Frankreichs Präsident Hollande will Verfassungsänderung: Weniger Bürgerrechte, mehr Polizisten und Gendarmen
Die französische Republik unter ihrem sozialdemokratischen Präsidenten François Hollande will nach den schweren Anschlägen islamistischer Attentäter auf die Hauptstadt Paris offenbar schnellstmöglich »zurückschlagen«. Hollande will, wie er am Montag nachmittag in einer gemeinsamen Sitzung von Parlament und Kongress in Versailles erklärte, dass die Verfassung des Landes der aktuellen politisch-militärischen Lage »angepasst« wird. Er selbst, seine Regierung sowie die polizeilichen und militärischen Einheiten des Landes müssten in die Lage versetzt werden, härter und schärfer auf den »weltweiten Terrorismus« reagieren zu können. Dass dabei in der »Constitution« bisher garantierte fundamentale Bürgerrechte beschädigt würden, wollen Hollande und sein Ministerpräsident Manuel Valls in Kauf nehmen.
In seiner 50minütigen Rede, die in weiten Teilen einem bisher vor allem von der extremen Rechten geführten Diskurs folgte, verlangte Hollande nicht nur eine Verlängerung des bereits von ihm angeordneten »Ausnahmezustands« um mindestens drei Monate, sondern auch eine Änderung der Artikel 16 und 36 der französischen Verfassung, in denen die Entscheidungsbefugnisse des Staatschefs, seiner Regierung und der Präfekten des Landes im Falle von »inneren Unruhen« oder eines »Angriffs von außen« definiert sind. Obwohl Hollande keine Details der von ihm gewünschten »Adaption« nannte, müssen Parlamentsmehrheit und Opposition wohl davon ausgehen, dass sie künftig bei einer Entscheidung über den »Ausnahmezustand« und die mit ihm verbundenen Sonderrechte für den amtierenden Präsidenten teilweise oder sogar völlig ausgeschaltet werden könnten. Auch der über den »Ausnahmezustand« noch hinausgehende »Belagerungszustand«, der in der geltenden Verfassung für den Kriegsfall formuliert wurde, ist für Hollande offenbar bereits eingetreten. Seine Rede begann er in Versailles mit den Worten: »Wir sind im Krieg«.
Von den betroffenen Parlamentariern – laut Verfassung die Repräsentanten des Volkes – verlangte Hollande, »über meine Entscheidung nachzudenken«. Den Premierminister habe er bereits angewiesen, die »Revision der Verfassung vorzubereiten«. Da Hollandes Auftritt vom gesamten versammelten Haus mehr als eine Minute lang stürmisch beklatscht wurde, ist davon auszugehen, dass die dafür erforderliche Zweidrittelmehrheit wohl zustandekommen wird. Unterstützt und begleitet wurde diese Ankündigung vom Versprechen des Präsidenten, in den kommenden zwei Jahren 5.000 zusätzliche Polizisten und Gendarmen – letztere sind in Frankreich dem Militär zugeordnet – einzuberufen, sowie 2.500 neue Stellen in der Justiz zu schaffen. An die Grenzen des Landes sollen 1.000 zusätzliche Zollbeamte beordert werden.
Photographie
Einem Vorschlag des rechtskonservativen früheren Präsidenten Nicolas Sarkozy und des faschistischen Front National (FN) folgend, will der Staatschef die Kontrollen von bei Polizei und Justiz registrierten und als verdächtig eingestuften Personen verschärfen. Auch Sarkozys Vorschlag, diesen rund 11.500 Betroffenen künftig elektrische Fußfesseln anlegen zu lassen, will Hollande »auf seine juristische und technische Machbarkeit prüfen lassen«. Dringend »reformiert« werden muss nach Ansicht des Staatschefs die derzeitige gesetzliche Regelung der polizeilichen Notwehr. Polizisten, die auf Hollandes Wunsch künftig mit »adaptierten«, das heißt schweren Kriegswaffen gegen den Terrorismus kämpfen sollen, dürften nicht von einem Notwehrparagraphen behindert werden, der der aktuellen Situation nicht mehr gerecht werde.
Auf internationaler Ebene wünscht sich Hollande eine Konferenz der »Alliierten gegen den internationalen Terrorismus« unter der Führung der USA, Englands, Frankreichs, Russlands – und in diesem neuen »Krieg« wohl auch Deutschlands. Hollande betonte erneut, dass bei der gemeinsam angestrebten »Ausradierung von Daesch«, des »Islamischen Staats« in Syrien, der amtierende Staatspräsident Baschar Al-Assad keine Rolle spielen dürfe.