Während Kubas Präsident Miguel Díaz-Canel nach dem Sturm fanatisierter Trump-Anhänger auf das Kapitol deren Gewaltakte scharf verurteilte und vor allem den Verlust von Menschenleben bedauerte, macht sich das den Republikanern nahestehende Wall Street Journal Sorgen um das »demokratische Image« der USA. »Die Vereinigten Staaten werden nie wieder in der Lage sein, der Welt zu sagen, dass wir der Ausbund an Demokratie sind«, schrieb auch die ehemalige CNN-Journalistin Jill Dougherty auf Facebook.
Im Gegensatz zu Vertretern der europäischen US-Verbündeten, die – wie Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier – in erster Linie Donald Trump für den »Sturm auf das Herz der Demokratie« verantwortlich machen, weisen lateinamerikanische Politiker und Medien auf den Zustand des US-amerikanischen Systems hin. Die gewalttätigen Krawalle seien Ausdruck der »sozialen, politischen, wirtschaftlichen und kulturellen Krise einer Gesellschaft, die durch das Erstarken rassistischer Extremisten und einer Ideologie der weißen Vorherrschaft gekennzeichnet ist«, erklärte das lateinamerikanische Staatenbündnis ALBA-TCP (Bolivarische Allianz für die Völker unseres Amerikas – Handelsvertrag der Völker).
Ähnlich kommentierte die kubanische Tageszeitung Juventud Rebelde: »Der Neofaschismus war schon vor Trump da, er hat ihn nur verschärft und benutzt.« Politiker der Inselrepublik, die seit mehr als 60 Jahren einer Blockade widersteht, mit der Washington einen Regime-Change provozieren will, sehen Parallelen zur eigenen Erfahrung. Die Missachtung des Wählerwillens durch Trump sei nur »ein Abbild der Praktiken, die die USA gegen den Rest der Welt angewendet haben«, schrieb Außenminister Bruno Rodríguez per Twitter.
Venezuelas Präsident Nicolás Maduro erklärte zu den Vorgängen »in einem Land, aus dem Staatsstreiche und Invasionen« kämen: »Das sind die gleichen Leute, die versucht haben, in Venezuela ihre Marionette einzusetzen und Evo Morales in Bolivien zu stürzen. Es ist die gleiche imperiale Politik, die die ganze Welt bedroht.« Maduro rief den künftigen US-Präsidenten Joseph Biden dazu auf, Hegemonie, Grausamkeit, Imperialismus und Vorherrschaft zu beenden und sich für Dialog, Frieden und Vielfalt einzusetzen.
Auch Mexikos Staatschef Andrés Manuel López Obrador appellierte an die USA, »alle außen- und innenpolitischen Konflikte auf friedlichem Wege zu lösen«. Die wichtigste Tageszeitung des Landes, La Jornada, wies in einem Leitartikel darauf hin, »dass das amerikanische Wahlsystem nie das demokratische Beispiel gegeben hat, das seine Anhänger propagieren, und das es mit imperialer Arroganz seit mehr als einem Jahrhundert versucht, dem Rest der Nationen aufzuzwingen«.
Einzig Brasiliens faschistischer Präsident Jair Bolsonaro steht weiter fest zu seinem Förderer Trump. Auch nach dem Angriff auf das Kapitol bezeichnete er die von Biden gewonnene Wahl gegenüber der rechten Tageszeitung O Globo noch als »eklatanten Betrug«. Darüber hinaus kündigte Bolsonaro an, dass »das, was in den Vereinigten Staaten geschehen ist, auch bei den nächsten Wahlen in Brasilien passieren könnte«. Expräsident Luiz Inácio Lula da Silva von der linken Arbeiterpartei nimmt solche Drohungen ernst. Er warnte davor, dass die derzeitige brasilianische Regierung »über eine Parapolizeimafia verfügt, um Szenen wie die im Kapitol von Washington zu wiederholen«.
Quelle: https://www.jungewelt.de/artikel/393948.sturm-auf-kapitol-failed-state-usa.html