Ende von Demokratie

Der US-Autor Francis Fukuyama verkündete nach dem Zerfall der Sowjetunion 1992 das »Ende der Geschichte«. Bis dahin galt dieses »Posthistoire« als ideologischer Ladenhüter des feudalen Konservatismus nach 1789. Als »Untergang des Abendlandes« wurde es nach dem Ersten Weltkrieg populär und eine Komponente beim Aufstieg des deutschen Faschismus. Fukuyama missverstand seine Version als fortschrittlich. Für ihn war »Ende der Geschichte« Resultat der Entwicklung politischer Systeme hin zur »liberalen Demokratie«. Sie sei nach dem Sieg über den Faschismus 1945 und der Überwindung des Kommunismus am 9. November 1989, dem Tag der DDR-Grenzöffnung, als einzige noch attraktiv.

Der Mann hat sich nicht geirrt, allerdings in einem anderen Sinn, als er dachte. Nicht nur ist jeder US-Präsidentschaftswahlkampf eine Gefahr für den Weltfrieden, wie eine Formel von Diplomaten sozialistischer Staaten im Kalten Krieg lautete, es sind die Eigentums- und Machtverhältnisse der USA selbst, ihr militärischer und ihr elektronischer Zugriff auf die Weltbevölkerung, die Frieden und Existenz der Menschheit bedrohen. Das Personal ist entsprechend: Will irgend jemand einen US-Politiker in der Nähe des Atomknopfs haben, von Hillary Clinton und Donald Trump zu schweigen? »Liberale Demokratie«, in den USA eine Oligarchie, das ist seit dem 9. November 1989 globaler Staatsterrorismus mit der Tendenz zum Weltkrieg.

Barack Obama wurde 2008 von einer Massenbewegung ins Weiße Haus gewählt. Eine Ausnahme. Wer damals allerdings z. B. in dieser Zeitung darauf hinwies, dass das weder in Innen- noch Außenpolitik der USA zu grundlegenden Änderungen führen werde, wurde des öfteren mit bösen Sätzen bedacht. Der Friedensnobelpreisträger von 2009 verabschiedet sich nun als US-Präsident mit den Kriegen, die er von seinem Vorgänger übernahm, also allen, und denen, die er hinzufügte. Er tritt ab mit verstärkter Einkreisung Russlands und Chinas, mit der »Modernisierung« genannten Schaffung neuartiger Atomwaffen und mit einer NATO-Doktrin, für die Moskau wieder Erstschlagziel ist. Er wiederholte kürzlich, die USA blieben die »unerlässliche« Nation der Welt. Das ist die Formel für Faust- statt Völkerrecht, für Erpressung statt UN-Charta, für Kriegshetze statt Realismus. Er hat das Pulverfass bis zum Rand gefüllt.

Wer ihm nachfolgt, wird alles daran setzen, in diesem Sinn »America great« bleiben zu lassen. Die Behauptung, es müsse das »wieder«, »again«, werden, entspricht dem Nonsens von »Volksauflösung« und »Islamisierung« hierzulande. Das »Posthistoire« wird nun als »Postfaktisches« angeboten, einem Synonym fürs Ende von Demokratie. An deren Stelle tritt wechselseitige Täuschung beachtlicher Teile der Bevölkerung unter Aufsicht kalifornischer Internetkonzerne. Geblieben sind allerdings Geschichte und Tatsachen. Nur sie, insbesondere solche Fakten, wie sie Russland z. B. in Syrien geschaffen hat, nimmt der militärisch-industrielle Komplex der USA zur Kenntnis.

Quelle: http://www.jungewelt.de/2016/11-09/037.php

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Der kranke Mann am Bosporus muss weg

Solidaritätskomitee Rojava – Luzern
Newsletter 15

In der Nacht auf Freitag ist in der Türkei der wichtigste Oppositionspolitiker des Landes verhaftet worden: Selahattin Demirtas droht eine Verurteilung zu 500 Jahren Haft. Mit ihm ist auch die andere Co-Vorsitzende der linken und prokurdischen Partei HDP, Figen Yüksekdag, und eine Reihe weiterer gewählter linker und demokratischer PolitikerInnen verhaftet worden. In den folgenden Stunden und Tagen werden vermutlich unzählige weitere Parteimitglieder verhaftet werden. Die bedeutendste Oppositionspartei der Türkei soll vernichtet werden.

Wo gab es das das letzte Mal, dass die wichtigsten Demokraten und Linken direkt im Kerker landeten? Erinnerungen an Deutschland 1933 und an Chile 1973 werden unweigerlich wach. Die Türkei ist zu einer faschistischen Diktatur geworden, wo bekannte und unbekannte Menschen verhaftet, gefoltert und getötet werden, weil sie sich für Gleichberechtigung und Emanzipation einsetzen.

Die neuste Verhaftungswelle ist allerdings nur ein neuer Höhepunkt der Politik, die der türkische Präsident Recep Erdogan seit mehr als einem Jahr in den kurdischen Gebieten der Türkei verfolgt. In den Städten und Dörfern der kurdischen Stammlanden sind Menschenrechte und demokratische Grundrechte laufend ausser Kraft gesetzt worden. In diversen Städten sind in den letzten Monaten HDP-BürgermeisterInnen abgesetzt und durch eine Zwangsverwaltung ersetzt worden. Menschen werden willkürlich verhaftet, Häuser geschleift und Quartiere unbewohnbar gemacht. Die Regierung von Ankara hat den Bürgerkrieg bewusst gesucht und entfesselt.

Umso verrückter ist es, dass gestern Donnerstag der türkische Aussenminister in Bern zu Besuch bei Aussenminister Didier Burkhalter war und vom Bundesrat eine Plattform erhielt für seine Lügen gegen die linke, kurdische Bewegung. Bis heute ist nie ein offizielles Statement des Bundesrates gegen die türkische Kriegspolitik erfolgt.

 

Noch stossender ist die Haltung der EU. Erdogan weiss, dass er schalten und walten kann, wie er will, weil er für die EU das “syrische Flüchtlingsproblem löst”. Das heisst: Nicht nur die syrischen Flüchtlinge, die in den Lagern in der Türkei unter erbärmlichsten Bedingungen leben müssen, sind Opfer der feigen Politik der EU. Die feige EU-Politik macht auch den Krieg gegen die KurdInnen möglich.
Verfolgt von Erdogan, verraten von der EU: Jetzt braucht es starke Signale, jetzt braucht es die internationale Solidarität mit dem Widerstand der Kurdinnen und Kurden. Beteilige dich auch du an Aktionen und Demonstrationen. Am Freitag demonstrierten mehrere hundert Personen in Bern, am Samstag, 5. November, startet um 14 Uhr auf dem Zürcher Helvetiaplatz eine Demo. Weitere Aktionen und Demonstrationen werden sicher folgen. Wir halten dich auf dem Laufenden.

 

Der kranke Mann am Bosporus muss gestoppt werden, Erdogan muss weg, besser heute als morgen!

 

Sendehinweis: Heute strahlte der Radiosender SRF 2 – Kultur eine Reportage über die staatliche Vertreibungs- und Kriegspolitik in Diyarbarkir, der kurdischen Hauptstadt in der Türkei, aus. Zu hören unter: http://www.srf.ch/sendungen/passage/wie-diyarbakir-zerstoert-wird

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Eine Räumung nach der anderen

Die Demonstrantinnen und Demons­tranten dringen nachts auf dem Pariser Prachtboulevard Champs Elysées vor. Dorthin, wo Protestzüge immer oder fast immer verboten sind und lediglich die Militärparade am 14. Juli ­jeden Jahres genehmigt wird. Und so geht das seit Tagen. Viele Protestierende sind vermummt, haben Schals und Tücher vor das Gesicht gezogen. Einer, den die Blitzlichter der Kameras besonders ins Visier nehmen, trägt eine Totenkopfmaske mit dem Punisher-Emblem. Doch die Behörden schreiten nicht energisch ein. Premierminister Manuel Valls, der vor dem Antritt seines derzeitigen Amts 2014 zwei Jahre lang Innenminister war und sich gern als starker Mann präsentiert, spricht den Demonstranten gar seine »volle Unterstützung« aus.

Suchen sie bald den Strand unter dem Pflaster? Demonstrierende Polizisten in Paris am 20. Oktober

Suchen sie bald den Strand unter dem Pflaster? Demonstrierende Polizisten in Paris am 20. Oktober (Foto: Action Press / Sipa Press / Lewis Joly)

Verkehrte Welt also? Und, so könnte man mit einem feststehenden Ausdruck fragen: »Que fait la police?« Nichts tut sie dagegen, die Polizei. Das allerdings ist keineswegs verwunderlich. Denn seit dem Montag vergangener Woche gilt in Paris und anderen französischen Großstädten allabendlich: Achtung, Achtung, hier demons­triert die Polizei.

Das ist zwar ein Verstoß gegen geltende Berufsregeln, denn französische Polizeibeamte dürfen sich zwar gewerkschaftlich organisieren, unterliegen aber der »devoir de réserve«, der Pflicht zur Zurückhaltung in politischen und sozialen Belangen. Ihre Protest­bewegung ging vom südlichen Pariser Umland aus, dem Verwaltungsbezirk Essonne. Dort wurden am zweiten Samstag im Oktober an einer Straßenkreuzung in der berüchtigten Hochhaussiedlung La Grande Borne, die an der Grenze der beiden Kommunen Grigny und Viry-Châtillon liegt, vier Beamtinnen und Beamte in einem Streifenwagen angegriffen. An jenem Nachmittag befanden sie sich auf einer Kreuzung, an der eine Überwachungskamera installiert wurde, die den zuvor an der Ecke florierenden Drogenhandel stört. Die etwa 15 vermummten Angreifer setzten Molotow-Cocktails ein. Alle vier Polizisten erlitten Verbrennungen, ein 29jähriger und eine 38jährige wurden schwer verletzt.

Der Vorfall gab den Anlass zu einer Protestbewegung, in der Polizisten – an ihren als zu zahm empfundenen Gewerkschaften vorbei – mal mehr Personal, mal eine bessere Bewaffnung fordern, oft aber auch gegen eine als zu lasch betrachtete Justiz wettern. Dieser wird vorgeworfen, sie spreche Delinquenten frei oder lasse sie auf Bewährung laufen, nachdem man sie unter Mühen und Gefahren festgenommen habe. Unvermeidlich ist offenbar, dass beim Beamtenprotest auch rechte Parolen laut werden. Es stellte sich heraus, dass einer der selbsternannten Wortführer, der 30jährige Rodolphe Schwartz, gar kein Polizist ist. Er verließ die Polizei im Jahr 2014, nachdem er mehrfach bei Offiziersprüfungen durchgefallen war, und arbeitet inzwischen für den privaten Sicherheitsdienst der Supermarktkette Carrefour. Zwischendurch kandidierte er bei Kommunalwahlen für den neofaschistischen Front National (FN). Einer vor anderthalb Wochen publizierten Umfrage zufolge wollen 57 Prozent der Polizisten und Gendarmen bei der nächsten Präsidentschaftswahl für die Vorsitzende der rechtsextremen Partei, Marine Le Pen, stimmen.

Inzwischen fordern auch linke Protestierende in ironischer Form die Freiheit, die sich die Polizei jüngst herausnehmen konnte. »Wir wollen auch auf den Champs Elysées demonstrieren«, wurde am Montagabend aus der Menge von einigen Hundert Demonstranten gerufen, die in Paris gegen die am Morgen begonnene Auflösung des Migrantencamps in der Nähe von Calais (Jungle World 42/06) protestierten. Die Räumung begann planmäßig, Innenminister Bernard Cazeneuve verkündete am Montag: »Alles verläuft ruhig.« Dies dürfte jedoch nicht so bleiben. Denn zunächst werden diejenigen Migranten aus Calais abtransportiert, die sich mehr oder minder freiwillig für eine Unterbringung – die nur für drei Monate garantiert ist – in einer der Aufnahmeeinrichtungen im übrigen Frankreich entschieden haben. Doch »2 000 Migranten weigern sich, aus Calais wegzugehen«, und werden Widerstand leisten, kündigte Christian Salomé von der NGO L’auberge des migrants (Die Herberge für Migranten) am Montag an Ort und Stelle an. Die härtesten Auseinandersetzungen dürften noch bevorstehen.

Um zu kontrollieren, was für Bilder aus Calais verbreitet werden, möchte die Staatsmacht nun nur noch akkreditierte Medien- und NGO-Vertreter in das bisherige Camp lassen, das abgerissen werden soll. Bei den NGOs und ­Initiativen geht es vor allem darum, aus Sicht der Regierung zu radikale Kräfte – wie die »No-border-Gruppen« – auszugrenzen und fernzuhalten. Ins­titutionell ausgerichtete NGOs, die die Zerschlagung des »Dschungels« begleiteten, sind dagegen nicht von der Aussperrung betroffen.

Um die weniger gut angesehenen Gruppen fernzuhalten, greifen die Behörden auch auf das Notstandsgesetz zurück. Die Zufahrtsstraßen und -wege zwischen »Dschungel« und Hafengelände wurden auf der Grundlage der derzeit bestehenden Bestimmungen zum Ausnahmezustand zum »besonderen Gefahrengebiet« erklärt. Dies erlaubt, »widerrechtlich Eindringende« strafrechtlich zu verfolgen und mit Strafen bis zu sechs Monaten Haft zu bedrohen.

Ein gewisser Trost für die protestorientierten Kräfte in Frankreich – nicht jedoch für die betroffenen Migranten – liegt darin, dass die ebenfalls vorgesehene Räumung des geplanten Flughafengeländes von Notre-Dame-des-Landes in der Nähe von Nantes vorläufig zurückgestellt werden muss, weil der Abriss des Camps in Calais derart viele Polizisten bindet. In Notre-Dame-des-Landes protestieren zahlreiche Menschen gegen ein umweltzerstörendes und weithin als unsinnig betrachtetes Großprojekt – selbst die rechtssozialdemokratische Umweltministerin Ségolène Royal bezeichnete es noch Anfang dieser Woche als »unhaltbar«. Am zweiten Oktoberwochenende demonstrierten 40 000 Menschen dagegen. In der darauf folgenden Woche hätte die Räumung des als ZAD (zone à défendre, zu verteidigende Zone) bekannt gewordenen Hüttendorfs beginnen sollen, das seit etwa drei Jahren ständig bewohnt ist. Dafür hätten bis zu 10 000 Polizisten und Gendarmen anrücken müssen. Ein Rundschreiben von Justizminister Jean-Jacques Urvoas vom September sah zudem die Einrichtung von Sondergerichten vor, die in Eilverfahren über Straftäter urteilen sollten. Doch zwei Großeinsätze gleichzeitig kann der französische Staat derzeit nicht bewältigen, während die Polizei die Überlastung beklagt und der Objektschutz wegen der Attentatsgefahr viele Kräfte bindet.

Premierminister Manuel Valls, der dem rechten Flügel der französischen Sozialdemokratie angehört und ihr Präsidentschaftskandidat werden könnte, falls der Amtsinhaber François Hollande aus seiner politischen Schwächephase nicht herauskommt, sucht derzeit dringend einen Autoritätsbeweis. Er wollte ihn sich in Notre-Dame-des-Landes verschaffen. Doch darauf wird er noch warten müssen. Vielleicht kommt es an diesem Ort auch gar nicht dazu. Die EU hat einige Untersuchungen zu Umweltfolgen des Flug­hafenprojekts beanstandet, die neu erstellt werden müssen.

Quelle: http://jungle-world.com/artikel/2016/43/55067.html

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Türkei: Weg in die Diktatur

Türkei: AKP-Regime schließt weitere kurdische Medien und entlässt zusätzlich 10.000 Beamte. Erdogan will Todesstrafe wiedereinführen

türkeiDas weiterhin mit Notstandsdekreten herrschende AKP-Regime unter dem türkischen Staatspräsidenten Recep Tayyip Erdogan hat am Wochenende erneut die Diskussion über die Wiedereinführung der Todesstrafe angeheizt. Bei der Eröffnung eines Bahnhofs für Hochgeschwindigkeitszüge am Samstag in Ankara erklärte Erdogan, er würde dem Parlament bald einen entsprechenden Gesetzesentwurf vorlegen, wie die staatliche Nachrichtenagentur Anadolu berichtete. Erdogan ist davon überzeugt, dass die Mehrheit der Abgeordneten des türkischen Parlaments solch einem Vorschlag zustimmen würde. Sollte das passieren, werde er das Gesetz ratifizieren, so der AKP-Politiker.

Der Europarat informierte am Sonntag, die Wiedereinführung der Todesstrafe werde einen Ausschluss der Türkei nach sich ziehen. »Die Anwendung der Todesstrafe ist unvereinbar mit der Mitgliedschaft im Europarat«, erklärte die 47 Staaten umfassende Organisa­tion im Internet. Erdogan bekräftigte bei seiner Rede in Ankara, dass es ihn nicht interessiere, was »der Westen« sage.

Am Wochenende war das AKP-Regime mit weiteren Notstandsverfügungen gegen die Opposition in der Türkei vorgegangen. Durch die am Samstag im Amtsblatt veröffentlichten präsidialen Dekrete wurden 15 vor allem prokurdische Medien geschlossen, darunter die Nachrichtenagentur DIHA und die einzige Frauennachrichtenagentur der Welt, JINHA. Unter den geschlossenen Zeitungen befinden sich neben Özgür Gündem und der kurdischsprachigen Azadiya Welat vor allem lokale Blätter. Sie alle sollen laut Anadolu der Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) nahestehen.

Wie die sozialistische Nachrichtenagentur ETHA berichtete, wurden die betroffenen Redaktionen am frühen Sonntag morgen von Spezialeinheiten der Polizei gestürmt, durchsucht und versiegelt. Damit steigt die Zahl der seit dem Putschversuch am 15. Juli verbotenen Medien auf über 180. Unterdessen kündigte der vor drei Wochen per Dekret geschlossene Rundfunksender Özgür Radyo auf seiner Internetseite an, in Kürze sein Programm im Internet wiederaufzunehmen und so dem Verbot zu trotzen.

Ebenfalls am Samstag wurden erneut 10.000 Staatsbedienstete entlassen. Darunter waren 2.500 Justizbeamte, 2.200 Angestellte in der Bildungsverwaltung und 1.300 Hochschuldozenten. Laut der Internetseite www.­turkeypurge.com sind damit seit dem 15. Juli mehr als 100.000 Menschen entlassen worden, ohne die Chance, wieder in den öffentlichen Dienst zurückzukehren. In Zukunft werden dem Dekret zufolge, die Rektoren nicht mehr an den Universitäten gewählt, sondern vom Staatspräsidenten ernannt.

Auch die Repression gegen die linke, prokurdische Demokratische Partei der Völker (HDP) hält an: Am Samstag wurde der Kovorsitzenden der HDP, ­Figen Yüksekdag, per Gerichtsbeschluss verboten, das Land zu verlassen. Außerdem muss sie sich nun regelmäßig bei der Polizei melden. Als Grund für die Entscheidung gab das Gericht laut ETHA »Fluchtgefahr« an, da gegen Yüksekdag mehrere Verfahren wegen »Unterstützung einer Terrororganisation« anhängig seien.

Auch der Vizekovorsitzende der HDP, Alp Altinörs, der seit dem 16. September in Untersuchungshaft sitzt, ist weiteren Maßnahmen ausgesetzt. Laut ETHA ordnete ein Gerichte die Beschlagnahmung von Briefen an, die Altinörs aus dem Gefängnis schicken wollte. Zukünftig ist es ihm zudem verboten, Briefe zu schreiben.

Quelle: http://www.jungewelt.de/2016/10-31/003.php

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Zu den Angriffen auf Vincis Tochterfirmen in Bern und Luzern

Quelle: http://ch.indymedia.org/de/2016/10/98218.shtml

Calais, Nordfrankreich
Seit Jahren wohnen hier mehrere tausend Menschen zusammengerottet in einem Camp. Sie leben vorwiegend in kleinen ungeheizten Holzhütten, manche in Zelten. Viele dieser Menschen mussten zusehen, wie Bagger grosser Baufirmen, begleitet von französischen Polizist_innen ihre Hütten plattwalzten. Zuletzt passierte das Anfang dieses Jahres, als im Januar ein äusserer Streifen des Camps und mehr als einen Monat später die komplette südliche Hälfte des Camps geräumt wurde.
Quasi nächtlich müssen sich die Bewohner_innen in dichtem Tränengas zurechtfinden, welches die Polizei von ausserhalb abfeuert, um die Menschen im Camp zu zermürben und zu demütigen. Nicht selten fallen Hütten, angezündet von den Granaten, dem Feuer zum Opfer. Wer das Camp in der Nacht verlässt, setzt sich der Gefahr aus, von Faschist_innen und Polizist_innen (je ziviler desto gefährlicher) ins Spital geprügelt zu werden.

Dieser Lebenssituation setzen sich die Bewohner_innen wegen zweierlei Gründen aus. Erstens wollen die meisten von ihnen nach Grossbritannien, zweitens fehlt ihnen ein kleines Stück Plastik in Form einer Identitätskarte oder eines Passes. Ein Stück Plastik, welches Menschen anhand eines Konstrukts zur Aufrechterhaltung der bestehenden Mächte in Zugehörige und Nicht-Zugehörige gewisser Gebiete unterteilt. Dadurch werden Grenzen und deren Schutz legitimiert und im Sinne dieses Konstruktes sogar notwendig macht. So bleiben den Bewohner_innen des Camps in Calais nur noch diejenigen Möglichkeiten den Ärmelkanal zu überqueren, die mit den herrschenden Gesetzen brechen.

Vom Camp aus versuchen sie unbemerkt in Lastwägen zu steigen, die grösstenteils entweder per Fähre oder unterirdischem Zug nach Grossbritannien übersetzen. Das Unterfangen ist aufwendig, gefährlich und praktisch ein Ding der Unmöglichkeit. Mit Hilfe mehrerer Scans an der Grenze werden fast alle die es versuchen gefunden und anschliessend zusammengeschlagen wieder ins Camp gebracht. Kontrolliert werden z.B. Sauerstoffgehaltsentwicklungen und das Vorhandensein eines Herzschlags in Lastwägen. Immer wieder werden im Eurotunnel Leichen entdeckt – Menschen, die nach dem letzten Zug den Weg Richtung England antreten, nicht schnell genug sind und vom ersten Zug des Morgens überrollt werden. Die ständig zunehmende Überwachung und Militarisierung der Grenzen und derer, die sie überqueren wollen, lässt auch in Calais die Zahl der Toten steigen.

Ein weiterer Teil dieser Entwicklungen ist der Bau einer Mauer zwischen dem Camp und der Autobahn. Seit Beginn dieses Monats sind Arbeiter_innen damit beschäftigt, diese weitere Erschwerung der Überreise in Angriff zu nehmen. Ausserdem walzen in dem Moment, in dem du das liest, wahrscheinlich gerade die Bulldozer grosser Bauunternehmen die übriggebliebenen Reste des Camps platt; Francois Hollande hat für diese Woche die Räumung des Camps angesagt, gestern Montag begann die Polizei, die Kontrollen um das Camp herum enger zu machen. Menschen ohne Papiere dürfen das Camp nicht verlassen. Sie sollen in den folgenden Tagen von Bussen in „centres d’aceuils“ deportiert werden, wo sie registriert werden und ihr Leben durch staatliche Institutionen noch schärfer reguliert wird. Eine Wahl haben sie nicht. Diese Massnahme bedeutet einen weiteren, tiefen Einschnitt in die Selbstbestimmung und die Mobilität von Migrant_innen, einen weiteren Schritt in Richtung absolute Kontrolle des Staates. Trotz der schlechten Lebensstandards im Camp ist Calais einer der letzten Orte in Frankreich, von wo aus Migrant_innen selbstbestimmt Versuche starten konnten, die Grenze zu überqueren und wo sich das Leben den Kontrollen durch die Schergen des Staates einigermassen entziehen konnte. Damit wird wohl bald Schluss sein.

Am 24. Oktober 2016 haben wir in Bern und Luzern in einer koordinierten Aktion mehrere Akteur_innen der aktuellen Entwicklungen angegriffen. Die Ziele der Angriffe sind allesamt Tochterfirmen des multinationalen Bauunternehmens VINCI. VINCI war bereits zu Beginn des Jahres Hauptbeteiligte an der Räumung der südlichen Hälfte des Camps in Calais. Nun hat die Firma den Auftrag bekommen, die Mauer zu bauen und führt diesen aus. Ob die Firma an der Räumung die nun beginnt, beteiligt ist, ist noch nicht klar, es ist jedoch davon auszugehen. Firmen wie VINCI machen sich zu tragenden Stützen des voranschreitenden Ausbaus der staatlichen Kontrolle. Neben der Räumung des Camps von Calais, will VINCI auf dem Gebiet der „Zone a defendre“ (ZAD) in Notre-Dames-des-Landes einen Flughafen bauen und bedroht damit ein selbstbestimmtes Projekt. Zu den Zuständen im ZAD haben wir unten noch einen Link angefügt.

Mit unseren Angriffen wollen wir der Firma VINCI direkten Schaden zufügen, einerseits durch die Angriffe selbst und andererseits indem wir die Rolle der Firma in den genannten Prozessen offenlegen. Auch sollen die Angriffe einen Beitrag dazu liefern, den Kampf gegen die Träger_innen der sich zuspitzenden Unterdrückung und Zerschlagung migrantischer und nicht-migrantischer, solidarischer Strukturen zu intensivieren. Das alleine reicht jedoch nicht aus. In der heutigen Welt, gezeichnet von Kriegen um Macht und Kapital, von Unterdrückung und Kontrolle, gilt es, auf allen Ebenen zu kämpfen. Erkämpfen wir gemeinsam selbstbestimmte und solidarische Freiräume, die den Kampf gegen Nationen, Grenzen, all ihre Institutionen und Verfechter_innen aufnehmen und weiterführen. Benennen und dekonstruieren wir unsere anerzogenen Muster dieser Gesellschaft, töten wir den/die Rassist_in, Sexist_in, Nationalist_in und Polizist_in in unserem Kopf.

Gemeinsam für eine andere Welt

Infos zur Geschichte und aktuellen Lage in Calais:  https://calaismigrantsolidarity.wordpress.com/
Infos zur ZAD: zad.nadir.org

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«Rocktoberfest» als Solidaritätsanlass für Thüringer Schlägernazis

Das «Rocktoberfest» in der Nacht vom 15. auf den 16. Oktober 2016 lockte über 5‘000 Neonazis in die Schweiz. Das Konzert im Toggenburg hat auf erschreckende Art und Weise unter Beweis gestellt, dass Rechtsradikale über gut vernetzte Strukturen verfügen, welche untereinander bestens koordiniert sind und grenzüberschreitend funktionieren. Im Vergleich selbst zu den grössten bekannten Rechtsrockkonzerten der letzten Jahre, hatte die Dimension des Konzerts vergangene Woche auch Szenekenner_innen überrascht.

Die Strukturen, Verbindungen und Kontakte, um einen solchen Event durchführen zu können, entstehen jedoch nicht über Nacht, sondern sind das Ergebnis jahrelanger enger Zusammenarbeit. Deshalb kann das «Rocktoberfest» nicht isoliert als einzelner Anlass betrachtet, sondern muss in einen grösseren Kontext gestellt werden. Die folgenden Ausführungen beleuchten insbesondere die Verbindungen zwischen der rechten Szene in Thüringen und der Schweiz, welche massgeblich für das Gelingen des Konzertes waren.

Erste Hinweise in Richtung Thüringen

Auf dem Flyer, welcher über Monate in sozialen Medien kursierte, fand sich als Hinweis auf die Organisator_innen des «Rocktoberfestes» zu Beginn einzig das Logo des Zeughaus-Versandes. Dabei handelt es sich um einen rechten Onlineversand aus Deutschland, der vorwiegend Nachpressungen von vergriffenen Rechtsrock-CDs in Vinyl anbietet und unter anderem auch CDs der am 15. Oktober 2016 aufgetretenen Bands vertreibt. Um an ein Ticket zu kommen, mussten interessierte Konzertbesucher_innen eine Mail an die Adresse live.im.reich@mail.de schicken, wonach ihnen die Daten für ein deutsches Konto zugeschickt wurden, auf welches sie dann im Voraus das Geld für die Eintrittskarten überweisen mussten. Unterzeichnet war diese Mail von einer Gruppe, die sich «Reichsmusikkammer» nennt. Gegenüber der Nachrichtensendung 10vor10 gab diese an, ein Komitee von Bands aus ganz Europa zu sein, deren Auftritte in europäischen Ländern untersagt oder erschwert würden. Gemäss den Recherchen des Blogs thüringenrechtsaussen läuft das deutsche Konto, über welches die Gelder flossen, auf den Thüringer Neonazi David Heinlein und wurde bereits für das «Rock gegen Überfremdung» im August 2016 in Kirchheim (Thüringen) genutzt. Ebenfalls aus Thüringen stammt Mario Kelch, der – unter Anderen – in den Tagen vor dem Event die Nummer des Infotelefons verbreitete, welches die Besucher_innen zum Konzertort lotsen sollte.

Kelch ist Mitglied der B&H-nahen Band Sonderkommando Dirlewanger (SKD) und aktiver Unterstützer der Angeklagten im sogenannten «Ballstädt-Prozess».

Der «Ballstädt-Prozess»

Gegenstand des «Ballstädt-Prozesses» bildet der organisierte Überfall auf eine geschlossene Kirmesgesellschaft in der Nacht vom 8. auf den 9. Februar 2014. Rund 20 Vermummte waren damals in Ballstädt (Thüringen) in den Gemeindesaal eingedrungen und verletzten zehn Personen teils schwer. Seit Dezember 2015 läuft der Prozess gegen 15 angeklagte Neonazis, 14 Männer und eine Frau, am Landgericht Erfurt.

Bereits kurz nach der Inhaftierung der ersten Tatverdächtigen wurde ein Spendenkonto eröffnet. Es sollte Geld für die anfallenden Verteidigungskosten sowie für das «Gelbe Haus» in Ballstädt gesammelt werden. Das «Gelbe Haus» ist eine ehemalige Bäckerei, die seit 2013 von Neonazis als Wohn- und Veranstaltungsort genutzt wird .

Prominenter Bewohner des Hauses und Hauptangeklagter im «Ballstädt-Prozess» ist Thomas Wagner. Er ist 41-jährig, spielte in verschiedenen rechtsextremen Bands, war unter anderem Sänger von SKD und betreibt den Onlineversand «Frontschwein Records». Auch Steffen Richter verkehrt im «Gelben Haus». Er gilt als enger Vertrauter von und Koordinator der Unterstützungsaktionen für Ralf Wohlleben, Angeklagter im NSU-Prozess. Zudem wurde das erwähnte Konzert in Kirchheim von Steffen Richter angemeldet; gleichzeitig fungiert er im Zusammenhang mit dem «Rocktoberfest» als Betreuungsperson für die Mailadresse der «Reichsmusikkammer».

Einzelne Verbindungen ergeben letztlich ein Ganzes

Das Konzert in Unterwasser reiht sich in eine Serie von Solidaritätsanlässen ein, welche von den Angeklagten im «Ballstädt-Prozess» und ihrem Umfeld organisiert wurden – auch mit Beteiligung aus der Schweiz. So trat beispielsweise Amok, die wohl bekannteste Schweizer Rechtsrockband, am «Rocktoberfest» als einzige nicht-deutsche Band auf. Der Mitbegründer und Sänger der Band, Kevin Gutmann, wohnt wie der Thüringer Neonazi Matthias (Matze) Melchner, in Rüti ZH. Weiter war nachträglich bekannt geworden, dass Letzterer die Tennis- und Eventhalle in Unterwasser angemietet hatte. Melchner arbeitet im Tattoostudio Barbarossa (siehe «Blood & Honour geht unter die Haut», LS Ausgabe #23), unterhält gute Kontakte in die deutsche Neonaziszene und hatte sich schon vor dem «Rocktoberfest» mit der Produktion von Solishirts, welche über das Tattoostudio verkauft wurden, an der Ballstädter Unterstützer_innenstruktur beteiligt. Die enge Verbindung, die Melchner nach wie vor zur Thüringer Szene pflegt, hatte sich auch schon im Herbst 2015 gezeigt. Damals hatte Barbarossa Tattoo quasi einen «Betriebsausflug» nach Thüringen unternommen und wer sich dort von den Besucher_innen aus der Schweiz tätowieren lassen wollte, musste mit dem obengenannten Steffen Richter einen Termin vereinbaren. Weiter ist Melchner als Domaininhaber des von Thomas Wagner betriebenen Onlineversandes frontschwein-records eingetragen. Vor einigen Jahren hatte sich auch Steffen Richter noch an diesem Versand beteiligt.

Internationale Zusammenarbeit

Die Verbindungen zwischen der Schweizer und der Thüringer extremen Rechten beschränken sich jedoch weder auf den individuellen Kontakt mit Melchner noch auf das «Rocktoberfest». B&H Schweiz nimmt in der internationalen Vernetzung einen aktiven Part ein: So forderten sie nach internen Querelen im Herbst 2012 gemeinsame Treffen und verstärkte Aktivitäten der Gruppierung in ganz Europa sowie eine engere Vernetzung mit ihrem militant-terroristischen «Flügel» Combat 18 (C18). Das erste dieser Vernetzungstreffen fand 2013 in der Schweiz statt; wonach auch in ganz Europa zunehmend Aktivitäten unter dem gemeinsamen Label B&H/C18 stattfanden.

Ebenfalls 2013 erschien auch die erste CD der Band «Erschiessungskommando», einem Gemeinschaftsprojekt von Mitgliedern von Amok und SKD, die beide als B&H-Bands gelten. Das neueste Album mit dem Titel «Blut und Ehre» wurde am 16. Oktober 2016 – nur ein Tag nach dem Event in Unterwasser – veröffentlicht und beinhaltet Lieder wie «Hail C18» oder «Ist uns doch egal, ob der N[…] verreckt».

In den letzten Jahren waren Thüringer Neonazis auch mehrere Male im Zürcher Oberland zu Besuch. Einige von ihnen zogen gar für gewisse Zeit in die Schweiz. Unter ihnen Marcus Russwurm, seines Zeichens Model für die Neonazi-Kleidermarke Ansgar Aryan und ebenfalls Mitangeklagter im Ballstädt-Prozess. Er wohnte während längerer Zeit gemeinsam mit Alexander Gorges und Erika Pavano in einer Neonazi-WG in Wallisellen (ZH). Pavano betrachtet sich selber als «Szenemutti», ist Mitglied der Odioxie Streetfighting Crew und dient oft als Vermittlerin für Rechtsrockbands in ganz Europa. Der dritte im Bunde, Alexander Gorges, hat unter anderem bei der, dem C18-Umfeld zuzurechnenden, Band Oidoxie, wie auch bei Amok gespielt und war 2015 in einen Waffendeal mit dem Kasseler Neonazi Michel Friedrich verwickelt.

Das «Rocktoberfest» – ein profitables Ergebnis

Insgesamt offenbarte sich im Toggenburg das Ergebnis dieser verstärkten internationalen Zusammenarbeit. Unter Berücksichtigung der vergleichsweise kleinen Grösse der bisher in der Schweiz organisierten Konzerte, ist nicht anzunehmen, dass die Schweizer B&H-Strukturen eine Veranstaltung wie das «Rocktoberfest» ohne tatkräftige Unterstützung aus dem Ausland hätten durchführen können. Dies zeigt bereits die Tatsache, dass nicht nur Besucher_innen und Bands, sondern auch Helfer_innen aus dem Ausland angereist waren.

Im Zusammenhang mit der Finanzierung der Prozesskosten – und wahrscheinlich der Unterhaltskosten für das «Gelbe Haus» – war das «Rocktoberfest» mit Abstand der grösste Unterstützungsanlass. Ausgehend von den Eintritts- und Getränkepreisen kann gut und gerne von einem Gewinn von über 100’000 Franken ausgegangen werden. Nicht zuletzt in diesem wahrscheinlich enormen finanziellen Profit liegt eine zentrale Bedeutung solcher Anlässe für rechtsextreme Kreise. Zur Erinnerung: Auch im Falle des 2011 aufgeflogenen Nationalsozialistischen Untergrunds (NSU) waren dessen Mitglieder unter anderem mit Einnahmen solcher Konzerte unterstützt worden.

Bald steht ein nächster Grossanlass der Neonazis an. Am 19. November 2016 soll in Mailand (It) ein gemeinsames Konzert von B&H und den Hammerskins stattfinden. Wie der Flyer hervorhebt, spannen die – historisch verfeindeten – internationalen Netzwerke zum ersten Mal in ihrer Geschichte öffentlich zusammen und es ist entsprechend mit einem grossen Andrang zu rechnen.

Quelle: http://info.antifa.ch/rocktoberfest-als-solidaritatsanlass-fur-thuringer-schlagernazis/

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Das «Rocktoberfest» in Unterwasser (SG) – 5000 Neonazis feiern ungestört

In der Nacht vom 15. auf den 16. Oktober 2016 fand in Unterwasser (Gemeinde Wildhaus/Alt St. Johann, SG) ein Neonazikonzert in einem für die Schweiz bisher unbekanntem Ausmass statt: Über 5000 Neonazis aus dem In- und Ausland versammelten sich in der Tennis- und Eventhalle, um zu hasserfüllten Rechtsrockklängen «ungestört abzuhitlern». Bereits Monate im Voraus riefen die Veranstalter_innen aus dem Umfeld des internationalen Neonazinetzwerkes Blood & Honour (B&H) über die sozialen Medien zum Konzertabend auf.

Mit Exzess (DE), MaKss Damage (DE), Amok (CH), Confident of Victory (DE), Frontalkraft (DE) und Stahlgewitter (DE) setzte sich das Lineup aus einschlägig bekannten Szenegrössen zusammen (weitere Informationen im Hintergrund-Dossier zu den Bands). Auf dem Flyer war der Anlass ursprünglich im Raum Süddeutschland angekündigt worden, in der Woche vor dem Anlass verdichteten sich jedoch die Hinweise, dass dieser in der Schweiz stattfinden wird. Die gewählte Region ist für Rechtsextreme kein «Neuland». Bereits 2013 hatte die Zürcher B&H-Sektion im nahegelegenen Ebnat-Kappel (SG) ein Konzert in Gedenken an den B&H-Gründer Ian Stuart Donaldson mit mehreren hundert Teilnehmenden organisiert.

Das ewig gleiche Lied

Das Vorgehen rechtsradikaler Konzertorganisator_innen ist eigentlich immer dasselbe: Anmieten eines Veranstaltungsortes, meist unter dem Vorwand eines Privatanlasses – etwa ein Geburtstagsfest oder ein Spieleabend –, Geheimhaltung der Location und letztlich die Bekanntgabe von Schleusepunkten, Infonummern oder dergleichen. So auch rund um das «Rocktoberfest» vom 15. Oktober 2016. Der in Rüti (ZH) wohnhafte, deutsche Neonazi Matthias (Matze) Melchner hatte die Tennis- und Eventhalle in Unterwasser für ein angebliches Konzert Schweizer Nachwuchsbands angemietet. Lediglich einige hundert Personen aus dem Umfeld der Bands sollten kommen. Auch der harmlose Titel der Veranstaltung sollte zunächst nichts Schlimmes vermuten lassen. Auf dem Konzertticket war als erster Schleusepunkt der Raum Ulm angegeben worden, wo die Teilnehmenden auf eine Infonummer anrufen mussten, um den nächsten Anfahrtspunkt zu erhalten. Auf diesem Weg wurden die Reisenden schliesslich nach Unterwasser gelotst.

Untypisch war jedoch die mehrtägige Eventvorbereitung. Die Veranstaltungsorte werden hauptsächlich wegen der Befürchtung, der Mietvertrag könnte durch frühzeitiges Aufdecken oder Einschreiten der Behörden aufgehoben werden, bis zum letzten Moment geheim gehalten. Aus dem gleichen Grund werden oft mehrere Lokale parallel angemietet und Technik sowie Barmaterial erst am Veranstaltungstag selber eingerichtet, um bei Bedarf schnell auf Backuplösungen zurückgreifen zu können. Zwar waren auch für das «Rocktoberfest» mehrere Hallen reserviert worden, die Organisator_innen brüsteten sich aber damit, bereits einige Tage im Voraus mit dem Aufstellen der Infrastruktur begonnen zu haben. Daraus kann der Schluss gezogen werden, dass sich die Veranstaler_innen ihrer Sache in dem Sinne «sicher» waren, als dass sie nicht befürchteten, die Halle noch kurzfristig zu verlieren.

Konzertparadies Schweiz

Der Betreiber der Tennishalle, der verantwortliche Gemeindepräsident sowie die zuständige Kantonspolizei beteuerten nach dem Anlass, von dem Konzert überrumpelt worden zu sein. Während es für den Betreiber und die Gemeinde stimmen mag, dass sie zu spät merkten, wen sie sich da ins Haus geholt hatten, gilt dies sicher nicht für die Polizei. Medien berichteten, der Nachrichtendienst des Bundes habe die Kantonspolizei St. Gallen über das bevorstehende Konzert informiert. Damit hatten die Behörden im Vorfeld Kenntnis von dem Anlass, trotzdem konnten die Konzerte ohne Weiteres über die Bühne gehen. Im Nachgang hütete sich die Polizei sogar hartnäckig davor, öffentlich von einem Neonazi-Konzert zu sprechen. Zuerst gab die Polizei am Sonntag an, die Eventhalle nicht betreten zu haben. Am Dienstag wurde gegenüber den Medien kommuniziert, für einen kurzen Augenschein das Konzert besucht, die Liedtexte jedoch nicht verstanden zu haben. So oder so seien keine Straftaten – namentlich Verstösse gegen die Rassismus-Strafnorm (Art. 261bis StGB) – festgestellt worden. Demgegenüber bestätigte der Gemeindepräsident, welcher sich vor Ort ein persönliches Bild von den Besucher_innen und der Musik gemacht hatte, von Anfang an, es sei ohne Schwierigkeiten festzustellen gewesen, dass es sich bei den Teilnehmer_innen um Zugehörige der rechtsradikalen Szene gehandelt hatte. Auch die Musikfetzen, die er trotz Lautstärke und Gegröle verstanden habe, seien zweifelsfrei zuzuordnen gewesen.

Da solche Anlässe auch wegen fehlender Rechtsgrundlagen selten in irgendeiner Form geahndet werden, gilt die Schweiz in der Szene als Konzertparadies. Entsprechend wenig erstaunlich ist die Aussage der – als Organisatorin fungierenden – «Reichsmusikkammer» gegenüber 10vor10, wonach die Schweiz als Durchführungsort ausgewählt wurde, weil hier «die Meinungsfreiheit gelte und geschützt werde». Gemeint dürfte hiermit die Praxis der Schweizer Sicherheitsbehörden sein, rechtsradikale Konzerte als Privatveranstaltungen abzutun – wie auch jetzt wieder beim «Rocktoberfest». Relevant ist dies, weil die schweizerische Rassismus-Strafnorm lediglich Diskriminierung unter Strafe stellt, die in der Öffentlichkeit stattfindet. Somit ist zum Beispiel das Zeigen des Hitler-Grusses nicht verboten, solange es im «privaten Rahmen» stattfindet. Bei einem Konzert dieser Grössenordnung von einem privaten Anlass zu sprechen, entbehrt jedoch nicht nur jeglicher Vernunft und Logik, sondern widerspricht der Rechtsprechung des Bundesgerichts (BGE 130 IV 111, Entscheid aus dem Jahr 2003). Weiter ist das Tragen von Hakenkreuzemblemen in der Schweiz grundsätzlich nicht strafbar und die Indizierung einzelner Lieder oder Alben im Ausland stellt für das Bundesamt für Polizei keine genügende Grundlage dar, um eine Einreisesperre zu verfügen. Erstaunlich ist in diesem Zusammenhang aber trotzdem, dass eine derart grosse Anzahl Rechtsradikaler – teils in ganzen Reisecars unterwegs – mehr oder weniger ungehindert in die Schweiz einreisen konnte. Zwar hatten einige Reisende Probleme bei der Grenzkontrolle und ein Bus musste die Rückreise antreten, nichts desto Trotz haben es aber mehr als 5000 Personen bis nach Unterwasser geschafft.

#calmdown?

Während die meisten Medien, wahrscheinlich schockiert über die Grösse des Konzerts, aufmerksam dem Twitter der Antifa Bern folgend, prominent über den Neonazi-Anlass berichteten, fühlte sich der selbsternannte «Extremismusexperte» Adrian Oertli dazu berufen, einen Konterpunkt zu setzen und twitterte Folgendes: «5000 Menschen. Ein Konzert. Keine Zwischenfälle. Wegen dem ist die Welt nicht schlechter. #calmdown». Mit dieser Aussage offenbart Oertli die Berechtigung des Prädikats «selbsternannt», indem er die Bedeutung solcher Veranstaltungen vollständig verkennt. Insbesondere Konzerte dienen der extremen Rechten als wichtige Vernetzungsplattform, der Bindung von Nachwuchs und zur Finanzierung ihrer Strukturen. Wobei auch der Eventfaktor nicht unterschätzt werden darf; Konzerte stärken das Zugehörigkeitsgefühl, bieten Gelegenheit, Beziehungen zu (gewaltbereiten) Neonazis aus ganz Europa zu knüpfen, dienen dem informellen Austausch und bieten, dank der Ungewissheit über das Ziel der Reise, zusätzlich einen gewissen Nervenkitzel.

Finanzierung für die Szene

Beim «Rocktoberfest» handelte es sich um einen der grössten Neonazi-Events, welcher in der Schweiz je stattgefunden hat. Auch für die Besucher_innen aus dem Ausland stellte das Konzert einen Event der Superlative dar; sie waren dafür auch aus ganz Europa angereist. So waren beispielsweise Szeneangehörige aus der Schweiz, Deutschland, Österreich, der Niederlande, England, Polen, Tschechien und Russland vertreten.

Insbesondere die finanzielle Bedeutung der Veranstaltung darf nicht unterschätzt werden. Mit Eintritt, Bareinahmen, dem Verkauf von Merchandiseartikeln und dem Absatz – teilweise indizierter – Tonträger dürfte sehr viel Geld generiert worden sein. In Unterwasser haben die Konzertgänger_innen pro Ticket 30 Euro, pro Bier 3.50 Euro und pro Wurst mit Semmel 5 Euro bezahlt. Bei einem Anlass dieser Grösse kann somit, auch nach Abzug der verschiedenen Ausgaben (Technik, Bands, Saalmiete, etc.) gut und gerne von über 100’000 Franken Gewinn ausgegangen werden. Geld, welches wiederum in die Neonazistrukturen fliesst. So werden weitere Tonträger oder Untergrundmagazine, aber auch die Beschaffung von Waffen oder – wie in diesem Fall – Prozesskosten und Immobilien finanziert.

Auch wenn solche Konzertabende in der Regel «ohne Zwischenfälle» verlaufen – wie u.a. die Polizei jeweils gerne betont –, steckt hinter derartigen Anlässen immer weit mehr. Vor diesem Hintergrund erscheinen die nachträglichen Aussagen von Anwohner_innen, die Rechtsextremen seien alle höflich gewesen und hätten sogar ihren Müll gewissenhaft entsorgt, sowie Beschwichtigungsversuche à la Oertli nicht nur zynisch, sondern als Ausdruck brandgefährlicher Akzeptanz gegenüber rechtsradikalem Gedankengut.

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Grösstes Rechtsrock-Konzert der Schweiz – Neonazis feiern im beschaulichen Toggenburg

Update: Bei der in der Medienmitteilung genannten Besucherzahl handelte es sich um eine erste Schätzung. Mittlerweile ist bestätigt, dass über 5’000 Neonazis aus ganz Europa am Anlass teilgenommen haben. Es handelt sich somit um den grössten Neonazi-Anlass überhaupt, der jemals in der Schweiz stattgefunden hat.

In der Nacht vom 15. auf den 16. Oktober wohnten weit über 1000 Neonazis aus ganz Europa Konzerten von sechs Rechtsrock-Bands bei.

Konzert_2016-10-15_Alt-St-JohannBereits Monate im Voraus riefen die Veranstalter_innen über die sozialen Medien zum Konzertabend auf, welcher ursprünglich im Raum Süddeutschland angekündigt worden war.
In der vergangenen Woche verdichteten sich jedoch die Hinweise, dass das Konzert in der Schweiz stattfinden würde.

Das Lineup, welchem von Beginn weg die Grössen der Szene zu entnehmen war, wuchs in den letzten Tagen um einige prominente Namen an. So spielten am diesem Abend folgende Bands:
Stahlgewitter (DE), Frontalkraft (DE), Confident of Victory (DE), Exzess (DE), Makss Damage (DE), und Amok (CH).

Die Organisator_innen aus dem Umfeld der internationalen Neonazi-Organisation Blood&Honour (B&H) brüsteten sich bereits lange im Voraus damit, dass der Veranstaltungsort sicher sei und dass sie seit letztem Mittwoch am Aufstellen der Infrastruktur wären. Es ist anzunehmen, dass der vorbestrafte Sänger der Schweizer Band Amok, Kevin Gutmann, in die Organisation involviert ist. Er ist aktives Mitglied der Zürcher Sektion von B&H und unterhält gute Kontakte zu Gleichgesinnten im In- und Ausland.

Unsere Recherche hat ergeben, dass das Konzert in der umgebauten Tennis- und Eventhalle in Unterwasser (Gemeinde Wildhaus/Alt St. Johann (SG)) stattgefunden hat. Die Region scheint für die Neonazis sicheres Gebiet zu sein: Bereits 2013 organisierte die Zürcher B&H-Sektion im nahegelegenen Ebnat-Kappel (SG) ein Gedenkkonzert mit mehreren hundert Teilnehmenden.

Obwohl die Behörden Kenntnis des Anlasses hatten, konnten die Konzerte ohne weitere Schwierigkeiten über die Bühne gehen. Auf Anfrage verwies die zuständige Polizeibehörde lediglich auf die in Aussicht gestellte Medienmitteilung vom Sonntag. Erstaunlich in diesem Zusammenhang ist auch, dass eine so grosse Anzahl Rechtsextremisten – teils in Reisecars – derart problemlos in die Schweiz einreisen konnte. Auch die zuständige Ansprechperson der Lokalität wollte sich nicht weiter zum einschlägigen Klientel äussern.

Es ist festzuhalten, dass es sich bei diesem Konzert um eines der grössten Neonazi-Events handelt, welches in der Schweiz je stattgefunden hat. Die Besucher_innen reisten eigens dafür aus ganz Europa an.
Insbesondere Konzerte dienen der extremen Rechten als Vernetzungsplattform, der Rekrutierung von Nachwuchs und zur Finanzierung ihrer Strukturen. An solchen Anlässen wird durch das Ticketing, den Verkauf von Merchandiseartikeln und den Absatz   – teilweise indizierter – Tonträger viel Geld generiert. Bei einem Anlass dieser Grösse kann von mehreren 10’000 Franken Gewinn ausgegangen werden.

Die Schweiz gilt in der rechtsextremen Szene seit Jahren als Konzertparadies: War der Aufschrei nach dem aufgedeckten Neonazikonzert 2005 im Crazy Palace (VS) (medial) noch immens, hat sich in den letzten Jahren kaum mehr jemand dafür interessiert, dass sich die extreme Rechte Europas immer wieder zum Stell-dich-ein in der Schweiz trifft. Obwohl verdeckte Aufnahmen des Konzertes 2005 beweisen, dass es dabei oft  zu Verstössen gegen das Antirassismusgesetz kommt, sehen Behörden und Politik offenbar keinen Anlass, rechtsextreme Konzerte zu verhindern.

Antifa Bern

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08.10.: TTIP/TISA & Co. bodigen! -15.00, Bern, Bundesplatz

Wir Bäuerinnen und Bauern und KonsumentInnen stimmen nicht mit dem Freihandelskurs von Bundesrat und Seco überein. Das Transatlantische Handels- und Investitionsabkommen mit den USA (TTIP) bedroht die bäuerliche Landwirtschaft in der Schweiz und in der EU durch den zunehmenden Konkurrenz- und Preisdruck. Diese Freihandelsabkommen sichern vor allem die Interessen der internationalen Konzerne und der Agrarindustrie. Wir brauchen eine Landwirtschaftspolitik, die den Höfen eine Lebensgrundlage bietet, faire Preise garantiert sowie einen sorgsamen Umgang mit unserer Umwelt sicherstellt: Ernährungssouveränität statt Freihandel!

 

ttipWir mobilisieren für den 8. Oktober nach Bern zur Grossdemonstration gegen TTIP/TISA & Co.

Es gilt die Freihandelsabkommen zu stoppen. Der Schweizerische Bauernverband äussert sich verhalten optimistisch zum TTIP-Abkommen. «Offensichtlich knickt nun auch die wirtschaftsgläubige Elite des Bauernverbands ein und sieht Chancen in einem Freihandelsabkommen mit Nordamerika (TTIP). Damit schlägt sie sich auf die Seite der neoliberalen Politiker in Bern und verrät damit einmal mehr die Interessen von uns Bäuerinnen und Bauern», schreibt Ulrike Minkner, Vizepräsidentin Uniterre in einem Leserbrief an den Schweizer Bauer.

Wie die Publikation «Schlechter Deal für EU-Bäuerinnen und Bauern» der Umweltorganisation «Bund» aus Deutschland feststellt, werden die Agrarimporte aus den USA mit TTIP zunehmen, die Existenz ganzer Sektoren ist potenziell bedroht und eine weitere Intensivierung der Unternehmenskonzentration wird befürchtet. Nichts gutes für die Bäuerinnen- und Bauern und noch weniger für die KonsumentInnen. So sollen Schutzbestimmungen bei der Zulassung von gentechnisch veränderten Produkten, den Sicherheitsvorschriften für Pestizide, dem Verbot von Hormonen in der Fleisch- und Milchproduktion und bei der Verwendung von Desinfektionsmitteln (z.B. Chlor) in der Fleischproduktion aufgeweicht werden.

Wir fordern eine Landwirtschaftspolitik, die den Höfen eine Lebensgrundlage bietet, faire Preise garantiert sowie einen sorgsamen Umgang mit unserer Umwelt sicherstellt. Ebenso stehen wir für eine regionale, vielfältige und gentechfreie Landwirtschaft ein. Wie Mathias Binswanger, Professor für Volkswirtschaftslehre und Privatdozent an der Universität St. Gallen treffend feststellt: «Freihandel führt nicht zu befreiten Bauern – sondern zur Befreiung der Schweiz von den Bauern.» Deshalb mobilisiert Uniterre mit einem breiten Bündnis zur Demonstration gegen TTIP/TiSA & Co.

Was ist TiSA
TiSA steht für «Trade in Services Agreement». Es handelt sich um ein «Abkommen über den Handel mit Dienstleistungen». Daran sind neben der Schweiz die USA, die EU und zwanzig weitere Länder beteiligt sind. Die Verhandlungen haben im Frühjahr 2012 begonnen und sollen schon in diesem Jahr abgeschlossen werden. Ein Indiz dafür ist, dass bereits auf Ministerebene verhandelt wird. Die Schweiz spielt eine sehr aktive Rolle in diesen Verhandlungen Das Seco, also die Schweiz, verhandelt zurzeit in einer «Koalition der Willigen» an diesem Abkommen. Problematische Aspekte des TISA sind in erster Linie die beabsichtigte Liberalisierung von diversen Bereichen des Service public (Spitäler, Eisenbahn, Bildung, Energie, bis hin zum Theater etc.), also alles was wir zum Leben brauchen. Auch Staatsbetriebe wären von dieser Praxis nicht ausgeschlossen. Das Seco weigert sich das Mandat offen zu legen, die Öffentlichkeit ist ausgeschlossen, während die Privatwirtschaft eingezogen wurde. Alle Dienstleistungen sollen zur internationalen Handelsware gemacht werden. Die Kantone würden dann verpflichtet, international tätige Privatspitäler auf die ihre Spitallisten zu setzen und wir würden von unseren Krankenkassen verpflichtet werden können, dass billigste Angebot für eine Behandlung (ev. auch im Ausland) wahrzunehmen. Diese Liberalisierung vom Handel mit Dienstleistungen begrenzt nationalen politischen Handlungsspielraum. TiSA kann zum Beispiel die Bemühungen, Dienstleistungen zu rekommunalisieren, völlig lahmlegen. Auch das Parlament kann erst nach Abschluss der Verhandlungen entweder das Abkommen abnicken oder es ablehnen.

Was ist TTIP?
Das Transatlantische Freihandels- und Investitionsabkommen zwischen der EU und den USA (TTIP) soll vor allem eins bringen: Freie Bahn für Konzerne. Die Schweiz kann nicht an den Verhandlungen teilnehmen, will aber als Drittstaat dem TTIP beitreten. Das Seco steht bereits in Gesprächen. Durch dieses Freihandelsabkommen soll die grösste Freihandelszone der Welt (Tafta) entstehen. Traditionell dienen Freihandelsabkommen dazu, Handelsschranken wie Zölle abzubauen. Doch in diesem Bereich ist zwischen der EU und den USA nicht mehr viel zu holen: Die Zölle sind schon sehr tief. Darum konzentrieren sich die TTIP-Verhandlungen auf sogenannte «nichttarifäre Handelshemmnisse»(wie Standards, Verpackungsvorschriften, Zulassung- und Importbeschränkungen). Das TTIP geht jedoch viel weiter: In Zukunft sollen Gesetze transatlantisch aufeinander abgestimmt werden. Das betrifft nicht nur Nahrung und Industrieprodukte, sondern auch Arbeitsrechte, Gesundheit, Datenschutz oder Umwelt- und Klimaschutz. Konzerne bekommen sehr weitreichende Rechte, juristisch gegen Staaten vorzugehen, wenn deren Politik ihre zukünftigen Gewinne schmälert. Derartige Investitionsschutzabkommen gibt es bereits. In solchen Verfahren haben nur Unternehmen ein Klagerecht, Staaten nicht. Das führt dazu, dass Staaten aus Angst vor Verfahren Gesetze gar nicht erst einführen. Sollte ein Parlament Gesetze beschließen, einen Mindestlohn beispielsweise oder eine Umweltauflage, die geeignet wären, die Gewinnerwartung des Investors zu schmälern, müsste der betreffende Staat dem Investor den entgangenen Profit ersetzen. Das berühmte unternehmerische Wagnis, wird auf die Gesellschaft abgewälzt, wie es die Banken in der Finanzkrise getan haben. Zu den derzeit 185 hängigen Klagen gehören z.b. die Klagen des schwedischen Vattenfall-Konzerns gegen Deutschland (Grund: Atomausstieg und Stilllegung von zwei AKWs, beansprucht: rund vier Milliarden Euro) oder die Klage des US-Unternehmens Lone Pipe gegen Kanada (Fracking-Moratorium in Quebec, 250 Millionen US-Dollar).

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Weisse Weste mit Flecken

Quelle: http://www.hans-stutz.ch/texte/weisse-weste-mit-flecken

Auf einer lokalen SVP-Liste kandidiert ein Rechtsextremer. Die Partei schliesst den Kandidaten aus. Ein Blick zurück auf den Umgang der Regierungspartei mit Rassismus und den Leuten noch weiter rechts.

Auf der SVP-Liste in der Gemeinde Neuhausen am Rheinfall kandidiert  der 45jährige Claudio Gantert, der neben diversen kleineren Strafrechts-Delikten (Drogen, Waffen, Widerhandlung gegen das Konkursrecht) auch als “Hitler-Fan” und in den Social Medias mit rassistischen Eintragungen aufgefallen ist. Der „schaffhauser az“, die den Sachverhalt öffentlich gemacht hat, erzählt Gantert ungefragt, wie er als junger Mann kurzzeitig bei einer lokalen rechtsextremen Gruppe mitgemacht habe, und wie er auch noch heute nationalsozialistische Devotionalien zuhause aufbewahre. Eine Distanzierung sehe anders aus, schreibt das sozialdemokratische Blatt zu Recht.

Gantert sei seit dem vergangenen Jahr Parteimitglied erklärt die SVP-Ortspräsidentin und sei für die Partei bei einigen Standaktionen aktiv gewesen. Aber sonst habe man von nichts gewusst, die Partei schliesse den Rechtsextremen aber sofort aus. Zurückziehen lässt sich die Kandidatur nicht mehr, nun hoffe die SVP auf die Nichtwahl ihres Kandidaten. Sagt zumindest die Ortspräsidentin. Andernfalls wolle man ihn nicht in die Fraktion aufnehmen. Wir werden ja sehen.

Die lokale Aufregung verweist auf an zwei Langzeit-Tendenzen jener Partei, die in den vergangenen dreissig Jahren von der Bauern- & Gewerbe-Klientelpartei BGB zur Partei der Abschottung und des Diskriminierungswillen gegen soziale Schwache und Minderheiten geworden ist. Einerseits die selbstgeschaffene Attraktivität für Rechtsextremisten, andererseits der nachsichtige Umgang nach diffamierenden oder diskriminierenden Aussagen und Forderungen von Parteiexponenten. Dies bei wechselnden Feindbildern, einst „die Tamilen“, eine Zeitlang die Kosovo-Albaner“, heute „die Muslime“. Bei der Aufarbeitung der Zweit-Weltkrieg-Vergangenheit zogen SVP-Exponenten – wie zum Beispiel Christoph Blocher – schon mal „die Juden“ in den Regen hinaus. Bei den Jubiläumsfeiern zum 80jährigen Bestehen (1999) übernahm die Zürcher SVP in einer offiziellen Verlautbarung schon mal die antisemitische Anspielung auf den „goldenen Internationalismus“. Ein Begriff, den einst auch die Nazis gerne verwendet hatten.

Weder Antisemitismus noch Rassismus gehören explizit zum SVP-Parteiprogramm, hingegen ist die Partei frei von jeder antirassistischen Sensibilität. Wenn es dem Erfolg dient, haut man drein, zumindest mit diffamierenden Worten, manchmal mit diskriminierenden Forderungen. Dies seit Jahrzehnten. Wie ein Blick auf wenige der vielen Fälle zeigt. Bereits 1984 verbreitet ein SVP-Nationalrat im parteieigenen Pressedienst die Furcht: „Weit über 10‘000 Tamilen marschieren Richtung Bern“. (Dort sind noch immer nicht angekommen.) Vor kurzem ernannte die SVP nun einen Asylpolitik-Verantwortlichen, der mehrere Male mit islamophoben Wahlkampagnen aufgefallen war. Die Partei nicht verlassen musste auch der SVP-Antisemit Emil Rahm – kürzlich verstorben, jahrzehntelang publizistisch tätig. Auch nicht nach einer Widerhandlung gegen die Rassismus-Strafnorm. Der damalige Präsident Ueli Maurer verharmloste Rahms Verurteilung sogar öffentlich.

Nicht auf Partei-Nachsicht zählen konnten hingegen Männer auf der untersten Stufe der Parteikarriere. So der „Kristallnacht“-Twitterer oder der Solothurner SVP-Kandidat Beat Mosimann. Dieser unterstellte den Juden die “geschichtlich bedingten Unterwanderung der Finanzwelt”, er wollte Muslime “entsorgen” und an Schwarzafrikanerinnen “alte Munition” ausprobieren. Nach Medienberichten zog er sich “für das Wohl der Partei” aus der Politik zurück. Einerseits zur Erleichterung der Partei, andererseits beklagten zwei Solothurner SVP-Exponenten: “Was aber passiert wenn man solchen Menschen das letzte Ventil nimmt, ihre Frustration über gewisse Entwicklungen in unserer Gesellschaft loszuwerden?” Will heissen: Rassistische Äusserungen sind legitim. Seit vielen Jahren tritt die Partei für die Abschaffung der Rassismus-Strafnorm ein. Der Thurgauer SVP-Kantonsrat Hermann hingegen hält Vorträge, wie man sich diskreditierend gegen Minderheiten äussern kann, ohne die Strafnorm „Rassendiskriminierung“ zu verletzen.

Der Spagat: Abgrenzen und offen bleiben
SVP-Parteiexponenten wie Blocher oder Mörgeli haben mehrfach verlauten lassen, es dürfe rechts der SVP keine Partei geben. So wie es einst in der Bundesrepublik Franz Josef Strauss für CSU und CDU forderte. Das Dilemma: Viele Rechtsextremen betrachten die SVP à la mode du Christoph Blocher als Teil ihres politischen Lagers. Bereits Ende der 1980er-Jahre urteilte Gaston-Armand Amaudruz, Altfaschist und damals eifriger Vernetzer: „Endlich ein Systempolitiker, der die Augen aufmacht.“ Mit Folgen: Bei durch Linken in den 1990er-Jahren angekündigten Störmanövern gegen Auftritte Blochers mobilisierten Rechtsextreme zu dessen Schutz.

Allzu eng wollte sich die Partei aber auch nicht mit der Szene einlassen. SVP-Mitglieder, deren Teilnahme an rechtsextremen Rütli-Aufmärschen nachgewiesen werden konnte, mussten umgehend die Partei verlassen. Aber nicht jede Beteiligung eines SVP-Exponenten an einer rechtsextremen Veranstaltung führt zu Konsequenzen. Der Jurassier Dominque Baettig, SVP-Nationalrat von 2007-2011, trat im Herbst 2009 als Redner an einer Tagung der französischen Identitären auf. Parteipräsident Toni Brunner sah keinen Handlungsbedarf, auch nicht als Bättigs rechtsextreme Vergangenheit der 1970er-Jahre publik wurde. Die jurassischen Stimmbürger sorgten dann im Herbst 2011 für Bättigs Abwahl.

Und so schliesst sich ein Kreis. Die SVP verdrängte in den vergangenen Jahrzehnten erfolgreich die einstigen Rechtsaussen-Parteien, wie die Auto-Partei oder die Schweizer Demokraten SD, früher Nationale Aktion NA. Im Wahljahr 1987 hatte das Bundesgericht der NA “braune Flecken auf der weissen Weste” zugesprochen. Die Partei hatte sich durch Presseberichte in ihrer Ehre verletzt erachtet, unter den beklagten Zeitungen war damals auch die schaffhauser az.

Hans Stutz
Tachles, 23. September 2016
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