Demo “Eichwäldli muss bleiben!” am 12. Januar

Samstag 12.1.19 um 14 Uhr am Murmattweg 2
Anschliessender Spaziergang durch die Stadt.
Bewilligung ist eingereicht.
www.eichwaeldibleibt.noblogs.org


Für lebendige und solidarische Quartiere
Eichwäldli bedeutet einander begegnen, gemeinsam Essen, tanzen, diskutieren, ein Leben erproben das auf Freiheit, Freude und Respekt basiert.
Das Haus hat sich in kürzester Zeit zu einem wichtigen Treffpunkt fürs Quartier und die Stadt entwickelt. Wir wollen in einer Nachbar*innenschaft leben, die sich kennt und unterstützt. Dies in einer Stadt, in der diverse Lebensformen nebeneinander Platz haben und sich die Menschen mit Respekt und Offenheit begegnen.

Die fortschreitende Gentrifizierung der städtischen Quartiere aber führt die Entwicklung in eine andere Richtung. Das Wohnen und somit das Leben ist immer abhängiger von Profitgier, Bodenspekulation und Verdrängungsprozessen. Die dadurch höher werdenden Mietpreise führen zu unnötigen wirtschaftlichen Zwängen, die uns in allen Lebensbereichen beeinflussen.
Wir wollen aber Solidarität leben und uns gemeinsam organisieren. Deswegen setzen wir uns für das Eichwäldli als selbstbestimmten Ort des Austausches und der Diskussion ein. Im Kleinen kämpfen hier Menschen für eine Veränderung im Grossen.

WIR BLEIBEN! Und dafür gehen wir auf die Strasse!
Für Lebensideen ausserhalb kapitalistischer Zwänge.
Für lebendige Nachbar*innenschaften.
Für das Eichwäldli!
Nehmt eure Nachbar*innen, Fahnen, Pfannen und Botschaften mit!

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Eichwäldli bleibt!

Seit einem halben Jahr leben wir, die Familie Eichwäldli in einem wunderbaren Haus gleich neben dem Eichwald in Luzern. Unser Kollektiv lebt anarchistische Ideen und belebt ein Quartier mitten in der Stadt. Wir laden jeden Montag zu einer Vokü, am Mittwoch zum Yoga und am Donnerstag jeweils zum Mittagstisch ein. Der Mietvertrag der Liegenschaft ist Ende 2018 ausgelaufen und die Eigentümerin (Stadt Luzern) verweigerte jegliche Gespräche über Lösungsvorschläge für den Erhalt des Hauses. Daraufhin haben wir das Haus am 1.1.2019 besetzt.

Mit unsere Energie für dieses Projekt wollen wir der Entwicklung entgegenwirken, dass in städtischen Wohngegenden anonym und zurückgezogen aneinander vorbeigelebt wird. Die Familie Eichwäldli will in einem Quartier leben, wo sich die Nachbar*innenschaft kennt, vertraut und unterstützt. Auch in Luzern bedrängen Profitgier und Bodenspekulation die Wohnsituation von vielen Menschen. Die dadurch immer höher werdenden Mietpreise führen zu unnötigen wirtschaftlichen Zwängen. Durch die Aufwertungspolitik der Stadt erleben die Quartiere eine Verarmung aller Lebensbereiche. Vordergründig bietet die Stadt Plätze, die offen, nonkonform und eigenständig erscheinen. Orte, die bei genauerer Betrachtung als profitorientierte Konsumstätten funktionieren. Deswegen und weil die Stadt weder Stadtenwicklungs- noch Antigentrifizierungskonzepte bereithält, braucht es selbstbestimmte und mutige Initiativen um den Gegebenheiten verantwortungsvoll und aktiv entgegen zu treten.

Wie es weitergeht ist offen. Klar ist, dass die Familie von der Nachbar*innenschaft und Freund*innen unterstützt wird. Die Solidarität ist gross, denn es gibt viele Menschen die Alternativen ausserhalb kapitalistischer Logiken als wichtig empfinden. Klar ist auch, dass wir für unsere Forderungen, Ideen und Visionen kämpfen werden.
Hier unser Manifest:

eichwaldbleibt

Eichenblatt – Herz – Faust

Für ein Leben in Freundschaft und Solidarität
In einem Haus neben dem Eichwald leben wir selbstbestimmt und mit Visionen im Kopf. Die vermeintlich Verantwortlichen fordern das Ende dieses Glücks und das sofortige Verlassen des Hauses. Doch wir und unsere solidarischen Freund*innen denken nicht daran zu gehen. Stattdessen formulieren wir unsere Ideen und Forderungen:
Wir fordern, dass die Häuser denen gehören, die sie beleben.
Wir fordern, monetären Profit durch Wohn- und Lebensraum zu unterlassen.
 Wir fordern, dass Geld nur Mittel zum Zweck sein darf. 
Wir fordern Närr*innenfreiheit auch wenn die Themen ernst sind. 
Wir fordern, dass Menschen im Zentrum stehen und nicht Konzerne. 
Wir fordern eine Welt ohne Grenzen
. Wir fordern Bewegungsfreiheit für alle.
Wir wollen in einer Nachbar*innenschaft leben die sich kennt und unterstützt. 
Wir wollen Beziehungen basierend auf Freiheit und Respekt.
 Wir leben anarchistische Ideen. Das heisst nicht, keine Regeln zu haben, sondern keine zu brauchen.
 Wir bringen uns gegenseitig Dinge bei.
 Wir wollen frei sein von jeglichen Zwängen. 
Wir wollen uns ein Leben ausserhalb des Kapitalismus bauen.
 Wir wollen aufzeigen, dass im Kleinen Grosses bewirkt werden kann.
 Wir bauen Baumhäuser.
 Wir wollen in den grossen Pfannen kochen und alle herzlich einladen mit uns an den Tisch zu sitzen. 
Wir wollen politische Aktivitäten als Teil unseres Zusammenlebens verstehen.
 Wir wollen uns gemeinsam organisieren.
 Wir wollen die Gesellschaft aktiv mitgestalten.
 Wir wollen über unser Sein und Werden selbst bestimmen. 
Wir wollen nicht vorverurteilt oder kriminalisiert werden.
 Wir wollen die Kämpfe gegen Kapitalismus, Nationalismus, Sexismus, Gentrifizierung und Umweltzerstörung vereinen.
Wir sind ein Ort des Austauschs und der Diskussion. 
Wir sind kein städtisches Soziokulturprogramm.
Wir sind solidarisch mit unseren Freund*innen und weiteren Kämpfenden.
 Wir sind ein Beweis dafür, dass nicht alles geplant oder konzeptualisiert werden muss, damit es funktioniert.
Wir finden den Arbeitszwang unterdrückend. Er wird durch hohe Mieten, Spekulation und sonstigen kapitalistischem Irrsinn verursacht.
 Wir empfinden die Polizei als Institution die Gewalt schafft, legitimiert und leider nicht zur Lösung von Konflikten beiträgt. 
Wir finden aus Privileg resultiert Verantwortung.
Wir glauben es gibt genug für alle.
 Wir glauben, Konkurrenz macht böse.
 Wir glauben an Kooperation. 
Wir glauben an die Weltunherrschaft.
Wir pfeifen auf Stellenprozente und Zwischennutzungskonzepte.
 Wir lassen uns nicht vereinzeln.
 Wir flüstern, wenn andere schreien.schreien, wenn andere schweigen.
Wir glauben an Veränderung. In diesem Sinne wollen wir das Manifest sowie unsere Taten weiterhin reflektieren.

Quelle: https://barrikade.info/Eichwaldli-bleibt-1763?fbclid=IwAR2dieY_nHVm2TrWYldlcxpPr6W1iUW88odrhB8sashqp1Qt5K7OrPAwwNg

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Luzerner «Eichwäldli» gilt nun offiziell als Besetzung

Die vereinbarte Schlüsselübergabe für das Eichwäldli ist wie erwartet gescheitert. Vielmehr zeigte sich, wie stark die Fronten verhärtet sind. Eine Alternative zum jetzigen Gebäude will das Kollektiv nicht akzeptieren. Trotzdem drückt die Stadt aufs Tempo.

Nun ist er gekommen, der 3. Januar, an welchem die Bewohner der alten Soldatenstube beim Luzerner Eichwäldli das Haus definitiv hätten verlassen sollen. Dass sie der Aufforderung nicht nachkommen würden, hatten sie am Dienstag jedoch offiziell verkündet (zentralplus berichtete).

So erstaunte es auch nicht, dass sich am Mittag und frühen Nachmittag gegen 50 Leute, darunter zahlreiche Kinder, zum täglichen gemeinsamen Mittagstisch versammelten. Die Botschaft, welche sie vermitteln wollten, war sofort klar: Die Eichwäldli-Familie hat fest vor, noch eine Weile zu bleiben.

Die Diskussion dreht sich im Kreis

Daran konnten auch die zwei Beamten der städtischen Baudirektion nichts ändern, die am Nachmittag wie vereinbart zur Schlüsselübergabe zum Eichwald kamen, um das Ende des Mietverhältnisses offiziell zu besiegeln. Dabei hatten die Beamten eine Einladung zu einem Gespräch mit Baudirektorin Manuela Jost sowie eine erneute schriftliche Aufforderung, das Gebäude umgehend zu verlassen.

Doch anstatt die Türen bis auf Weiteres zu schliessen, mussten sich die beiden Herren vor einigen interessierten Zuhörerinnen auf eine Grundsatzdiskussion über Sinn und Unsinn der aktuellen Nutzung des Gebäudes einlassen. Wiederholt wiesen die Beamten in diesem Zuge darauf hin, dass es absolut unverantwortlich und fahrlässig sei, weiterhin im Haus zu bleiben.

Deutlich zeigte sich während des eigentlich nicht öffentlichen, kurzen Gesprächs in der Soldatenstube, dass man sich auf komplett unterschiedlichen Ebenen bewegt. Die Stadt richtet sich nach vorgegebenen rechtlichen Linien betreffend Sicherheit des Gebäudes, während die Eichwäldli-Familie auf der gesellschaftlichen Relevanz öffentlicher Gemeinschaftsprojekte beharrt, die auch von Verordnungen und Paragrafen nicht infrage gestellt werden dürften.

Nun ist das Haus besetzt

Weil die Bewohner weiterhin im Haus bleiben werden, handelt es sich im Eichwäldli seit Donnerstagnachmittag offiziell um eine Besetzung. Wie wird die Stadt also reagieren? Über den Umgang mit einer Besetzung kann Baudirektorin Manuela Jost nicht eigenmächtig entscheiden, wie sie auf Anfrage sagt. Es bedarf eines Beschlusses des Gesamtstadtrates.

Zu den weiteren Schritten kann sich Jost daher noch nicht konkret äussern. «Wann wir die Angelegenheit im Stadtrat diskutieren, geben wir nicht bekannt», erklärt Jost. Ob sie die Sache allenfalls als dringlich beantragen wird, um rasch einen Beschluss zu fassen, sagt sie nicht.

Marko Virant (links), Leiter Dienstabteilung Immobilien, im Gespräch mit Bewohnerinnen und Bewohnern des Eichwäldli.
Marko Virant (links), Leiter Dienstabteilung Immobilien, im Gespräch mit Bewohnerinnen und Bewohnern des Eichwäldli. (Bild: bic)

Am Dienstag kommen die Handwerker

Dennoch will die Stadträtin aufs Tempo drücken. Vorgesehen ist, dass ab dem kommenden Dienstag die dringendsten Stabilisierungsmassnahmen am Haus in Angriff genommen werden. Dieses Datum ist schon seit Langem festgelegt.

«Ich gehe aktuell davon aus, dass wir diese Arbeiten ab nächster Woche durchführen können», sagt Jost. Von den Mietern habe sie jedenfalls Signale erhalten, dass man die Handwerker ungehindert ins Haus und ihre Arbeit verrichten lassen werde. Damit wäre laut Jost schon mal ein wichtiger, wenn auch nur kleiner Schritt gemacht. Vor Ort bestätigten die Eichwäldli-Bewohner, dass die Handwerker freies Geleit haben werden.

Bleiben dürfen die Bewohner aber auch nach den Arbeiten nicht. «Auch mit den baulichen Sofortmassnahmen können wir ausschliesslich eine niederschwellige Nutzung zulassen», stellt Stadträtin Jost klar. Das Haus könne nicht bewohnt werden, solange man nicht wisse, welche weiteren konkreten Massnahmen gemäss Sanierungskonzept umzusetzen seien. «Dieses sollte uns im Frühjahr vorliegen», sagt Jost.

Treffen am Freitagmorgen

Vor diesem Hintergrund sei die Schlüsselübergabe vom Donnerstag eigentlich nur eine wichtige Formalität zum Abschluss eines Mietverhältnisses gewesen, welche – wie bei jedem anderen Mietvertrag – gewahrt werden müsse, räumt Jost ein. Dass die Bewohnerinnen das Haus möglicherweise nicht wie vereinbart verlassen werden, war sich Jost bewusst, wie sie sagt.

Die nächste Runde erfolgt Morgen Freitag um 10 Uhr, wenn sich Vertreter des Eichwäldli mit Manuela Jost im Hotel «Anker» zum persönlichen Gespräch treffen. Die Bewohner haben am Donnerstag eine Einladung der Baudirektorin angenommen. Mit der Einladung reagiert Jost ihrerseits auf Terminvorschläge, die vom Kollektiv gemacht wurden. «Wir stehen schon länger in Kontakt mit den Bewohnern, um einen Gesprächstermin zu finden», sagt die Stadträtin.

Bewohner wollen Verbindlichkeit

Ob sich in der Causa etwas bewegen wird, darf zumindest bezweifelt werden. «Uns geht es darum, von der Stadt gewisse Verbindlichkeiten zu erhalten. Wir wollen den Willen spüren, dass man sich konstruktiv und lösungsorientiert mit unserer konkreten Situation und unseren Vorstellungen auseinandersetzt und uns nicht einfach sofort aus dem Haus haben will», bekräftigte ein Bewohner während des Gesprächs in der Soldatenstube die Haltung der Eichwäldli-Familie. Das sei bislang nicht der Fall gewesen, obwohl man einen breiten Spielraum für die Verhandlungen biete. Man sei ja auch bereit, einen finanziellen Beitrag zum Erhalt des Gebäudes zu leisten.

«Für uns Bewohner ist es zentral, die Sicherheit zu haben, dass das Eichwäldli in der heutigen Form oder zumindest auf ähnliche Art und Weise weiterhin betrieben werden kann», sagte eine andere Bewohnerin. Die weitere Nutzung führe ausschliesslich über dieses Haus. Deshalb suche man seit einem halben Jahr den Kontakt mit der Stadt, um über konkrete Projekte und die Möglichkeit von deren Umsetzung innerhalb des Gebäudes zu diskutieren.

«Denn sollte zum Beispiel die Quartierarbeit oder eine Institution, die von der Stadt eingesetzt wurde, ins Haus einziehen oder gar ein Neubau realisiert werden, so wäre diese an einen Leistungsauftrag gebunden und könnte das Haus in keiner Weise so beleben, wie es momentan der Fall ist», befürchtet er.

Ob sich das Beharren auf der Position für die Eichwäldli-Familie letztlich auszahlen wird oder ob es sogar eher kontraproduktiv ist, muss sich zeigen. Marko Virant, Leiter Dienststelle Immobilien bei der Stadt, zeigte sich von der Situation und dem bisherigen Verlauf der Diskussion vor Ort jedenfalls wenig angetan.

Quelle: https://www.zentralplus.ch/de/news/gesellschaft/5584623/Luzerner-%C2%ABEichw%C3%A4ldli%C2%BB-gilt-nun-offiziell-als-Besetzung.htm

 

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Anti-WEF Winterquartier in Bern

Mit dem World Economic Forum finden sich jährlich die Herrschenden zu einem Gipfeltreffen im Schweizer Hinterland in Davos zusammen. Im Rahmen der Anti-WEF-Kampagne organisieren wir – nach Vorbild der Genoss*Innen aus Zürich – das Veranstaltungswochenende „Winterquartier“ auch in Bern. Am Wochenende vom 4.-6. Januar laden wir zu verschiedenen Vorträgen und Workshops im Tojo und im Kino der Reitschule Bern ein.

Im Winterquartier bietet sich die Möglichkeit, die generellen Herausforderungen der revolutionären Linken zu diskutieren, unsere Praxis zu reflektieren und Inspirationen von GenossInnen aus anderen Ländern einzuholen. Damit wollen wir zudem einen Beitrag dazu leisten, die Erfahrungen aus der damaligen Anti-Globalisierungsbewegung als kollektives historisches Bewusstsein nutzbar zu machen.

Die Anti-Globalisierungsbewegung riss das WEF jäh aus seiner verschwiegenen Ruhe und machte es als beispielhaften Ausdruck der kapitalistischen Globalisierung weltweit sichtbar und angreifbar. Heute – 20 Jahre später – steht nicht nur die revolutionäre Linke, sondern auch das WEF selbst vor neuen Herausforderungen. Die umfassende kapitalistische Krise hat sich ökonomisch, politisch und kulturell weltweit und auf allen Ebenen der Gesellschaften Bahn gebrochen.
Während die Anti-Globalisierungsbewegung die kapitalistische Globalisierung primär als neoliberalen Angriff verstand, von unten bekämpfte und ihr die internationale Solidarität entgegenstellte, wird die Integration des Weltmarktes heute immer mehr von Bourgeoisien verschiedener Länder in Frage gestellt. Heute müssen die WEF-Strategen ihren Freihandel gegen einen Protektionismus verteidigen, der aus ihren eigenen kapitalistischen Reihen entstammt. Damit wird am WEF sichtbar, in welcher Krise das kapitalistische Weltsystem steckt. Wenn das WEF also Globalisierung predigt, dann vertritt es ein in die Krise geratenes Regime der diplomatischen Aufteilung der Welt unter den imperialistischen Mächten, der Öffnung der Märkte und des neoliberalen Angriffs auf die Arbeits- und Lebensbedingungen.

Programm:
* Das Programm kann sich noch ändern und insbesondere erweitern.
Freitag 19:30
Die Digitalisierung der Rüstungsindustrie
Aufgezeigt anhand von WEF-Partnern und Teilnehmenden

Die Digitalisierung ist in allen Bereichen des Lebens auf dem Vormarsch. So auch in der Rüstungsindustrie, die mit grossen Investitionen der kriegstreibenden Staaten versuchen, das Töten durch moderne Technik immer präziser und einfacher zu machen.
Wenn in Davos über die Digitalisierung gesprochen wird, werden auch Firmen, Staaten und Banken am Tisch sitzen, die direkt Teil der Rüstungsindustrie sind oder in diese grosse Summen investieren.

Samstag 13:00
Digitalisierung von unten
Tails Workshop

Die Digitalisierung bringt einerseits den Staaten mehr Möglichkeiten zur Überwachung und Repression. Andererseits bieten sich auch uns neue Wege zur Kommunikation, Mobilisierung und Organisation. Dies bedingt aber einige Vorkehrungen zur Sicherheit. Dabei kann uns das Tails-System ein hilfreiches Werkzeug sein. Dies soll in einem Workshop erklärt und zugänglich gemacht werden.

Samstag 13:00
Rechtsruck in Österreich

Seit der letzten Wahl in Österreich, wird das Land von einer rechts-nationalen Koalition regiert. Mit Sebastian Kurz ist ein Rechtspopulist und Rassist als Regierungschef.
Die Genoss*Innen der Autonomen Antifa [w] kommen aus Wien, um über die aktuelle Lage zu erzählen.

Samstag 15:00
WEF: Zwischen Korporatismus und Autoritarismus

Mit einem rasanten Tempo driftet das gesamte bürgerliche Spektrum insgesamt nach rechts ab und freundet sich wieder mit autoritären Herrschaftsoptionen an. So sind heute in Europa, der Türkei, der Ukraine, den USA und Brasilien und anderen Ländern reaktionäre bis offen faschistische Bewegungen Teil der Regierungen. Die WEF-StrategInnen stehen heute also vor der Herausforderung, das neoliberale Projekt im Übergang vom korporatistisch-demokratischen Regime in neue autoritäre Herrschaftsformen zu retten und gleichzeitig die Gefahr von innerimperialistischen Konflikten und von Aufständen der unterdrückten Klassen zu dämmen. Auch wir werden an einer Veranstaltung in unserem Polit-Wochenende analysieren, zu welchen Schlüssen die WEF-StrategInnen dabei kommen und erhoffen uns damit auch Aufschluss darüber, welche Krisenoptionen die herrschenden Klassen momentan diskutieren und mit welchen Angriffen wir in Zukunft rechnen müssen.

Samstag 17:00
Die Militarisierung in Brasilien

Mit Jair Bolsonaro hat Brasilien einen Faschisten zum Präsidenten gewählt, der offen die Militärdiktatur verherrlicht und die Repressionsorgane massiv aufrüsten will. Doch auch schon zuvor schritt die Aufrüstung in Brasilien schnell voran und wurde zu einem Hauptabnehmer für Schweizer Rüstungsgüter.
Peter, Journalist der jungen Welt, erzählt aus seinem Expertenwissen.

Samstag 20:30
Film „Accidental Anarchist“ (EN)

Carne Ross was a government highflyer. A career diplomat who believed Western Democracy could save us all. But working inside the system he came to see its failures, deceits and ulterior motives. He felt at first hand the corruption of power. After the Iraq war Carne became disillusioned, quit his job and started searching for answers. This film traces his journey across the globe as he tries to find an answer to the question so many people today are asking themselves – isn’t there a better way? For Carne there is. Anarchism offers a solution to the brutalities of Capitalism and the dishonesties of Democracy. It offers a world where people have control over their own lives. From the protesters of Occupy Wall Street, to an anarchist collective in Spain, to Noam Chomsky, the grand old man of anarchism himself, Carne finds people who are putting the theory into practice. His journey eventually takes him to one of the most dangerous places on earth – Syria, eight kilometers from the front line with Isis, where a remarkable anarchist state has risen phoenix like from the flames. A powerful film about one man’s epic journey from government insider to anarchist.

Sonntag 14:00
Frauenstreik 2019 in Bern

Für den 14. Juni 2019 wird ein schweizweiter Frauenstreik geplant. Dazu hat sich auch in Bern eine Koordinationsgruppe gebildet. In der Koordinationsgruppe sind Frauen, die sich gerne mit möglichst vielen anderen Frauen in der Stadt Bern und im Kanton Bern für den Frauenstreik am 14. Juni 2019 organisieren möchten. Einzelpersonen dieser Gruppe werden das Projekt bei uns vorstellen und Fragen von Interessierten beantworten.

Samstag durchgehend:
Infotisch
Foodtruck


Sonntag durchgehend:

Transparente malen
Kaffee und Kuchen

Quelle: https://revolutionär.ch/?p=4015

 

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Es weihnachtet sehr – die Stadt Luzern stellt eine WG mit Kind auf die Strasse

Die zehnköpfige Wohngemeinschaft mit Kind hat eigentlich bis Ende Jahr einen Mietvertrag. Da die Stadt Luzern die jungen Untermieter*innen am Murmattenweg in die Hausbesetzer*innen-Ecke stellt, hat sie den Vertrag gekündigt und will die WG mit fadenscheiniger Begründung über Nacht auf die Strasse stellen. Ein Augenschein vor Ort.

Das ehemalige Soldatenhaus am Murmattweg 2 in Luzern gleicht von Weitem einem konventionellen Quartierzentrum. Durch die grossen, beleuchteten Fenster im Erdgeschoss sieht man Leute um einen langen Tisch sitzen. Ein paar Fahrzeuge stehen vor dem Haus, auf der kleinen Veranda rauchen ein paar Leute in dicke Decken eingemummt Zigaretten. Der grosse Gemeinschaftssaal ist erfüllt von gedämpftem Murmeln, ein Brief macht die Runde unter den Anwesenden: Die Stadt Luzern fordert die zehn Mieter*innen auf, das Haus bis morgen zu verlassen. «Absurd», schüttelt Andrea den Kopf, «aber willst du erst was essen? Wir haben den ganzen Nachmittag Ravioli gemacht». Andrea ist vielleicht dreissig Jahre alt, ein Mann mit ruhiger Stimme und wachen Augen. Dass sich eigentlich fremde Leute hier gemeinsam zusammensetzen und essen, sei Normalität geworden, erzählt Andrea während er einen Teller mit dampfender Pasta auf den Tisch stellt. An den wöchentlichen Mittagstisch kommen um die sechzig Menschen. Die Frau vom Kiosk gegenüber besorge sich immer eine Vertretung, damit sie hier essen kommen könne und die Angestellten der Stadtreinigung kommen meistens als ganze Gruppe. Auch an diesem Abend ist die Tischrunde bunt gemischt. Der Brief mit dem offiziellen Logo der Stadt Luzern wird mir in die Hand gedrückt. «Komm, lass uns oben quatschen», meint Andrea und öffnet die Türe neben der kleinen Bar, an der ein paar Leute anlehnen.

Kriminalisierung als Prävention

Der Holzboden ist uneben, an den einen Stellen senkt er sich um einige Zentimeter ab. Sonst aber erkenne ich wenig von den angeblichen Baumängeln. Die Wände sind mit weisser und hellblauer Farbe frisch gestrichen, die Fenster machen einen soliden Eindruck. Wir gehen ein enges Treppenhaus entlang, viele kleine Zimmer zweigen vom Gang ab. Simone kommt dazu, eine junge Frau mit langen Haaren und breitem Luzerner Dialekt. Wir setzen uns auf ein Sofa und ich lese den Brief:

«Ab sofort sind im gesamten Gebäudekomplex grössere Menschenansammlungen, insbesondere im Zusammenhang mit Veranstaltungen, zu vermeiden. Diese können Erschütterungen verursachen, die sich negativ auf die Stabilität auswirken. Durch eine Verkettung von ungünstigen Ereignissen wie zusätzlichem starkem Schneefall oder stürmischen Winden könnte die Gesamtstabilität beeinträchtigt und demzufolge auch Personen, die sich im Gebäude aufhalten, einem Risiko ausgesetzt werden»

What the fuck, wir werden gleich weggepustet?

Simone (lacht): Der Winter lässt ja bisher noch auf sich warten. Und was ist schon eine Veranstaltung? Sind wir vier, die hier sitzen und reden, schon eine Veranstaltung? Ich verstehe das nicht.

Wie kam es denn dazu, dass ihr dieses baufällige Haus bewohnt?

Simone: Das Haus weist tatsächlich einige Mängel auf. Aber da es nun mal vom Denkmalschutz als schützenswert eingestuft wurde und keine Abrissbewilligung vorliegt, muss die Stadt evaluieren, wie viel eine Instandhaltung oder allenfalls eine Sanierung kosten würde. Und dann müssen sie entscheiden, ob sich das «lohnt», diese Kosten zu tragen, oder nicht. Eingezogen sind wir als Untermieter*innen im Sommer 2018, damals waren wir neun Personen. Wir haben der Stadt eigentlich gleich angeboten, die nötigen Sanierungen selber zu finanzieren.

Andrea: Also eigentlich sind wir nicht offiziell Untermieter*innen, oder?

Eine junge Frau steckt den Kopf ins Zimmer. Sie heisst Oli.

Oli: Naja, aber ihr habt doch die Eigentümerin über das Untermietverhältnis informiert, oder? Und die haben euch dann auch als solche angesprochen? Das nennt man konkludente Zustimmung, wenn die von der Untermieter*innenschaft wissen und das dulden.

Oli setzt sich. Sie hat Jus studiert und besucht regelmässig die Veranstaltungen im Haus am Murmattweg. Mit ihrem Patenkind wollte sie kommenden Donnerstag eigentlich die Zaubershow sehen. Doch diese soll nie stattfinden, geht es nach dem Willen der Stadt. Was sagt Oli zur Einsturzgefahr?

Oli: Dieses Gutachten ist doch tendenziös. Was, wenn es die nächsten Tage gar nicht schneit oder windet? Wieso dürfen denn nur noch einzelne Menschen rein? Das riecht nach einem Gefälligkeitsgutachten. Ihr habt doch viele Veranstaltungen geplant diesen Monat oder? Vielleicht will die Stadt einfach nicht, dass da was läuft.

Andrea: Da steht, wir sollen unterschreiben, dass wir das Haus bis morgen verlassen werden. Und man habe dann den Tag durch Zeit, um «einige Gegenstände» zu entfernen. Aber man dürfe nicht mehr als zwei Personen sein. Das ist doch absurd!

Was will denn die Stadtverwaltung mit dieser Strategie erreichen?

Andrea: Wir haben den Verdacht, dass sie uns präventiv und pauschal kriminalisieren wollen. Wenn wir es nämlich jetzt nicht schaffen, rechtzeitig zu gehen, können sie uns mit der Polizei drohen. Dann sind wir die Kriminellen, wegen denen die Polizei kommen musste. Und wie Bitteschön soll ein ganzes Kulturzentrum mit zehn Bewohner*innen über Nacht das Haus verlassen?

Simone: Die von der Stadt haben sich zwar persönlich besorgt gezeigt, ob wir während der eigentlichen Dauer des Mietverhältnisses bis Ende Jahr irgendwo unterkommen würden, aber sie haben uns nie konkrete Alternativen geboten.

Der Eichenwald neben dem Haus zeichnet für den Namen des Projekts

Luzern hat ja auch eine sehr aktive Besetzer*innen-Kultur. Die Gundula 1 und 2, die Stella, die Rosa la Vache und die Pulp@…

Andrea: …ja, und immer wurden die Besetzungen gleich geräumt.

Oli: Ihr habt zwar einen Mietvertrag, aber weil euer Projekt ein selbstorganisierter Raum ist, stellt euch die Stadt in die selbe Ecke wie die Besetzungen. Und sie schicken sogar die gleichen Beamten, die sie sonst in die besetzten Häuser schicken.

Wieso ist die Stadt so repressiv?

Andrea: Das wüssten wir auch gerne. Interessant war ja auch der Fall der Besetzung der Villa der schwerreichen Bodum Invest AG im Jahr 2016, als 27 Personen mit Geldstrafen von bis zu 2000.- Fr. gedroht wurde. Und drei Journalisten, die über die Besetzung berichteten, bekamen ebenfalls eine Strafanzeige. Ich glaube Bodum hätte es am liebsten gehabt, wenn seine beiden Villen ganz aus den Medien verschwunden wären.

Beide Villen?

Andrea: Ja, Jørgen Bodum hat 2013 die zwei schützenswerten Villen an der Obergrundstrasse gekauft. Aber er liess die beiden Häuser verlottern. Beide Villen wurden übrigens mal besetzt.

Oli: Das kann natürlich auch eine Strategie sein. Wenn ein Gebäude als schützenswert eingeschätzt wird, dann gibt es natürlich strengere Auflagen. Dann gibt es aber auch gewisse Ausnahmen, die in etwa sagen, dass ein Abriss nur zulässig ist, wenn eine Sanierung aus statischen Gründen nicht möglich oder aus wirtschaftlichen Gründen unverhältnismässig wäre. Wenn man Häuser willentlich verlottern lässt, kann man so einen profitablen Neubau möglich machen.

Simone: Aber die Besetzungen haben schon auch etwas bewirkt. Die Stadträtin Manuela Jost beispielsweise musste öffentlich zugeben, dass Bodum bereits vor der Besetzung eine Abrissbewilligung in Aussicht gestellt wurde. Und es gab strengere Auflagen gegen Bodum, dass die jetzt neu ein «bewilligungsfähiges und qualitativ hochstehendes Bauprojekt» vorweisen müssen, wenn sie abreissen wollen.

Andrea: Ja, aber geändert hat sich nicht viel. Beide Häuser sind nach wie vor leer. Und auch hier: Wo bis jetzt zehn Menschen wohnen, soll höchstens noch ein Materiallager hin.

Faber und Whirlpool

Aus dem Nebenzimmer ertönt ein Kinderschreien. Andrea steht auf und kommt mit dem drei Monate alten Baby im Arm zurück. Er wiegt es hin und her. «Lass uns eine Runde durchs Haus machen», meint er. In Gemeinschaftsraum spielt unterdessen ein junger Mann Gitarre, einige Scheinwerfer und ein Vorhang trennen eine Bühne vom Rest des Raumes ab. «Hier hat letzte Woche Faber gespielt», meint Andrea. «Da waren vielleicht so zweihundert Leute. Vielleicht sind es diese Veranstaltungen, die die Stadt meint. Aber wie du siehst, das Haus steht noch». Im Garten ein grosser Bauwagen, den Eingang zu einer Werkstatt und ein kleiner Pool, der mit einer grossen, hellblauen Plastikblache abgedeckt ist. Ein kleiner Holzofen ist an den Pool angeschlossen und heizt das Wasser bei Bedarf auf.

Kollektive Entscheidungsprozesse – der Albtraum der Stadt

Zurück im Gemeinschaftsraum. Eine junge Frau kommt mit einem Laptop in der Hand die Treppe runter. «Wir müssen denen von der Stadt ja irgendwas antworten!?», sagt sie und verschwindet mit einem Grüppchen in der Küche. «Es sind nicht mal alle Mieter*innen hier», meint Andreas und schüttelt den Kopf. «Das ist auch witzig, das kannst du schreiben. Die von der Stadt hassen kollektive Entscheidungsprozesse. Das haben sie bei unseren Bemühungen, mit ihnen an einen Tisch zu sitzen und geregelte Mietkonditionen zu diskutieren, immer durchblicken lassen. Keine Hierarchien, keine delegierten Verantwortlichkeiten. Das ist natürlich anstrengender für sie, weil sich die Leute wirklich mit den Themen auseinandersetzen und das macht es für sie kompliziert. Gleichzeitig verlangen sie, dass alle zehn Mieter*innen über Nacht das Papier unterschreiben, das Haus verlassen und sich mitten im Dezember irgendwie neu organisieren». Wir gehen durch das Treppenhaus zurück, vorbei an einem riesigen Plakat, auf dem das Monatsprogramm aufgelistet ist. Morgen sollte es Yoga geben, am Wochenende ein Theater für Kinder ab zwei Jahren. Immer donnerstags Mittagstisch und ein Liedermacherkonzert am Freitag. Andrea ereifert sich: «Über die letzten Wochen hinweg kamen fast täglich Beamte, Ingenieure und Handwerker, um das ganze Haus bezüglich Bausubstanz und Statik zu untersuchen. Aber stell dir vor, die haben dann tatsächlich auch alle Steckdosen überprüft. Laut denen soll ab morgen gar niemand mehr hier wohnen, weshalb müssen die dann jede einzelne Steckdose prüfen? Da ist doch was faul!»

Das Programm im Eichwäldli

Habt ihr extra ein Kinderprogramm zusammengestellt, um euch beliebt zu machen?

Simone: Ja klar… Nein Blödsinn. Wir sind nunmal zum Quartiertreff geworden. Es gibt zum Beispiel auch einen kleinen Gratisladen. Die Kids aus der Umgebung stehen da total drauf. Schliesslich ist ja das Tolle an diesem Raum, dass wir ihn so gestalten können, wie wir wollen. Und wir wollen nun mal in einer offenen Nachbarschaft leben.

Die junge Frau mit dem Computer kommt zurück. «Wir haben eine Architektin gefunden. Die wird ein unabhängiges Gutachten erstellen. Das können wir jetzt denen von der Stadt schreiben», meint sie und setzt sich in eine Ecke des Zimmers, um den Brief fertig zu schreiben. Das Kind von Andrea ist mittlerweile eingeschlafen. Er geht nach draussen auf die Veranda und lehnt sich ans Geländer. Es ist kalt, sein Atem hinterlässt kleine Wölkchen in der Luft. «Wenn die unser Wohnprojekt beenden, zerstören sie meine ganze momentane Lebensgrundlage. Der Ort, wo ich wohne, arbeite, lebe, wo mein Kind geboren wurde. Da versuchen Behörden ständig Quartiere zu beleben und zu durchmischen. Sie schreiben irgendwelche Konzepte und handeln Stellenprozente für soziokulturelle Animation aus. Das ist doch alles eine Farce. Und wenn es einfach so passiert, wie hier, dann müssen sie es kaputt machen. Aus Prinzip.»

Quelle: https://www.ajour-mag.ch/es-weihnachtet-sehr-wie-die-stadt-luzern-eine-wohngemeinschaftmit-kind-auf-die-strasse-stellt/?fbclid=IwAR1-KPibh7fCx89Nc9znE4ckjgi_9eN7X4ROdFsD62GVJYHu9hSIoXxSvIo

 

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Rechtsextrem und verbunden über Grenzen

Schweizer Rechtsextreme haben viele internationale Kontakte, doch ihre gesellschaftliche Bedeutung ist in der Schweiz geschrumpft.

An den vergangenen zwei Wochenenden fanden drei rechtsextreme Veranstaltungen in der Schweiz statt. Zuerst am letzten Novembersamstag in Basel eine Kundgebung gegen den „UN-Migrationspakt“, organisiert von der Partei National Orientierter Schweizer PNOS, zusammen mit der kleinen „Nationalen Aktionsfront NAF“ und dem Basler Polit-Clown Eric Weber, einst Volksaktion gegen zu viele Ausländer. Am ersten Dezember-Samstag dann nochmals die PNOS, rund siebzig Mitglieder sollen den „Parteitag“ in Melchnau/Kanton Bern besucht haben, nur über Videoschaltung anwesend war der US-amerikanische „Star-Gast“ Richard B. Spencer, bekannt als Anführer der amerikanischen AltRight-Bewegung. Er habe weder die USA verlassen, noch in die Schweiz einreisen dürfen, begründete die PNOS. Gleichentags lud die Westschweizer Gruppe „Résistance Helvétique“ einem Vertreter der italienischen Bewegung „Casapound“ zum Vortrag in ihr Parteilokal in Aigle/Kanton Waadt.

Doch der Schein trügt: Rechtsextreme Gruppen erreichen mit ihren Veranstaltungen zwar Öffentlichkeit, aber ihre gesellschaftliche Bedeutung ist geschrumpft. Sie konnten von Mitte der 1980-er-Jahre bis gegen 2010 in der Skinhead-Subkultur Sympathisanten wie Mitglieder mobilisieren, nun verschwindet diese Subkultur, da nur noch wenig männliche Jugendliche sie als attraktiv einschätzen. Nicht mehr öffentlich erreichbar sind auch die beiden Versände, die rechtsextreme Tonträger und Bücher unter die Leute bringen wollten. Noch aktiv hingegen ist die Kameradschaft Heimattreu, tätig in der Region Ausserschwyz samt Linthtal und nationalsozialistisch ausgerichtet. Sie sympathisieren mit den rechtsextremen Freiwilligen des ukrainischen Azov-Regimentes („Es wird die Zeit kommen, in dem auch wir uns unserem Schicksal stellen müssen.) Nach der Basler Demo lobte sich die Kameradschaft, ihre „Schnelle Eingreiftruppe“ sei angetreten, um die Basler PNOS-Demo zu schützen.

Sinkender Bedeutung in der Schweiz einerseits, stehen andererseits vermehrte internationale Beziehungen mit ausländischen Gleichgesinnten gegenüber. Neben Tobias Steiger (siehe Kasten) sprach an der Basler Kundgebung auch Karl Richter, Münchner Stadtparlamentarier der Liste „Bürgerinitiative Ausländerstopp“ und NPD-Mitarbeiter.

Im Sommer reiste eine PNOS-Delegation in die USA zum einem Kongress der American Freedom Party, welche die Vorherrschaft der Weissen anstrebt. Steiger posierte dabei strahlend mit dem Rassisten David Duke.

Zahlreicher waren die angekündigten internationale Redner am PNOS-Parteitag. Wie Spencer verhindert war dann der Berliner Lutz Urbanczyk, einst AfD-Aktivist, nun ausgetreten. Am Rednerpult stand hingegen der 24jährige Österreicher Markus Ripfl, der – nach rechtsextremen Auftritten – selbst für die FPÖ zu radikal war und heute seine eigene Kleinstpartei „Die Stimme“ betreibt. Angereist aus Olten, doch ungarischen Flair verbreitete Pàl Peter Walter, angekündigt als „Verwalter der Organisationen, Mi Hasànk“ (Mein Heimatland), einer Splitterpartei der „Jobbik“-Partei. Walter war bereits – als einziger Anzugsträger – an der Basler Demo aufgefallen.

Rechtsextremer Treffpunkt in Aigle
Traditionell besser vernetzt mit ausländischen Gesinnungskameraden sind die Westschweizer Rechtsextremisten. Jean-David Cattin, einst Exponent der Genfer Identitaires und Oberleutnant der Schweizer Armee gehört heute zu den führenden Kader der französischen Identitären. Die aktuell aktivste Gruppe Résistance Helvétique RH mobilisiert vorwiegend junge Männer und betreibt seit ein paar Monaten einen Vereinsraum in der Waadtländer Kleinstadt Aigle. RH strebt einen autoritären Staat an, inspiriert von den Vorstellungen faschistischer Bewegungen der 1930er-Jahre. Und von Italien kamen am vergangenen Samstag die Eingeladenen, aus dem nahen Aosta, Aktivisten der Bewegung „Casapound“. Sie sehen sich als „Faschisten des dritten Jahrtausends“ und sind heute in vielen Regionen Italiens aktiv.

Quelle: https://hans-stutz.ch/texte/rechtsextrem-und-verbunden-%C3%BCber-grenzen

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Solidarität mit Anni Lanz und den Stansted15

Am Tag der Menschenrechte, dem 10.12., wurden 15 Personen in England verurteilt, in der Schweiz am selben Tage die 72 Jährige Anni Lanz. Alle samt weil sie Menschen in Not halfen. Zu beiden Fällen wurde in Luzern ein Transparent gehangen um die vorbei fahrenden Menschen in Autos und Zügen aufmerksam zu machen.

annilanz

Der 10. Dezember ist der Tag der Menschenrechte. Und genau an diesem Tag wurden Menschen, welche anderen Menschen in Not halfen, verurteilt.

Die 72 jährige Anni Lanz wurde vom Bezirksgericht Brig (VS) verurteilt, da sie die illegale Einreise eines Asylsuchenden ermöglichte, so das Gericht. Im Klartext hat sie einem Menschen geholfen, der bereits an Erfrierungen litt, von Italien in die Schweiz zu kommen. In Italien war eine ärztliche Versorgung nicht möglich.

Im englischen Chelmsford nahe London wurden ebenfalls am 10. Dezember 2018 15 Menschen, die Stansted15, verurteilt, da sie «die Sicherheit eines Flughafens in Gefahr gebracht haben» – ein Vergehen, das im Rahmen des Terrorgesetzes im Extremfall mit lebenslanger Inhaftierung bestraft werden kann. Sie hatten am 28. März 2017 ein Flugzeug auf dem Flughafen Stansted blockiert und somit die Ausschaffung von vielen Menschen verhindert.

Absurde Urteile in noch absurderen Zeiten. (Reise-) Freiheit für alle! Solidarität mit allen Menschen auf der Flucht und mit allen Menschen in den Knästen… Gerichte sind zum Essen da. Basta!

#annilanz
#stansted15

Quelle: https://barrikade.info/Solidaritat-mit-Anni-Lanz-und-den-Stansted15-1703

 

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We all live in a yellow submarine

Für Samstag den 17. November, wurde erstmals eine Mobilisierung der sogenannten “Gelbwesten” über Facebook angekündigt. Der Aufhänger war die neue Treibstoff-Steuer die Anfang 2019 in Kraft treten sollte. Viele dachtenursprünglich an einen Flop dieser Mobilisierung, aber als dann am Sonntag den 18. November die Leute immer noch da waren, auch am Montag und Dienstag und so weiter, wurde doch vielen klar, dass das Fass wirklich voll zu sein scheint.

 

Naja, und seit dem 17. November sind mittlerweile drei Wochen vergangen und die Leute befinden sich immer noch auf der Straße und an irgendwelchen Blockaden. Seit Samstag den 1. Dezember spricht die Regierung nun deutlich von einer aufständischen Situation.

Jetzt stellt sich natürlich die Frage, was sind denn das für Leute die diese Situation herbeigeführt haben, und welche Ideen treiben sie an? Vor allem, da man ja ständig viele Nationalflaggen flattern sieht und immer wieder die französische Nationalhymne angestimmt wird. Uns ist hier in Frankreich natürlich auch aufgefallen, dass zum Beispiel in Berlin am letzten Samstag die AfD und Pegida mit Gelbwesten auf die Straße gegangen sind. In England waren es auch Rechtspopulisten die sich darauf beziehen und natürlich auch in Italien. In Deutschland wird die Bezugnahme der AfD und von Pegida auf die Gelbwesten mit großer Wahrscheinlichkeit dazu führen, dass sich die emanzipatorischen Kräfte davon eher distanzieren werden. Wir glauben hier, dass das ein Fehler sein wird.

Die Situation in Frankreich zu beschreiben ist nicht einfach, vor allem da es nicht eine Wahrheit gibt und wahrscheinlich auch nicht geben wird. Das muss zugegeben werden. Die Präsenz von rechtspopulistischen und sogar rechtsextremen Kräften in dieser Bewegung ist nicht zu leugnen. Das die Rechtspopulisten wie Le Pen aber auch die Linkspopulisten wie Melenchon versuchen werden das Ruder auf ihre Seite zu reißen, ist eine Tatsache. In diesem Sinne kann man natürlich eine Parallele zu der italienischen Situation sehen, wo die technokratische, neoliberale Regierung von Mateo Renzi von den beiden populistischen Extremen abgelöst wurde. Die Menschen die sich auf der Straße oder zwischen den verschiedenen Blockade-Punkten bewegen, sind aber ein heterogener Haufen, dessen einziger gemeinsamer Nenner bis jetzt, die antagonistische Haltung gegenüber der jetzigen Regierung und vor allem gegenüber Macron und seiner unglaublichen Arroganz ist. Darin sind natürlich die üblichen Verlierer der unteren Schichten anzusiedeln, aber nicht nur. Ein großer Teil entspringt auch einer Mittelschicht, die langsam ihr Verschwinden zu spüren bekommt. Die Vergleiche zu einer griechischen Situation wie vor 10 Jahren liegen hier ziemlich auf der Hand.

Die Regierung hat gestern, ein Moratorium für die Treibstoff-Steuer angekündigt. Doch die Bewegung hat sich mittlerweile gewandelt, und die Forderungen haben sich ausgeweitet. Der polarisierende Punkt der Treibstoff-Steuer, ist definitiv in den Hintergrund getreten und hat Platz für breitere Debatten, Diskussionen und Forderungen gemacht. Die Amtsenthebung Macrons, der hier als Präsident der Reichen betitelt wird, scheint heute ein großer gemeinsamer Nenner zu sein. Durch das Land geistert ein regelrechter Hass auf die Arroganz und Überheblichkeit dieser Welt von Eliten und Bonzen. Dass aus dieser Verachtung nicht nur emanzipatorische Ideen ihren Weg in die Herzen der Menschen finden, wissen wir nicht erst seit heute. Für uns hier ist es das, was auf dem Spiel steht. Und obwohl viele Genossen und Genossinnen anfangs sehr skeptisch waren, angesichts der vielen französischen Flaggen überall, scheint spätestens seit Samstag dem 24. November für viele klar zu sein, dass wir da sein wollen, mit unseren Vorstellungen einer emanzipierten Gesellschaft. Und somit denken wir auch, dass es wichtig sein wird, dass im Ausland die rechten Kräfte kein einfaches Spiel haben. Vor allem da wir glauben, dass das einen reellen Einfluss haben wird.

Auf jeden Fall, gab es schon einige erfreuliche Gegebenheiten, wie zum Beispiel, dass ein selbsternannter Sprecher der Gelbwesten in Toulouse, als Rechtsradikaler geoutet wurde und dass das ihm und seiner Popularität gar nicht gut bekam. Er hat sich auf Grund dieses Outings von der Bewegung getrennt und eine Splitterbewegung die sich die gelben Zitronen nennt gegründet.

gelbwesten

Dass mit den Sprecher*innen oder Repräsentant*innen ist übrigens ein ganz wesentlicher Bestandteil der Stärke dieser Bewegung. Bis jetzt wird jegliche Repräsentation abgelehnt. Jedes mal wenn selbsternannte Sprecher*innen versuchen wollen die Bewegung zu führen, bekommen sie massiv Morddrohungen usw.. Die Regierung hatte letzte Woche zum Beispiel 7 Repräsentanten eingeladen. 5 davon haben aus Angst vor Repressalien abgelehnt.

Das Misstrauen gegenüber jeglicher Form von Repräsentation ist wirklich groß. Misstrauen gegenüber Politiker*innen, Gewerkschaften, Organisationen usw., zeichnet sich auch mehr und mehr als ein großer gemeinsamer Nenner der Bewegung ab. Und ohne Repräsentant*innen kann es keine Verhandlungen geben. Dementsprechend wird das ein ausschlaggebender Punkt sein. Am Sonntag den 9. Dezember ist in Toulouse eine Großversammlung der Bewegung auf nationaler Ebene ausgerufen worden, mit der Idee Repräsentant*innen zu wählen. Das stößt bis jetzt auf viel Ablehnung. Bleibt zu hoffen, dass die Versammlung ein Flop wird.

Was auch ein interessanter Punkt ist, ist natürlich die einfache Tatsache, dass sich Menschen begegnen. Gestern noch konnten wir auf einer kleinen Blockade ein langes Gespräch mit einer Frau führen, die erzählte, dass viel über Rassismus und Faschismus diskutiert wird und dass das bei ihnen anfangs recht problematisch war, aber dass sich da vieles geändert hat, in den letzten drei Wochen. Wenn Menschen sich begegnen und ihre Realitäten miteinander konfrontieren, kann das immer etwas verändern. Dass ist auch der Grund wieso wir diese Bewegung nicht desertieren werden und wieso wir finden, dass es wichtig ist, das in Europa, den Rechten das Ganze nicht einfach gemacht wird.

Auf die Frage, wie in diesem ganzen Chaos intervenieren, konnten wir uns bis jetzt nur ein paar Antworten geben. Eine davon ist sicherlich, dass wir nicht die Stereotypen von linken Aktivist*innen reproduzieren wollen, sprich; wir wollen nicht mit ewig langen, moralisierenden Pamphleten die von einer externen Position daherkommen, da antanzen. Wir wollen da Teil sein, weil dass auch unsere Gesellschaft und unsere Zukunft ist. Gedankengut einer emanzipierten Gesellschaft entwickeln, mitdenken und fähig sein zuzuhören und vor allem wollen wir auch fähig sein, uns selbst auch verändern zu lassen. An diesem Punkt der Geschichte müssen wir uns eingestehen, dass wir ihren Ausgang nicht kennen und wahrscheinlich ist das auch besser so.

Ein weiterer Umstand dem mittlerweile auch eine zentrale Rolle zukommt, ist die Polizeigewalt. Für viele Menschen, die in den letzten Wochen auf der Straße waren, war die Konfrontation mit der staatlichen Repression ein Novum, und hat einen starken Hass gegen die Staatshüter*Innen mit sich gebracht. In Toulouse liegt seit letzten Samstag eine Person im Koma auf Grund eines Flashball-Schusses am Kopf. In Marseille ist eine 80jährige Frau von einer Gasgranaten-Kartusche am Brustkorb getroffen worden und daran gestorben als sie in ihrer Wohnung war. Heute während wir diese Worte schreiben, zeigt der Kalender den 6. Dezember 2018. Vor genau zehn Jahren war es der 6. Dezember 2008…

Quelle: https://barrikade.info/We-all-live-in-a-yellow-submarine-1687

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»USA müssen zum Frieden gezwungen werden«

Über die Lage der Arbeiterklasse, den Nahen Osten und den Kampf gegen den Kapitalismus. Ein Gespräch mit Noam Chomsky anlässlich seines 90. Geburtstages

chomsky

Seit dem Crash der US-Investmentbank »Lehman Brothers« und dem Ausbruch der größten Wirtschaftskrise nach dem Zweiten Weltkrieg sind zehn Jahre vergangen. Der Aktienmarkt in den USA boomt wieder. Was hat die Bevölkerung davon?

An der Börse schwanken die Kurse derzeit. Aber es stimmt, der Markt boomt seit einigen Jahren. Der Aktienbesitz ist in nur wenigen Händen konzentriert. Die Mehrheit der Bevölkerung hat davon nichts. Der Aufschwung am Aktienmarkt hat auch nur geringen Einfluss auf die Wirtschaft.

US-Präsident Donald Trump konnte sich bei seinem Wahlsieg auf große Teile der Arbeiterklasse stützen, die enttäuscht waren von seinem Amtsvorgänger Barack Obama. Welcher Präsident hat mehr für die Lohnabhängigen im Land umgesetzt?

Legt man die Reallohnentwicklung zugrunde, nehmen sich die beiden nichts. Unter Obama stiegen die Reallöhne zunächst an, stagnierten im Laufe seiner Amtszeit, und obwohl die Erwerbslosigkeit gering war, blieb das Lohnniveau nahezu unverändert. In bezug auf die Schaffung von Arbeitsplätzen übertrumpft Trump Obama nur mit großem Geschrei, aber nicht bei der Umsetzung seiner Versprechungen. Der Hauptunterschied ist, dass für die Arbeiterklasse durch die Politik von Obama einige Vorteile entstanden. Insbesondere der »Patient Protection and Affordable Care Act« (»Obamacare«) brachte einige Verbesserungen in dem skandalös ineffektiven und privatisierten US-Gesundheitssystem.

Trump senkt die Steuern für Unternehmen und die Milliardäre. Warum wurde er zum Präsidenten gewählt?

Das hat mehrere Gründe. Abgesehen von den Superreichen und dem Unternehmenssektor, seiner Kernklientel, sind die meisten seiner Wähler nur mäßig wohlhabend bis kleinbürgerlich. Eine riesige Geldflut sorgte dafür, dass in den letzten Wochen des Wahlkampfs die Stimmen für den Kongress und für den Präsidenten ins Lager der Republikanern wanderten. Trump hat die Stimmen der einflussreichen evangelikalen Christen in seiner Tasche. Interessanter ist die Arbeiterklasse, in der viele für Obama gestimmt hatten, aber durch die leeren Versprechungen desillusioniert wurden. Die Demokraten haben die Arbeiterklasse vor Jahrzehnten aufgegeben und sie ihrem erbitterten Klassenfeind überlassen, der sie zu anderen Themen anspricht: weiße Vorherrschaft, Religion, Fremdenfeindlichkeit, Patriotismus und so weiter. Von entscheidender Bedeutung sind die dramatischen Phänomene, die auch in Europa zu beobachten sind: Die neoliberale Sparpolitik der vergangenen Jahre hat das Vermögen in wenigen Händen konzentriert, während die Einkommen der Mehrheit stagnierten und Sozialleistungen gekürzt wurden. In den USA sind die Reallöhne von Arbeitern, die nicht in leitenden Funktionen eingesetzt wurden, tatsächlich niedriger als 1979, bevor der neoliberale Angriff unter Ronald Reagan begann. Die Mittel zur Erlangung der politischen Herrschaft sind offensichtlich: Die Konzentration des Reichtums führt zu einer Konzentration der politischen Macht. All dies führt zu Wut, Groll und Verachtung für die etablierten politischen Parteien, wobei viele Menschen leicht Demagogen zum Opfer fallen und ihren berechtigten Ärger gegen Sündenböcke richten; in der Regel gegen Menschen, die noch stärker benachteiligt sind.

Welche Strategie verfolgt die US-Regierung im Nahen Osten?

Die bedeutendste Änderung der US-Außenpolitik betrifft den Nahen Osten, wo die Trump-Regierung ein Bündnis mit den reaktionärsten arabischen Staaten – Saudi-Arabien, Vereinigte Arabische Emirate, Ägypten unter der brutalen Militärdiktatur – und Israels schmiedet. Es soll gegen eine angebliche Bedrohung durch den Iran in Stellung gebracht werden, damit die USA und Israel ungehindert Gewalt ausüben können. Der Austritt aus dem erfolgreichen Atomabkommen mit Iran verstärkt diese Bedrohung. Die größten Opfer verzeichnen die Menschen im Jemen. Zehntausende starben dort an Hunger und Krankheiten durch die Bombardements von Saudi-Arabien, die von den USA unterstützt werden. Weitere Opfer sind die Palästinenser, denen nicht mal mehr Mitleid vorgetäuscht wird, die das bittere Schicksal der grausamen israelischen Herrschaft erleiden müssen.

Sehen Sie eine Chance für Frieden im Nahen Osten?

Es hängt davon ab, ob die USA gezwungen werden können, ihre ablehnende Haltung aufzugeben, die sich besonders unter der Obama-Regierung verstärkt hat. In den USA beruhte die starke Unterstützung der israelischen Politik auf liberalen Bevölkerungsschichten. Das hat sich dramatisch verändert, in der Bevölkerung, aber auch in der politischen Elite. Die hauptsächliche Unterstützung kommt jetzt von fundamentalistischen Christen und von ganz rechts.

Haben Sie Hoffnung, dass eine fortschrittliche Bewegung in den Vereinigten Staaten eine friedlichere und sozialere Gesellschaft erkämpfen kann?

Davon bin ich überzeugt. Der bemerkenswerteste Aspekt der Wahlen im Jahr 2016 war nicht der Sieg – mit einer Minderheit der Stimmen – eines Milliardärs mit enormer Unterstützung durch den Unternehmenssektor, der Schwerreichen und der großen Medien, die offen für seine Kampagne warben, ohne sich auch nur einen Anschein von Unabhängigkeit zu geben. Es war vielmehr die Kampagne von Bernie Sanders, die mit einem Gesetz der US-amerikanischen Geschichte gebrochen hat, das länger als ein Vierteljahrhundert galt. Bis dato konnte die Gewinnchance eines Kandidaten über die einzige Variable, die der Spenden, mit bemerkenswerter Genauigkeit vorhergesagt werden. Sanders hingegen war fast unbekannt, hatte keine Geldgeber von einer der üblichen Quellen, wurde entweder von den großen Medien ignoriert oder lächerlich gemacht – und hätte die Nominierung der Demokratischen Partei vielleicht gewonnen, wenn Parteimanager dies nicht verhindert hätten. Er ging aus dem Wahlkampf als populärste politische Figur des Landes hervor. Die Volksbewegungen, die durch seine Kampagne mobilisiert wurden, haben sich mit anderen Aktivisten verbündet. Dies könnte in den kommenden Jahren einen wesentlichen Unterschied machen.

Quelle: https://www.jungewelt.de/artikel/344970.90-geburtstag-von-noam-chomsky-usa-m%C3%BCssen-zum-frieden-gezwungen-werden.html

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Hannibals Schattenarmee

Soldiers of German KSK attend exercise close to PutgartenAm 13. September 2017, einem Mittwoch, bekommt André S. in Sindelfingen Besuch vom Geheimdienst der Bundeswehr. Mal wieder. S. ist Soldat beim Kommando Spezialkräfte in Baden-Württemberg. Er gehört zu den am besten ausgebildeten Soldaten der Bundeswehr, ein Elitekämpfer. Der Mann, der ihn besucht, ist ein Oberstleutnant des Militärischen Abschirmdiensts. Er ist gekommen, um S. über rechtsextreme Tendenzen in seiner Kompanie zu befragen.

Für S. ist das kein ungewöhnlicher Termin. Seit Längerem schon trifft er sich regelmäßig mit dem MAD. Die Aufgabe des Nachrichtendiensts der Bundeswehr ist es, extremistische Entwicklungen innerhalb der Armee zu erkennen und zu verhindern. Der MAD nennt S. eine „Auskunftsperson“.

An diesem Tag im September bekommt S. für seine Auskünfte offenbar etwas zurück: Der MAD-Mann berichtet ihm wohl von Ermittlungen des Generalbundesanwalts gegen ein geheimes Netzwerk von Männern, die geplant haben sollen, Politiker und Aktivisten aus dem linken Spektrum zu töten. Die Bundesanwaltschaft sieht darin die Vorbereitung einer schweren, staatsgefährdenden Gewalttat – Terror also.

Von den Razzien, die es kurz zuvor in Norddeutschland gegeben hat, weiß André S. zu diesem Zeitpunkt bereits. An diesem 13. September soll er aber erfahren haben, dass weitere Durchsuchungen und Befragungen kurz bevorstehen. So steht es in einer Anklageschrift des Amtsgerichts Köln, das zurzeit einen Prozess gegen den MAD-Mitarbeiter wegen Verletzung des Dienstgeheimnisses führt.

Prepper und eingewecktes Gemüse

Denn: André S. soll dadurch gewarnt worden sein. Und S. ist niemand Geringeres als der Kopf eines bundesweiten Netzwerks, das im Zentrum weitreichender Ermittlungen steht. Sein Deckname ist Hannibal.

Seit einem Jahr recherchiert ein Team der taz zu der Frage: Gibt es ein rechtes Untergrundnetzwerk in Deutschland, in dem sich Regierungsgegner vernetzen, radikalisieren und gezielt auf bewaffnete Kämpfe vorbereiten? Gibt es ein Netzwerk, das hineinreicht in deutsche Behörden, in Verfassungsschutzämter und bis in die oberen Etagen der Bundeswehr?

Dabei stießen wir auf Prepper, die sich mit eingewecktem Gemüse versorgten, recherchierten zu Ermittlungen der Bundesanwaltschaft, deren Beamte zunächst glaubten, Rechtsterroristen in Norddeutschland gefunden zu haben. Wir lasen geheime Telegram-Chats und redeten mit Männern, die zwar bei rechtsextremen Verlagen Bücher bestellten, aber ihre völkische Gesinnung nicht für bedenklich hielten.

Als wir im Dezember 2017 den ersten größeren Text über das „Kommando Heimatschutz“ veröffentlichten, wussten wir noch nicht, wer sich hinter dem Pseudonym Hannibal verbarg. Hannibal, sagte uns jemand, sei der Administrator eines bundesweiten Chatnetzwerks sogenannter Prepper. Wir fragten uns damals: Ist es denkbar, dass Hannibal Mitglied der Bundeswehr ist und direkt aus der Bundeswehr heraus ein Untergrundnetzwerk mitaufgebaut hat?

Wir kennen Hannibals Namen

Heute kennen wir Hannibals vollen Namen. André S., geboren 1985 in Halle an der Saale, ist Mitglied des Kommandos Spezialkräfte der Bundeswehr in Calw. Er ist Gründer und Vorsitzender eines Vereins mit Postadresse in Dormagen, Nordrhein-Westfalen, in dem sich Elitekämpfer organisieren. Aus Gründen des Persönlichkeitsschutzes kürzen wir seinen Nachnamen ab.

Nach einem Jahr fügt sich aus unseren Recherchen ein Bild, das keinen anderen Schluss zulässt: Überall in Deutschland, auch in Österreich und der Schweiz, haben sich Gruppen formiert, die daran arbeiten, einen eigenen Staat im Staate aufzubauen. Mitglieder in diesen Gruppen sind Polizisten und Soldaten, Reservisten, Beamte und Mitarbeiter des Verfassungsschutzes, die unter konspirativen Bedingungen einen Plan hegen: Wenn sie die Zeichen sehen, wenn „Tag X“ da ist, wollen sie zu den Waffen greifen.

Manche ihrer Pläne sind erschreckend konkret. Der Focus schreibt von einer „Untergrundarmee“. Wie ein Netz sind die Gruppen miteinander verbunden. Unsere Recherchen ergeben, dass die einzelnen Fäden immer wieder zu einer Person führen: Hannibal.

Wer ist dieser Hannibal? Wie kann es sein, dass administriert vom Gelände der Graf-Zeppelin-Kaserne in Calw bundesweit extremistische Zellen entstehen? Und wie kann es sein, dass der MAD Hannibal sogar noch warnt?

Misstrauen an den Staatsdienern

Ende August 2017. Der Generalbundesanwalt lässt in Mecklenburg-Vorpommern Wohnhäuser und Büros durchsuchen. Unter anderem von einem Anwalt und einem Kriminalpolizisten. Der Vorwurf: Sie sollen sich verabredet haben, an einem „Tag X“ Politiker und Menschen aus dem linken Spektrum festzusetzen oder zu liquidieren. Die Ermittlungen dauern an.

Das Besondere damals ist: Die Staatsanwälte der Bundesanwaltschaft misstrauen den Staatsdienern im Norden. Landespolizisten werden nicht einbezogen. Selbst der Innenminister Mecklenburg-Vorpommerns wird erst unmittelbar vor den Razzien informiert. Denn der verdächtige Anwalt und der Polizist agierten nicht allein. Sie weihten in ihre Pläne unter anderem einen SEK-Polizisten und einen ehemaligen Soldaten ein, der damals noch einer Reservistenkompanie vorstand, die sich auf einen Einsatz beim G20-Gipfel in Hamburg vorbereitete.

Diese Männer sind Teil einer größeren Gruppe, die sich auf Katastrophen vorbereitet, Stromausfälle, Stürme und Nahrungsmittelknappheit, auf Momente, in denen der Staat seine Bürger nicht mehr versorgen kann. Sie organisieren sich in mehreren Chatgruppen in Norddeutschland. Eine von ihnen heißt Nordkreuz, eine heißt Nord.Com, mal geht es darin um Impfstoffknappheit, mal um Truppenbewegungen in Osteuropa.

Eine dritte Gruppe heißt Nord. Es ist Hannibal, der diese Gruppe mit vertraulichen Informationen und Lagebildern aus dem Inneren der Bundeswehr versorgt. In der Gruppe erzeugen seine Nachrichten das Gefühl, zu einem inneren Zirkel zu gehören, der einen Wissensvorsprung hat. Es ist auch kein Zufall, dass diese Gruppen im Herbst 2015 entstehen, denn es geht auch um die Flüchtlingspolitik der Bundesregierung – und wie man sich dagegen wehren kann.

Wettschießen bei der Geburtstagsfeier

An einem Abend Anfang 2017 treffen sich vier Männer, darunter der beschuldigte Polizist sowie ein weiterer und der Reservist bei einem Stehimbiss an einer Landstraße nahe Schwerin. Sie sprechen über Lagerhallen, in denen sie am „Tag X“ ihre politischen Gegner internieren wollen. Könnte der Kompaniechef der Reservisten im Ernstfall dafür nicht Lastwagen der Bundeswehr organisieren?

Ließen sich so auch mögliche Straßenkontrollen überwinden? Sie reden auch über Erschießungen. Im Laufe des Gesprächs soll auch das Wort „Endlösung“ gefallen sein. Das sagen Menschen, die mit den Vorgängen betraut sind, der taz.

Sie erzählen auch: Der beschuldigte Anwalt hatte bei Geburtstagsfeiern hinter seinem Haus ein Wettschießen veranstaltet und einen Wanderpokal dafür ausgelobt – benannt nach Mehmet Turgut, einem Mann, den die rechtsextremistische Terrorzelle NSU im Jahr 2004 erschossen haben soll. In Rostock. Sein Mord ist bis heute nicht aufgeklärt.

Aus Ermittlungsunterlagen, die der taz vorliegen, geht hervor, dass Mitglieder dieser Nord-Gruppe bereits Depots mit Treibstoff, Nahrungsmitteln und Munition angelegt haben sollen. Jeder von ihnen zahlte dafür etwa 600 Euro in eine gemeinsame Kasse. Jenseits der Chatgruppe gab es noch weitere Unterstützer – etwa den Betreiber eines Schießstandes Nahe Rostock. Er verließ zwar den Chat, verkaufte den Mitgliedern aber weiterhin Waffen. Oder ein Ausbilder am Fliegerhorst der Bundeswehr in Laage, wo Eurofighter stationiert sind. Er lud seine Freunde nach Dienstschluss in den Sicherheitsbereich. Dort durften sie im Flugsimulator den Eurofighter fliegen.

Die Süd-Gruppe

Nach den Razzien vom August 2017 war der Aufklärungswille des zuständigen Innenministers, Lorenz Caffier (CDU), überschaubar. Er richtete eine sogenannte Prepper-Kommission ein. Befund bislang: Es gibt kein Problem. Einen Bericht hat die Kommission ein Jahr später noch nicht vorgelegt.

Es gab aber in dem Chatnetzwerk nicht nur die Nord-Gruppe. Es gab: Ost, West, Süd – organisiert entlang der geografischen Aufteilung der Wehrbereichsverwaltung. Außerdem: Österreich und die Schweiz. Auch in Süd, der größten und aktivsten Gruppe, war Hannibal der Administrator.

Das ist die Gruppe, in der der frühere Bundeswehrsoldat Franco A. Mitglied war. Das Auffliegen Franco A.s war einer der größten Bundeswehrskandale der letzten Jahre. Ein Soldat, der mutmaßlich rechtsextreme Terroranschläge geplant hat – und niemand, nicht seine Vorgesetzten, nicht der MAD, wollten etwas bemerkt haben?

Franco A. war nicht nur passiv Mitglied in der Süd-Gruppe. Einmal war er bei Hannibal zu Hause, einmal nahm er mit Hannibal an einem Treffen in Albstadt teil, bei dem die Handys im Auto gelassen wurden. Es war ein Treffen in einem Schützenverein.

Die Bundesanwaltschaft ermittelt

Franco A. warb auch neue Mitglieder für die Süd-Gruppe. Zum Beispiel einen Händler von Waffenteilen, bei dem A. zuvor Zubehör gekauft hatte, als Barkauf, damit sein Name nicht auf der Rechnung auftauchte. Dem Händler hatte A. auch gesagt, bei der Süd-Gruppe handele es sich um eine besondere Gruppe innerhalb der Bundeswehr.

Als Hannibal erfährt, was Franco A. vorgeworfen wird, gibt er umgehend Anweisung, alle Chats zu löschen: Nord, Süd, West, Ost. Es hätte kein gutes Licht auf die Richter, Beamten und Soldaten in den Chatgruppen geworfen, wird er später sagen, wenn man sie mit Franco A. in Verbindung brächte.

Weil Franco A. auffliegt, ermittelt die Bundesanwaltschaft. Jetzt gerät das Netzwerk unter Druck. Wie schon in Norddeutschland legen sie auch in der Süd-Gruppe sichere Treffpunkte und Unterkünfte fest, in denen sich die Mitglieder am „Tag X“ treffen können.

Bei der Vernehmung wollen die Ermittler von Hannibal wissen, wie viele solcher „Safe-Häuser“ es in Deutschland gebe – und wo diese sich befinden. André S. antwortet: überall. Sogar das Autohaus seiner Eltern hatte er im Chat als solches vorgeschlagen.
Kaserne erfolgreich übernommen

Es ist bisher noch unklar, was diese „Safe-Häuser“ genau ausmacht. Den Ermittlungsbehörden bereiten diese Orte Kopfzerbrechen. Es gibt sie in Nürnberg und Ulm, in Lenggries und Bad Tölz und auch die Graf-Zeppelin-Kaserne in Calw, wo das KSK stationiert ist, wurde in der Chatgruppe Süd als ein solcher Ort definiert – vorausgesetzt allerdings, man habe im Krisenfall die Kaserne bereits erfolgreich übernommen.

Franco A.s Verhaftung führt schließlich dazu, dass deutschlandweit Bundeswehrkasernen nach NS-Devotionalien durchsucht und Soldaten auf ihre Gesinnung überprüft werden. Das Verteidigungsministerium will aufräumen, Soldaten wie Franco A. sollen künftig schneller auffallen. Rechtsextreme Kameraden sollen die Bundeswehr verlassen.

Hannibal bleibt.

Der Deckname Hannibal und der bürgerliche Name André S. kursieren im vergangenen Jahr unter Sicherheitspolitikern im Bundestag. Ihnen gegenüber muss der MAD zugeben, dass er Hannibal schon lange kennt, der scheinbar so bereitwillig Auskunft gibt. Und obwohl auch dort bekannt wird, dass die Nord-Chatgruppe Äquivalente in anderen Landesteilen hat, heißt es: Menschen, die Konservendosen horten, sind doch harmlos.

Dabei möchte der MAD von Hannibal auch wissen: Was weiß er über diese Abschiedsfeier, die einen Gerichtsprozess nach sich zog?

Helden des rechtsextremen Milieus

Frühjahr 2017, auf einem Schießstand nahe Stuttgart feiert ein Kompaniechef des KSK seinen Abschied. Seine Soldaten lassen ihn einen Parcours absolvieren, lassen ihn Bogen schießen und Köpfe von Schweinen werfen. Als Belohnung haben sie eine Frau eingeladen, mit der er Sex haben soll. Es kommt nicht dazu, sagt die Frau später aus. Der Kompaniechef sei zu betrunken gewesen.

Sie erzählt auch, dass auf der Feier Musik der rechtsextremen Band Sturmwehr gespielt worden sei. Der Kompaniechef und andere hätten dann den Hitlergruß gezeigt.

Auf Anfrage der taz möchte der Militärische Abschirmdienst nicht mitteilen, ob ihre Auskunftsperson Hannibal an jenem Abend mitgefeiert hat. Der MAD hat ein Interesse daran, Hannibal zu schützen.

Im KSK hat der MAD fast keine Quellen, der Kontakt zu Hannibal ist wertvoll. Das Kommando, das streng abgeschirmt operiert, pflegt ein Eigenleben. Im Jahr 2004 war der berüchtigte KSK-Kommandeur Reinhard Günzel ohne Dank entlassen worden, nachdem er die antisemitische Rede des heutigen AfD-Abgeordneten Martin Hohmann in einem Bundeswehrschreiben gelobt hatte. Später wurde Günzel zum Helden im rechtsextremen Milieu.

Kontakt per Mail

Im September fragen wir das Bundesverteidigungsministerium nach Uniter. Ein Verein, den Hannibal vor Jahren gegründet hat, in dem sich ehemalige und aktive Mitglieder von Spezialeinheiten vernetzten. Ein Sprecher des Ministeriums antwortet schriftlich: Das Ministerium verfüge über keine weiteren Kenntnisse zu Uniter als die „öffentlich zugänglichen“. Zu diesem Zeitpunkt war Hannibal bereits Auskunftsperson des MAD. Der MAD ist direkt dem Ministerium unterstellt.

Die Bundesregierung muss natürlich keine Informationen an die Presse geben, die sie aus nachrichtendienstlicher Aufklärung hat. Sie muss aber auch nicht lügen.

Uns interessiert in unserer Anfrage auch: Nutzt Uniter Liegenschaften der Bundeswehr? Üben die Vereinsmitglieder mit Bundeswehreigentum? „Es liegen hierzu keine Informationen vor“, schreibt das Ministerium. Weiß denn das Ministerium etwas darüber, dass sich KSK-Soldaten als Prepper weiterbilden? „Keine Erkenntnisse.“

Als wir schließlich den bürgerlichen Namen von Hannibal kennen und André S. selbst im April 2018 per Mail kontaktieren, erhalten wir 23 Minuten später eine Antwort. Er schreibt: „Prinzipiell schreiben und kommunizieren wir nicht mit der Presse, da die Masse der Mitglieder der Geheimhaltung unterstehen und jegliche Verbindungen das Leben von Mitgliedern und deren Familien beeinträchtigen könnte.“ Weiter heißt es: „Sollten weitere Fragen und Bedrängungsversuche von ihrer Seite aus kommen, müssen wir den Militärischen Abschirmdienst etc. informieren.“

Uniter also, ein Verein, dessen Gründer ein bundesweites Chatnetzwerk mit vertraulichen Informationen aus deutschen Behörden belieferte; der den unter Terrorismusverdacht verhafteten Soldaten Franco A. in seiner Chatgruppe hatte; und der auch diejenige Chat-Gruppe in Norddeutschland administrierte, deren Mitglieder an einem „Tag X“ mit Bundeswehrlastwagen politische Gegner in Lager fahren wollten – dieser Verein also möchte im Falle von Presseanfragen den Militärischen Abschirmdienst informieren.

Die Elite der Bundeswehr vernetzen

Natürlich interessiert uns daher, worum es sich bei Uniter handelt. Uniter, das bedeutet, auf Latein: „In Eins verbunden“. Der Verein möchte die Elite der deutschen Bundeswehr vernetzen.

Dafür gibt es auch gute Gründe: Oft scheiden KSK-Soldaten im Alter von 35 Jahren aus dem Verband aus, die Auslandseinsätze entfallen – und damit Auslandsbezüge und Gefahrenzulagen der Soldaten. Plötzlich ist weniger Geld auf dem Konto. Uniter könnte da eine Hilfe sein. In dem Netzwerk sollen sich aktuelle und ehemalige Soldaten gegenseitig unterstützen. Viele von ihnen haben Sicherheitsfirmen oder Kampfsportschulen gegründet, andere sind weiter beim Militär. Im Online-Shop werden Krawatten, Manschettenknöpfe und Siegelringe mit dem Uniter-Emblem verkauft: Schwert und Kreuz, umfasst von einem Eichenkranz.

Auf Facebook lädt Uniter ein zu einem Marsch auf eine Burgruine in Baden-Württemberg, um Veteranen zu gedenken. Ein anderes Mal treffen sich Uniter-Mitglieder in einer Bundeswehrkaserne bei Berlin. Hier gibt sich der Verein offen für Interessierte. Eine Gruppe lädt die taz schließlich ein.

Es ist ein Samstagmorgen im September dieses Jahres. In einer Kampfsporthalle in Berlin-Köpenick erklärt ein Trainer, Messerkampf brauche viel Übung, Jahre, es sei eine der gefährlichsten Disziplinen. Die Männer, ein Sicherheitsmitarbeiter vom Flughafen, ein Personenschützer und ein Polizeiausbilder, ahmen die Bewegungen des Russen nach. Sie wollen vorbereitet sein.

Also üben sie mit Kunststoffmessern, wie es wohl wäre, jemandem die Klinge durch die Kehle zu ziehen? „Um jemanden mit dem Messer zu töten, muss man ihn am Oberschenkel treffen, dann in den Bauch, dann in den Hals.“ So erklärt es der Trainer auf russisch. Einer muss übersetzen. Das klingt dann so: „Schneiden, schneiden, schneiden.“

Nur ein Spiel?

Auch Uniter ist, wie die Chatgruppen, in die Distrikte Nord, Süd, Ost und West gegliedert. Auch hier gibt es Ableger in Österreich und der Schweiz. Auch hier kennen sich viele Mitglieder nicht über ihre eigenen Distrikte hinaus. Einer der Distriktleiter-Ost ist ein Polizeiausbilder. Uniter hat auch schon mal Spenden für Obdachlose gesammelt, der Verein ist wiederum Teil eines Ritterordens. Mehrere Mitglieder sind auch Freimaurer. Ungefragt erklärt der Polizistenausbilder im Gespräch mit der taz: Jedes neue Mitglied werde überprüft, Extremismus nicht geduldet. So steht es auch in der Satzung des Vereins.

Franco A. hatte seinem Waffenhändler Uniter empfohlen. Der Verein dementiert, dass A. formal Mitglied gewesen war.

Der MAD interessiert sich für Uniter, will ein Gefühl für die Vereinigung bekommen, lässt sich von Hannibal erzählen, was er da so macht. Hannibals Gesinnung ist dagegen nie Gegenstand einer MAD-Überprüfung.

Als die Ermittler des BKA André S. im vergangenen Jahr befragen, worauf er und die anderen Prepper sich denn vorbereiteten, sagt er: Es gehe in diesen Chats nur um Planspiele. Und er wird sagen, eine gesunde Vorbereitung mache ja heutzutage jeder, der im Staatsdienst arbeite.

Alles nur ein Spiel? Im Süd-Chat hatte Hannibal vor Jahren geschrieben, dass sich das Autohaus seiner Eltern als Safe-Haus eigne. Bei einer Durchsuchung finden die Ermittler in deren Wohnhaus eine Kiste mit Übungsgranaten aus den Beständen der Bundeswehr und Zünder. Was er dazu sagen könne, fragen sie Hannibal im September 2017 und weisen darauf hin, dass er sich nicht selbst beschuldigen muss. Hannibal sagt, er wolle darauf nicht antworten.

Keine gewaltbereiten Rechtsextremisten festgestellt

Zwei Wochen später, Anfang Oktober 2017, wird der MAD-Oberstleutnant Peter W., Kontaktmann Hannibals, von der Wehrdisziplinar-Anwaltschaft befragt. Sie werfen ihm vor, Interna verraten zu haben. Peter W. fungiert beim MAD als Ansprechpartner für Generalbundesanwalt und Bundeskriminalamt. Die Staatsanwaltschaft Köln hat Anklage gegen ihn erhoben.

Der Generalbundesanwalt führt Hannibal nicht als Beschuldigten. Das KSK hat er inzwischen verlassen.

Als an diesem Freitag der Chef des Militärischen Abschirmdienstes, Christof Gramm, im Bundestag befragt wird, sagt er: „Wir haben keine gewaltbereiten Rechtsextremisten festgestellt.“ Und: „Eine Vernetzung von gewaltbereiten Extremisten innerhalb der Bundeswehr findet daher auch nach unserer Wahrnehmung nicht statt.“

Quelle: http://www.taz.de/!5548926/

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