Liebe Freund*innen
Liebe ferne und nahe Verwandte
Liebe Kinship
Das Haus steht noch immer da, blinzelt in den frühen Frühling und sieht den Menschen zu, wie sie im Vorbeikommen den Kopf lange mitdrehen und sich das Unverständnis über seine Lage in den Gesichtern abzeichnet. Wie gerne würde es ihnen zunicken, eines seiner Münder aufmachen, und sie freundlich zustimmend anschnauben. Aber schon lange wird es kontrolliert und vermessen. Ihm wird glaubhaft gemacht, es solle sich stillhalten, denn es habe gehörig an seiner Stabilität zu zweifeln, seine Zeit sei vorbei.
Die Anzeige ist nun draussen, so schrieben es jedenfalls die Zeitungen. Wir rollen noch einmal alles auf und wieder ab. Sollen wir vielleicht zum wiederholten Male auf die Frage mit der Statik eingehen? Oder ist dies nun die definitive Absage der Stadt, die sich seit Monaten weigert, endlich zusammenzusitzen zu einem konstruktiven Gespräch, statt sich weiterhin über die Medien auf das Dach zu geben.
Eigentlich hat sich gar nicht so viel verändert und doch, fühlt es sich nun irgendwie anders an. Noch immer sitzen wir in Runden und diskutieren über das Jetzt und diverse kommende Eventualitäten. Nach wie vor torkeln morgens verschlafene Menschen in die Küche und freuen sich, dass ihnen wer mit dem Kaffeemahlen zuvorgekommen ist und sie sich stattdessen einfach an die Bar setzen können, um auf das noch im Ofen auftauende Brot zu warten. Das batteriebetriebene Feuerwehrauto wurde schon vor geraumer Weile unauffällig aus der Spielecke abgezügelt, nachdem seine Sirene für diverses nervöses Aufzucken gesorgt hatte. Noch immer folgt jeweils ein Tag auf den nächsten, obwohl es Stunden gibt, in denen wir uns nicht mehr sicher sind, ob wir dieses oder jenes auch noch morgen erledigen können. Und ob es auch noch als Tag gilt, wenn wir hier nicht mehr sein können.
Manchmal trifft uns die Absurdität der Situation mit voller Wucht in die Magengrube.
Dann schauen wir das Haus von Weitem an und es ist alles da, alles vorhanden. Nur weil die Stadt es nicht schafft von ihrer stur verbissenen Nein-Schiene abzurücken, die Unverfrohrenheit hat zu behaupten, es sei schlicht unmöglich, und zu allem gefährlich, behauptet, nein, fertig Schluss, es geht nicht. Allein wegen all diesen Halbwahrheiten soll es nun dem Erdboden gleich gemacht werden?
Wir betreiben sorgfältig präzise juristische Abklärungen. Wir fragen uns, wie weit weg wir uns vom Haus entfernen sollen und wie lange, und was wir dabeihaben müssen für den Moment, in dem wir zurückkehren, aber nicht mehr heimkommen können.
Drohend haben sie zum Schlag ausgeholt und wenn sie zuschlagen, zuschlagen lassen und feige von weit hinten zuschauen, dann zerschlagen sie nicht nur unser Zuhause, sondern einen weiteren Ort, der uns glauben liess, wir könnten die Welt ertragen, weil wir uns kollektiv organisieren konnten. Voller Wut und Trauer tragen wir Holz und Farbe in die Werkstatt, in der unsere Ideen Form annehmen. Summend und tanzend schieben wir haufenweise Gemüse in die beiden Backöfen in einer Küche, die jeden Moment abgerissen werden soll. Wir hüllen uns abends in Decken und erzählen einander verwegene Räuber*innengeschichten, in Zimmern, die uns die gemütliche Wärme halten, solange sie noch stehen gelassen werden.
Es ist ermüdend. Es ist das schönste, hier zu sein. Wir halten die Stimmung oben, so hoch wies grad geht. Wir haben eine Insel vor dem Haus. Die hilft extrem. Und all die guten Menschen, die uns unterstützen.
Danke für alles
in Liebe + ausharrend,
Familie Eichwäldli