Auf digitalen Kanälen macht seit Anfang November 2020 eine neue Deutschschweizer Nazigruppe auf sich aufmerksam. Sie nennt sich “Junge Tat”, besteht aus rund 10 überwiegend sehr jungen Männern, und ist Teil der sogenannten Nationalen Aktionsfront (NAF). Im Wesentlichen ist “Junge Tat” aber bloss eine adaptierte Fortsetzung der gescheiterten Gruppen “Nationalistische Jugend Schweiz” (NJS) und “Eisenjugend Schweiz” (EJ).
Weissegrüne Sturmmasken, Kampfsport, Survival-Trainings, Wandern, rechter Deutschrap – mit solchen Dingen will die neue Nazigruppe “Junge Tat – NAF” junge rechte Männer anlocken. Neu ist dabei aber längst nicht alles.
Hier geht es direkt zu einigen Mitgliedern und Sympathisant*innen der Jungen Tat.
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Nationale Aktionsfront (NAF)
Die NAF (Nationale Aktionsfront), mit der die “Junge Tat” assoziiert ist, ist ein seit 2014 bestehendes Schweizer Nazi-Netzwerk um den ca. 40jährigen Marc Seiler. Dieser ist wegen verschiedener Gewaltdelikte vorbestraft und Mitglied der rechtsterroristischen, internationalen “Bruderschaft” Blood & Honour. Selbsterklärtes Ziel der NAF war (und ist) es, die verschiedenen teils zerstrittenen Nazigrüppchen und Überbleibsel aus “besseren” Zeiten zu sammeln und wieder aktionsfähig zu machen. Nur war die Erfolgsbilanz bisher sehr dürftig. Umso grösser musste die Freude bei NAF-Chef Marc Seiler gewesen sein, als Anfang 2020 im Raum Winterthur eine “Nationalistische Jugend Schweiz” (NJS) sowie eine “Eisenjugend Schweiz” (EJ) ihre ersten Auftritte wagten.
Eisenjugend und Nationalistische Jugend
Seiler, der etwa doppelt so alt war wie die NJS/EJ-Buben, suchte sofort den Kontakt. Und sie zu ihm. Eine Beziehung begann. Bald war offensichtlich, dass EJ und NJS ein und derselbe Haufen war, wobei die EJ weitgehend als ein Ego-Projekt des ZHDK-Studenten und NJSlers Manuel Corchia (Jg. 2000) zu betrachten ist. Jedenfalls war alles ein gar kurzer Spuk. Denn kaum waren die Jungnazis der NJS/EJ mit grossen Parolen, pubertärem Rumgemackere, aber auch ein paar Sachbeschädigungen und Transpi-Klau-Aktionen an die Öffentlichkeit getreten, gerieten sie in mühsame Schwierigkeiten.
Antifaschistische Gegenwehr
Antifaschist*innen hatten die NJS/EJler nämlich sofort aus der Deckung geholt, Identitäten veröffentlicht, sie zu Hause (fast alle noch bei ihren Eltern wohnhaft) und im Job besucht. Der Nazi Oliver Rothacher (Jg. 1995) verlor so seine Stelle, sein Kamerad Manuel Corchia flog so ein bisschen von der Zürcher Hochschule der Künste (die ZHDK-Leitung will den Nazi zwar nicht ganz spicken, verbietet ihm aber bis auf Weiteres den Zutritt aufs Schulgelände), etc. pp. Kurzum: Man hatte den Nazis deutlich zu verstehen gegeben: Sofort einpacken und ab nach Hause! Das hat gewirkt. Zumal die wackeren Burschen auch mit dem ganzen Medienrummel schnell nicht mehr klarkamen. Dabei hatten sie die News über sie anfänglich durchwegs als Werbeeffekt begrüsst.
Terrorträume und Razzien
Einen Hehl aus ihrer Gesinnung und ihren Träumen machten die NJSler nie. Selbstdarstellung war ihr ein und alles. Und so verbreiteten sie über ihre relativ offenen Kanäle nicht nur Muskel-Selfies und Mob-Fotos, sondern auch klassische nationalsozialistische Propaganda und terroristische Manifeste wie jenes des Christchurch-Attentäters. Sie taten dies so unverhohlen, dass irgendwann sogar der Staat befand, nun einmal zum Rechten schauen zu müssen. Und so sahen sich verschiedene Polizeien sowie der Nachrichtendienst gezwungen, etwas zu tun. Es folgten einige Vorladungen, zwei Hausdurchsuchungen in Winterthur und eine im Kanton Schwyz. Bei ersterer wurden drei Sturmgewehre und drei Pistolen von Manuel Corchia und dessen Nachbarn Matthias Cremonesi (Jg. 2001, wie Corchia ist er Mitglied der Winterthurer Stadtschützen) beschlagnahmt, bei zweiterer im Kanton Schwyz Munition. Zu Verhaftungen oder Anklagen ist es aber offenbar nicht gekommen.
Scheitern und Neuversuch
Dennoch war den meisten NJSlern nach ein paar Monaten bereits wieder die Lust vergangen. Sie zogen sich zurück, verzichteten komplett auf öffentliche Aktionen, verpfiffen sich gegenseitig, zeigten sich teilweise reuig und mehrere Mitglieder beteuerten, die NJS sei aufgelöst, weil alles ausser Kontrolle geraten und ihnen alles schlicht zu viel geworden sei. Andere behaupteten, aus der Szene “ausgestiegen” zu sein.
Nun aber zeigt sich, dass es einige ehemalige NJSler nach einer Verschnaufpause erneut wissen wollen. Sie haben die noch vor Kurzem so stolz präsentierten rot-weissen Fahnen und rot-weiss-roten Sturmhauben der NJS durch grün-weisse eingetauscht. Und sich in “Junge Tat” umbenennt. Alter Wein in neuen Schläuchen also.
Tatsächlich neu ist allerdings, dass die Junge Tat fester als die NJS an das alte Nazi-Milieu der Schweiz angebunden ist. Dies gelingt insbesondere durch die organisatorische Bande mit der NAF um Marc Seiler, der insbesondere Manuel Corchia heftig umworben hatte, nachdem dieser geoutet und in der Presse geladnet war. Aber die Anbindung gelingt auch durch Doppelmitgliedschaften aus der Ausserschwyzer “Kameradschaft Heimattreu” (v.A. durch Unteroffizier Andy Schnellmann und Simon Inderbitzin, beide ca. 30jährig und beide aus Siebnen SZ). Via Seiler, Schnellmann und Inderbitzin besteht für die MItglieder der Jungen Tat somit eine direkte Verbindung zu den alten und internationalen Strukturen von Blood & Honour.
Deutsche Kontakte
Bereits von Verbindungen zu Nazistrukturen in Deutschland profitiert haben besonders der Winterthurer Manuel Corchia sowie Oliver Rothacher aus Tagelswangen ZH. Etwa um dort kurzzeitig unterzutauchen, (Rothacher nach seinem Outing), oder schlicht um sich vom Land ihrer Sehnsucht inspirieren und mit Propagandamaterial ausstaffieren zu lassen. Corchia etwa hat enge Kontakte mit dem Zwickauer Nazi-Influencer Sanny Kujath (Jg. 2002, Ex-Mitglied von Dritter Weg) und seiner “Jungen Revolution”, einer neuen Struktur zur Rekrutierung von Jugendlichen und für deren Anbindung an die jeweils passende rechtsextreme Organisation. Corchia und andere Schweizer Jungnazis fuhren im Februar 2020 nach Dresden an den alljährlichen neonazistischen “Trauermarsch” zum Gedenken an die alliierte Bombardierung der Stadt. Dort trafen sie sich unter anderem mit Kujath. Dieser wiederum kam im Sommer in die Schweiz zu Corchia, der für ein paar Kameraden eine Wanderwoche in den Schwyzer Bergen vorbereitet hatte.
Video und Follower
Die bisher veröffentlichten Videos der Jungen Tat sind mitunter an folgenden Orten gedreht worden: Luzern (Waldstrasse 5), Basel (Mittlere Brücke), Zürich (Käferberg und vor dem Hauptsitz des verhassten, weil angeblich “jüdischen” TX-Media-Konzerns), Altdorf (Tell-Denkmal), Sisikon (Tellsplatte) Muothatal, Siebnen, Schwyzer und Urner Berge.Die rund 1000 Instagram-Follower sind mehrheitlich Deutsche. Nur rund 100 kommen aus der Schweiz. Darunter zu finden sind viele altbekannte Nazi-Aktivist*innen wie zum Beispiel Hammerskin Adrian Segessenmann (Jg. 1979, Ex-PNOS-Vize und Chef der völkisch-heidnischen Avalon Gemeinschaft) oder der Basler Nazi-Hooligan Roman Portner. Zu finden sind aber auch viele rechtsnationale bis rechtsextreme junge Leute ohne jegliche Zugehörigkeit zu organisierten Strukturen. Auch ein paar Mitglieder der Jungen SVP sind dabei. So Sven Brügger und Arnaud Chammartin, beide aus dem Kanton Fribourg.
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Solidarische Grüsse an alle Antifaschist*innen!
Recherche Gruppe Gegen Rechts
recherche-gruppe-gegen-rechts@cryptomail.ch
Quelle: https://barrikade.info/article/4039