Offener Brief an die Stadt Bern
Von: Sedel, Rote Fabrik, L’Usine & PETZI > Unterstütze den Brief durch Teilen!
Nach den letzten Unruhen und Strassenschlachten in Bern hat die Berner Stadtregierung die Gelder für die Reitschule sistiert. Die Vorfälle und die aktuelle Forderung, die Reitschule zu schliessen, werfen Fragen über kulturelle Freiräume auf, die in den frühen 80er-Jahren auf der Strasse erobert wurden.
Die aktuelle Debatte über die Berner Reitschule zeichnet ein verzerrtes Bild dieses Kulturzentrums. Es fällt kein Wort zu den Konzerten und Shows, die Woche für Woche im Dachstock oder im Rössli über die Bühne gehen. Dass diese beiden Plattformen für ein ausgezeichnetes Musikprogramm sorgen, scheint niemand zu interessieren. Ebenfalls zu erwähnen sind alle weiteren Aktivitäten im Tojo, Theater, im Kino Reitschule oder im Frauenraum. Seit ihrer Besetzung 1987 hat sich die Reitschule einen Ruf als kulturellen Hotspot in der Deutschschweiz und als gesellschaftlicher Freiraum aufgebaut. Ihre Strahlkraft beeinflusst die Schweizer Kulturszene. Die Art und Weise der aktuellen Berichterstattung gefährdet diesen wichtigen Stadtberner Kulturbetrieb.
Die Einsatzleiter der Berner Polizei hätten sich im Klaren sein müssen, dass sie mit ihrer Polizeipräsenz vom vergangenen Freitag dem gewaltbereiten Teil der Szene in die Hände spielen. Und sie hätte wissen müssen, dass der Strassenmob nicht deckungsgleich mit der Reitschule ist. Zudem wird der Reitschule der Vorwurf gemacht, zu wenig Kontrolle über die Strasse auszuüben. Dabei haben gerade die 80er Jahre gezeigt, dass die Strasse nicht kontrollierbar ist. Für die unterzeichnenden Clubbetreiber ist aber auch klar, dass Gewalt in unseren Häusern nichts verloren hat. Egal ob seitens Polizei oder seitens der Strasse.
Vergangene Aktionen in Bern, wie zum Beispiel «Tanz dich frei» zeigen einen tiefen Graben zwischen den Bedürfnissen der Strasse und den Ansprüchen der Politik. Diese Ursache gilt es anzugehen und nicht Symptome zu bekämpfen. Eine Schliessung der Reitschule würde den schon tiefen Graben um ein Vielfaches vergrössern. Eine Sistierung der Mittel würde die Reitschule zu einem besetzen Haus und den Vorplatz zur Sperrzone für Ordnungshüter machen. Bern würde wieder brennen. Wer will das?
Es geht nun darum, gemeinsam dafür einzustehen, dass dieser historische Freiraum Freiraum bleibt. Dazu gehört, sich deutlich vom gewaltbereiten Teil der Szene abzugrenzen. Protest ist eine gute Sache, aber der Zweck heiligt nie alle Mittel. Wenn Freiräume verschwinden, gilt es, auf die Strasse zurückzukehren und neue Freiräume zu erobern. Solange wir Freiräume wie die Reitschule haben, gilt es diese zu erhalten. Das gilt für die Reitschüler, den Strassenmob, die Polizei und die Politik.
In Solidarität mit den Betreiberinnen und Betreibern der Reitschule fordern folgende Kulturhäuser die Berner Stadtregierung auf, die Sistierung der finanziellen Mittel für die Reitschule per sofort aufzuheben und diesen Freiraum als solchen zu respektieren:
ILM Sedel, IGRF Rote Fabrik,L’Usine Genève
In Zusammenarbeit mit PETZI (Dachverband Schweizer Musikclubs)