Pfingsten wird heiß

Gegen Planlosigkeit und Ineffizienz: Italiens Linke vereint im Protest gegen Weltgesundheitsgipfel der »G 20«

Italien erlebt ein heißes Pfingsten. Über 50 Organisationen und Persönlichkeiten der Linken, die dieses Prädikat noch für sich in Anspruch nehmen können, hatten in einem gemeinsamen Appell zu Protestaktionen gegen den in Rom am Freitag von Italiens Premier Mario Draghi und EU-Kommisionspräsidentin Ursula von der Leyen eröffneten Weltgesundheitsgipfel der »G 20« aufgerufen.

Darin prangern die Unterzeichner die Auswirkungen der Politik der »20 wichtigsten Industrie- und Schwellenländer« sowie der italienischen Regierung des früheren EZB-Chefs ­Draghi während der Coronapandemie an. »Die Pandemie hat die Planlosigkeit und Ineffizienz des Gesundheitswesens gezeigt, wenn es auf Gewinn und Markt setzt«, heißt es in dem Appell. Die Regierungen der reichsten Länder der Welt werden anklagt, mit fast drei Millionen Infizierten und 500.000 Toten »ein beispielloses Massaker« angerichtet zu haben.

Der Aufruf wird getragen von einer antikapitalistischen Linken, die von der Partei Potere al Popolo über Gewerkschaften, Verbände und Friedens-, Frauen-, Studierenden- und Schülerorganisationen bis zu solchen von Immigranten und Umweltschützern reicht. Die palästinensische Gemeinschaft von Rom und des Latiums hat angekündigt, in großer Zahl teilzunehmen. Teilnehmen wollen auch die Kommunisten, die den alten Namen des Partito Comunista Italiano (PCI) von Palmiro Togliatti und Antonio Gramsci führen, die Partei der kommunistischen Wiedergründung (Rifondazione Comunista, PRC) und die der IV. trotzkistischen Internationale angehörende Kommunistische Arbeiterpartei (PCL). Initiator des Aufrufs, der unerwartet starke Zustimmung fand, war das kommunistische Onlineportal Contropiano.

Unter den über 30 Persönlichkeiten, die den Aufruf unterzeichneten, befinden sich namhafte Wissenschaftler, Schriftsteller und Künstler verschiedener Disziplinen, darunter Angelo Barraca, renommierter Forscher der Grundlagen der Quantenmechanik und Elementarteilchenphysik. Der Atomwaffengegner ist auch ein Kritiker der Rolle, die dieWissenschaft im Dienst der kapitalistischen Gesellschaft einnimmt, und setzt sich in sozialen Auseinandersetzungen für die Rechte der Arbeiter ein.

Die Protestdemonstrationen und Kundgebungen erfassen alle Regionalhauptstädte und Dutzende weitere Städte. Höhepunkt soll in Rom am Sonnabend eine landesweite Demonstration sein, zu der sich Teilnehmer aus anderen Städten angekündigt haben. Sie steht unter der Losung »Impfstoffe, öffentliche Gesundheit und soziale Gerechtigkeit für alle«. Nach einem Aufruf der Basisgewerkschaft USB legten am Freitag landesweit Mitarbeiter des Gesundheitswesens die Arbeit nieder, um gegen den Gipfel der »G 20«zu protestieren und ein Modell zu fordern, das den Bedürfnissen der Bevölkerung dient und territoriale Ungleichheiten beseitigt.

Der marxistische Intellektuelle Stefano Azzará, Professor an der Universität Urbino, sieht in diesen Kampfaktionen nach einem Jahrzehnt der Spaltung »ein erstes wichtiges Signal zum Wiederaufbau der Einheit der Linken und der Kommunisten«. Diese Linke widersetze sich, so Azzará gegenüber jW, »der Verschiebung des politischen Rahmens nach rechts, wie sie von der Regierung Draghi betrieben wird«. Diese Regierung nutze »die Gelder des EU-Wiederaufbaufonds überwiegend zur Finanzierung der Unternehmen, während die Rechte der Arbeiter weiter beseitigt werden und die Verarmung zunimmt«. Der jetzt einsetzende Prozess der Verständigung ermögliche, »eine autonome politische Front ins Leben zu rufen, die die Rechte der Arbeiter verteidigt, der Übermacht des Kapitals entgegentritt, für den vom Imperialismus bedrohten Frieden kämpft und jeder Form der Diskriminierung Einhalt gebietet«.

Quelle: https://www.jungewelt.de/artikel/402874.pandemie-und-kapital-pfingsten-wird-hei%C3%9F.html



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