Quelle: https://www.zentralplus.ch/de/news/gesellschaft/5537203/Wie-Bodum-Luzern-unter-Druck-setzte.htm
Nach der Hausbesetzung an der Obergrundstrasse 99 zeigt sich: Der Anwalt des dänischen Multimillionärs Jørgen Bodum übte mächtig Druck auf die Behörden aus. So drohte er der Staatsanwaltschaft, die Villa eigenhändig mit privaten Sicherheitskräften räumen zu lassen. Doch dies wäre unzulässig.
Über ein Jahr ist die erste Gundula-Besetzung der Obergrundstrasse 99 her. Kürzlich wurden 28 Personen wegen Hausfriedensbruchs verurteilt, darunter auch eine Journalistin von zentralplus, die sich vor Ort ein Bild machte (zentralplus berichtete).
Die Besetzung vom April 2016 ging (im Gegensatz zur zweiten in diesem Jahr) friedlich zu Ende. Die Polizei hatte den Aktivisten eine Deadline gesetzt: Mittwoch, 27. April 2016. In Absprache mit den Besetzern verlängerte man das Ultimatum bis am darauf folgenden Samstag.
Anwalt droht mit Räumung in Eigenregie
Aus Dokumenten, die zentralplus vorliegen, geht hervor, dass die Deadline wohl nicht ganz zufällig war: Jørgen Bodums Anwalt, Reto Marbacher, übte starken Druck auf die Behörden aus. In einem Brief an die Staatsanwaltschaft schrieb er: «Meines Erachtens darf die Staatsanwaltschaft bzw. die Luzerner Polizei mit der Räumung nicht länger zuwarten als bis am Abend des 27. April 2016.» Er begründete dies mit bereits erteilten Bauaufträgen, welche nicht gestartet werden könnten, solange das Gebäude besetzt sei.
Der Anwalt bestand auf die Räumung innerhalb der Frist und stellte den Behörden ein Ultimatum: «Sollte die Staatsanwaltschaft und/oder die Polizei eine Räumungsaktion verweigern oder auf später vertagen, würde dies bedeuten, dass die Eigentümerin die Räumung eigenmächtig und mit Hilfe zum Beispiel von Sicherheitsunternehmen durchführen müsste.»
Daraus ergeben sich mehrere Fragen: Wäre eine Räumung in Eigeninitiative überhaupt zulässig? Und inwiefern ist es legitim, die Behörden so in die Bredouille zu bringen?
Experte: «Nur mit Hilfe der Polizei»
Reto Ineichen, Fachanwalt für Strafrecht sagt: «Die Staatsanwaltschaften sind stark überlastet, da sie generell zu wenig Personal zur Verfügung haben. Etwas Druck im Sinne von ‹nachfragen› ist legitim, aber mehr geht nicht.»
Dabei sei es unzulässig, selber zu räumen, so Ineichen. «Für solche Situationen gibt es die zivilrechtliche Eigentumsfreiheitsklage, die dann mit Urteil den Eigentümer ermächtigt, mit Hilfe der Polizei – und nur dieser – die Liegenschaft zu räumen, wenn die Leute nicht freiwillig abziehen.» Dann müsste der Eigentümer den Polizeieinsatz aber selbstständig bezahlen.
Würde sich jemand weigern, das Haus zu verlassen, oder wenn sich allenfalls jemand wehrt, so dürften Sicherheitskräfte keinen Zwang ausüben – im Gegensatz zur Polizei. Private Sicherheitskräfte dürfen keine illegalen Handlungen vornehmen, also Personen weder tätlich angreifen noch verletzen oder bedrohen, so Ineichen. Das bedeutet: Die Sicherheitskräfte hätten kaum eine Handhabe, Besetzer aus einem Haus zu werfen, die sich nicht rauswerfen lassen wollen.
Anwalt kritisiert Kommunikation
Bodum-Anwalt Marbacher hielt den Druck anderweitig hoch. Zu Beginn des Briefes ärgerte er sich über die Kommunikation der Luzerner Polizei: «Äusserungen der Luzerner Polizei gegenüber den Medien, dass es nur unter bestimmten Umständen zu einer Räumung komme, [sind] sehr bedenklich.»
Für die Eigentümerin Bodum Invest sei es «ein wichtiges Anliegen, […] dass die Identitäten der verantwortlichen Personen festgestellt werden.» Geschehe dies nicht und die Besetzer könnten «‹unerkannt› das Feld räumen», hätte dies auch für den Kanton Luzern Nachteile: «Zum einen könnte so niemand für die Parteikosten und die Verfahrens-/Ermittlungskosten zur Verantwortung gezogen werden.» Andererseits hätte dies eine falsche Signalwirkung gegenüber der Öffentlichkeit und gegenüber solchen Gruppierungen.
Er schrieb, dass in dieser Sache die Staatsanwaltschaft die Fäden in der Hand haben sollte und es deren Sache sei, entsprechend zu entscheiden und zu kommunizieren. Er wirft damit der Staatsanwaltschaft de facto Führungsschwäche in der ganzen Affäre vor.
Marbacher selber will mit Verweis auf das laufende Verfahren keine Stellung nehmen.
«Staatsanwaltschaft handelt unabhängig»
Und wie sieht man dies bei den Behörden? Simon Kopp, Mediensprecher der Staatsanwaltschaft, sagt auf Anfrage: «Die Staatsanwaltschaft Luzern handelt selbstständig und unabhängig im Sinne der Strafverfolgung. Wir lassen von keinem Anwalt Druck auf uns ausüben.» Die damalige Räumung habe in Absprache mit der Polizei «zum idealsten Moment stattgefunden» und sei unabhängig von externen Forderungen geschehen.