Am frühen Samstagabend versammelten sich laut Medienmitteilung des Projekts „Strafbar” gegen 150 Menschen beim Gaswerkareal in Bern. Mit Konzerten, Getränken und Essen gegen freie Kollekte wollten sie zum dritten Mal in diesem Jahr mit „kulturellen und politischen Beiträgen dafür werben, dass die kapitalistische Produktionsweise und der bürgerliche Staat überwunden werden.” Einige Stunden nach Beginn setzte die Polizei der Party mit einem Pfefferspray und einer Festnahme ein abruptes Ende.
Zuvor ging eine Stunde nach Veranstaltungsbeginn—um 19:00 Uhr—bei der Kantonspolizei Bern eine Lärmklage ein. Die Kantonspolizei machte sich ein Bild vor Ort und vereinbarte mit den „Strafbar”-Aktivisten, die Veranstaltung gewähren zu lassen—sofern diese friedlich bleibe und um 22:00 Uhr beendet werde.
Nach Aussage der Veranstalter löste sich die Veranstaltung wie vereinbart um 22:00 Uhr auf und rund 60 Jugendliche begleiteten das Sound-Mobil auf dem Weg nach Hause. Auf dem Heimweg stoppte ein Kastenwagen der Kantonspolizei die sich auflösende Party. Rund zehn Polizisten in Vollmontur hätten die Strasse blockiert. Sie schlugen scheinbar mit einem Gewehrkolben auf der Fahrerseite die Autoscheibe des Sound-Mobils ein. Dem Fahrer hätten sie zwei Mal eine grosse Menge Pfefferspray ins Gesicht gesprüht.
Die Polizei bestätigt, in ihrer Medienmitteilung, dass sie eine Scheibe des Sound-Mobils eingeschlagen und Pfefferspray eingesetzt habe. Allerdings habe der Lenker des Sound-Mobils im im Schritttempo einen Polizisten angefahren—dieser sei unverletzt geblieben—und den Lieferwagen abgesperrt. Anwesend sei die Polizei gewesen, weil gegen 22:00 Uhr weitere Lärmklagen eingingen. Daraufhin suchte sie ein klärendes Gespräch mit den Aktivisten, die in Richtung Innenstadt zogen. Dort fand gerade ein Festival statt, das die Polizei nicht durch die Aktivisten stören lassen wollte.
Nach anfänglicher Gesprächsbereitschaft stiess die Polizei auf teils vermummte Aktivisten und aggressive Grundstimmung—sie spricht von mehrfachen massiven Angriffen, unter anderem mit „erhobenen Fahrrädern.”
Auch die versammelten Aktivisten blieben nicht unverschont: Nach „Strafbar”-Medienmitteilung habe die Polizei ohne Vorwarnung aus nächster Nähe Pfefferspray in die Menge gesprüht und die Party-Aktivisten mit angelegten Gummischrotgewehren bedroht. Die Polizei spricht von defensivem Pfefferspray-Einsatz und einem sicheren Gummischrot-Warnschuss in die Luft. Zehn Polizeiwagen schlossen nach Aussagen der Aktivisten einen Kreis um die 60 Jugendlichen und kesselten diese ein. Der Lenker des Sound-Mobils wurde verhaftet.
Die „Strafbar”-Aktivisten bezeichnen das Vorgehen der Polizei als „selten brutal und unverhältnismässig.” Ohne offensichtlichen Anlass seien Pfefferspray und Polizeiknüppel gegen friedliche und unbewaffnete Jugendliche zum Einsatz gekommen.
„Strafbar” beruft sich auf die gleichnamige Aktionsform der Berner „Bewegung der Unzufriedenen”. Diese war in den 80ern massgeblich an der Entstehung des autonomen Jugend- und Kulturzentrums Reitschule beteiligt.
Die Kantonspolizei Bern stand schon öfters in der Kritik bezüglich ihrem Umgang mit Freiräumen. Im Mai bezeichnete die Medienstelle der Reitschule den Versuch der Polizei, einen betrunkenen Jugendlichen festzunehmen als „dilettanitisch, brutal und unverhältnismässig”. Der Jugendliche soll zuvor parkierte Autos beschädigt haben. Ein gutes Jahr früher sei die Polizei mit „gezogener Schusswaffe” für eine Dealer-Razzia in das Restaurant der Reitschule eingedrungen.