In letzter Zeit können wir in den verschiedensten etablierten Zeitungen immer öfters über Neonazi-Grüppchen wie die “Junge Tat” lesen. Dieser Hype hat uns dazu veranlasst, unsere Diskussionen dazu und vor allem auch unsere Kritik an einem bürgerlichen Antifaschismus und dessen medialen Darstellung des Faschismus zu veröffentlichen. Dafür ist es wichtig zu verstehen, wie er sich in unserer Gesellschaft bewegt und woher diese Ideologie kommt.
Der Faschismus gehört zur kapitalistischen Gesellschaft, wie eine Pflanze in die Erde, sie ist ihr Nährboden. Diese wirtschaftliche Ordnung basiert auf der Ausbeutung des Menschen durch den Menschen. Doch nicht alle Ausbeutungsverhältnisse sind gleich und es gibt Unterschiede, wie die der Überausbeutung. Von dieser sind insbesondere Menschen im globalen Süden und im lokalen, prekarisierten Niedriglohnsektor Arbeitenden betroffen. Diese Ungleichheit unter den Ausgebeuteten kann dazu genutzt werden, sie gegeneinander auszuspielen. Dass es immer Menschen gibt, die unter noch schlechteren Arbeitsbedingungen malochen müssen, schürt die Angst davor abzusteigen und diese wird mittels kulturellem Rassismus noch verstärkt. Eine repressive Migrationspolitik stellt genau diesen Zustand sicher und eine rassistische Kultur wird aufrechterhalten, um die Menschen dazu zu veranlassen, nach unten, zu den noch mehr Ausgebeuteten zu treten, statt nach oben, zu denen, die von diesen Verhältnissen profitieren.
Reproduktive Arbeit, also Arbeit die Ware Arbeitskraft reproduziert, sei es wortwörtlich durch das Gebären, Erziehen und Pflegen oder durch Putzen, Kochen etc., wird zum grössten Teil von Frauen oder Menschen die von der Gesellschaft in diese Rolle gedrängt werden, verrichtet. Diese Art von Arbeit ist vollkommen entwertet, denn die Kosten für diesen essentiellen Beitrag zur Gesellschaft können durch diese Entwertung des als “weiblich” verstandenen, externalisiert werden. Um die Profite der Reichen zu schützen, muss dieses Verhältnis also weiter bestehen, denn ansonsten müsste der so geschaffene und erhaltene Reichtum der Menschheit auch wirklich unter den Menschen, die dafür den Aufwand tragen verteilt werden.
Um die bestehenden Verhältnisse aufrechtzuerhalten, ist es also oft im Interesse der Herrschenden, die rückwärtsgewandte Politik von Faschisten zu unterstützen und sich wenigstens partiell auf ihre Seite zu stellen. Das soll nicht heissen, alle Herrschenden seien zwangsläufig ideologisch Faschisten, nur dass sich ihre Interessen oftmals überschneiden. Neonazis sind allerdings nur der “verwilderte” und irrationale Auswuchs der kapitalistischen Verhältnisse. Es ist aber klar, dass die kapitalistische Gesellschaft sie hervorbringt und ihnen den Nährboden für ihre menschenverachtende Politik bereitet.
“(…) blöd ist es zu sagen, der Kapitalismus geht noch, aber der Faschismus, das ist zu viel.” – Berthold Brecht: Der Idee, daß man den Faschismus aushalten könnt, in: Flüchtlings-gespräche
Wer sich die Berichterstattung über faschistische Gruppen in den bürgerlichen Medien der Deutschschweiz anschaut und für einen Moment das unterliegende Hufeisen vernachlässigt, wird merken, dass sie eine Bedrohung hochstilisieren, die der Realität nicht gerecht wird und komplett den Kontext vermissen lässt. Klar, die Hampels der “Jungen Tat” gehen tätlich Menschen an, aber sie haben gesellschaftlich gesehen keine politische Macht. Ihre gesamte Politik beruht auf Aufmerksamkeit und diese wird ihnen von der bürgerlichen Presse sehr bereitwillig gegeben. Wahrscheinlich generiert es für sie schön Klicks und so sind sie auch ökonomisch daran interessiert den Neonazi-Hype aufrechtzuerhalten. Dass dies die Neonazis stärkt, scheint sie nicht zu interessieren.
Dass die SVP direkt die Parole der “Jungen Tat” nach deren Angriff auf die Vorlesestunde “Drag Story Time” im Zürcher Tanzhaus wiedergibt, kann vielleicht überraschen, weil sie sich somit tatsächlich den Neonazis öffentlich weiter annähert, nicht jedoch unter dem Gesichtspunkt, dass sie genau diese tief rechte politische Schiene seit eh und je fahren[1]. Nur verbreiten sie ihre Ideologie im Parlament und wirken damit bis in die Mitte der Gesellschaft, sodass scheints Vorlesestunden angegriffen werden müssen, bis die bürgerlichen Medien in der Schweiz Faschisten als solche erkennt.
Was diese jungen Faschos gefährlich macht, sind weniger ihre Aktionen, als die zahlreichen Plattformen, die ihnen dafür geboten werden, um sie zu verbreiten. Die “Junge Tat” hat einen tiefen Organisationsgrad und ihre Aktionen sind symbolisch und wirken nur durch ihre Medienpräsenz. Die SVP ist mit ihrer menschenverachtenden Migrationspolitik insofern viel gefährlicher, weil sie effektiv dafür kämpft, Menschen im Mittelmeer ertrinken zu lassen und prekärere Bedingungen schafft für Menschen ohne schweizer Pass.
Bürgerliche Zeitungen sind mitverantwortlich, dass diese kleine Gruppe von Neonazis gefährlicher wird, weil sie mit ihrem Sensationsjournalismus ihnen eine Plattform für ihre rechte Hetze geben und so aufbauschen. Auch lenkt ein solcher Diskurs von der teilweise faschoiden Politik in den Parlamenten ab und es kann sich, ab ein paar extremen Spinnern enerviert werden. Der Diskurs verschiebt sich jedoch trotzdem, weil sie keine emanzipatorische Gegenposition entwickeln, die irgendeine realistische Perspektive aufzeigen würde. Es sollte allerdings nicht von ihnen erwartet werden, denn sie lehnen die kapitalistisch eingerichtete Gesellschaft nicht ab, die immer, wie oben beschrieben, eine Tendenz zum Faschismus hat. Das effektivste, um ihn einzudämmen, ist es, dem Faschismus keinen Platz zu geben, was für diese Medien hiesse, ihnen keine Plattform zu Verfügung zu stellen.
Es gibt dabei auch vereinzelt Ausnahmen, wie zum Beispiel, wenn die Wochenzeitung (WOZ) schreibt, wie tief die Verbindungen zwischen “Junge Tat” und SVP sind und die Klarstellung, dass Identitäre einfach nett angezogene Neonazis sind[2]. Nichtsdestotrotz, bürgerlicher Antifaschismus verläuft sich leider allzu schnell darin, die Neonazis einfach schlecht zu finden, aber keine Gegenposition dazu zu haben. Es ist auch keine Lösung, den Faschos mehr staatliche Repression an den Hals zu wünschen, denn im politischen Kampf um eine befreite Gesellschaft können wir nicht darauf zählen, dass der Staat nicht dieselben repressiven Mittel auf emanzipatorische Bewegungen anwendet.
Antifaschismus ist dann am effektivsten, wenn er aus einer emanzipatorischen und kämpferischen Arbeiter:innen-Klasse oder breiten Solidaritätsbewegung mit einer Perspektive kommt. Eine antifaschistische Praxis, die sich auf die Stärke der Bewegung verlassen kann und das Potenzial der Solidarität und Kritik anerkennt.
Es ist wichtig, den Faschos ihre Plattformen zu nehmen, sei dies auf der Strasse, in den Medien oder in den Parlamenten. Auf eine revolutionäre antifaschistische Praxis hinzuarbeiten, heisst, dass wir ein Alltagsverständnis der gegenseitigen Hilfe und Solidarität, sowie der Anerkennung der Wichtigkeit von Selbstorganisation und Selbstschutz etablieren müssen. Eine Gesellschaft ohne Faschismus werden wir allerdings erst erlangen können, wenn der Kapitalismus in Trümmern liegt.
Bis dahin:
No pasarán!
Schulter an Schulter gegen den Faschismus!
und Nazis aufs Maul!
[1] Statement zur Störung der Drag Story Time vom 16. Oktober – Tanzhaus Zürich – 21.11.2022 https://www.tanzhaus-zuerich.ch/aktuell/details/statement-zur-störung-der-drag-story-time-vom-16-oktober
[2] Die Schwiegersohn-Neonazis – WOZ – 15.12.22
https://www.woz.ch/2250/rechtsextremismus/rechtsextremismus-die-schwiegersohn-neonazis/!JJPNM2QWZACD
Gefunden auf https://rjbw.org/archiv/nehmt-den-faschisten-alles-weg-vor-allem-die-plattform