Um Krieg, Krise und diktatorischen Regierungen zu entkommen, beschliessen viele Menschen sich in Bewegung zu setzen und sich anderswo ein Leben aufzubauen. In weiten Teilen der Welt bietet der Kapitalismus nichts als miese Arbeits-, Umwelt- und Lebensbedingungen. Die europäischen Staaten sind beteiligt an der Verschärfung ökonomischer Krisen und an der Eskalation von Kriegen. Auch die Schweiz ist vorne mit dabei. Hier werden Gelder von Diktatoren gehortet, Waffen in alle Welt geliefert und eine ausbeuterische Wirtschaftspolitik mitgetragen. Gleichzeitig mobilisiert das europäische Grenzregime ein immenses Polizei- und Militärdispositiv, das in Form von Grenzschutz, Frontex und Dublin-Abkommen die Migrant_innen auf immer gefährlichere Routen drängt. Dass so viele Menschen auf dem Weg nach Europa sterben ist nicht die Schuld von „Schlepperbanden“, sondern der menschenfeindlichen Politik der Migrationsabwehr.
Wir freuen uns, dass sich viele Leute solidarisch mit den Geflüchteten zeigen und den Druck auf die Behörden erhöhen. Die Aussetzung des Schengen-Abkommens und die Schliessung der Grenzen diverser EU-Mitgliedsstaaten zeigen jedoch: Es gibt keinen Grund zur Euphorie. Die Grenzkontrollen werden weiter brutalisiert. Anfang September haben Migrant_innen, die auf dem Weg nach Deutschland in Ungarn aufgehalten wurden, selbstorganisiert das Grenzregime unterlaufen und die europäischen Staaten in Verlegenheit gebracht. In diesen Tagen erkämpfen sich die Geflüchteten die Durchreise durch Serbien und Ungarn. Die Reaktion darauf ist nun einmal mehr die Herbeiführung von Notstandssituationen, die den Behörden freie Hand ermöglichen sollen. Auf diese Weise werden Massnahmen legitimiert, die unter anderen Umständen nicht in Frage kämen: Grenzzäune werden errichtet, humanitäre Aufgaben werden NGOs und linken Strukturen überlassen, Staaten öffnen und schliessen ihre Grenzübergänge im Wochenrhythmus. In der Schweiz ist es wieder salonfähig geworden, Geflüchtete in Zelten und Bunkern unterzubringen.
Die rassistische Stimmungsmache gegen Migrant_innen prägt weiterhin alle Ebenen der Politik und der öffentlichen Meinung. Im Zuge der globalen Krise des Kapitalismus, die auch vor den ökonomischen Zentren nicht Halt macht, erhöht sich der Druck auf die arbeitenden Klassen. Auch in Westeuropa werden Verschlechterungen der Arbeits- und Lebensbedingungen durchgesetzt. Die Ideologie von Konkurrenz, Leistung und Profit führt zu sozialer Ausgrenzung und Entsolidarisierung. Vor diesem Hintergrund erhalten Nationalismus, Rassismus, Sexismus und Homophobie starken Aufwind. Lassen wir nicht zu, dass gegen Migrant_innen gehetzt wird! Es ist wichtig, dass wir praktische Solidarität zeigen und sowohl die Menschen unterstützen, die an den Grenzen aufgehalten werden, als auch diejenigen, die bereits unter entwürdigenden Umständen in der Schweiz leben. Es gilt materielle Hilfe zu leisten, aber auch Fluchthilfe zu organisieren und Kämpfe von Migrant_innen zu unterstützen – beispielsweise den anhaltenden Widerstand des No-Bunker-Kollektivs in Genf.
Wehren wir uns gemeinsam gegen die systematische Marginalisierung, Illegalisierung und Inhaftierung von Geflüchteten! Unterstützen wir weltweit emanzipatorische Kämpfe wie die selbstverwaltete Region Rojava, die vielen Menschen aus der Region Zuflucht und Perspektive bietet. Kämpfen wir gemeinsam für globale Bewegungsfreiheit und für eine Gesellschaft ohne Ausbeutung und Unterdrückung!
Quelle: http://switzerland.indymedia.org/de/2015/09/95887.shtml