls an, dass sich militanter Widerstand durch kopflose und schwäche beweisende Symptom Bekämpfung seitens der Repression so billig ins Bockshorn jagen, einschüchtern und erpressen lässt… (smiley)
Sondern im Gegenteil, dass sie ihre Lage nur noch ein klein wenig verschlimmert haben, dass auch diese weitere kleine Entlarvung ihrer paranoiden Verkommenheit wieder um zu auch grundlegender militanter Reflexion, Analyse und theoretisch-praktischer Entwicklung und Stärkung als korrekte Richtung weit über den spezifischen (Fall, Repression) hinaus bewirken kann.
Seid herzlichst umarmt, a pesto Marco.

Im Januar 2011 wurde Marco erneut verlegt, nach Lenzburg im Aargau.

Marco hat sich bis heute nie brechen lassen, auch von den harten Gefängnisbedingungen in Regensdorf. Er ist ein aufständischer Grün- Anarchist geblieben. Es gab und gibt immer wieder Knastspaziergänge und Soliaktionen für ihn. Diese werden auch nicht aufhören bis Marco endlich frei ist. Kämpfen wir dafür. Schreibt Marco, solidarisiert euch mit ihm:

Marco Camenisch
Postfach 75

5600 Lenzburg

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