Stinkefinger für Orbán

Trotz Einschüchterungen der Regierung hat die diesjährige Pride in der ungarischen Hauptstadt Budapest eine Rekordzahl an Menschen angezogen. Sie richtete sich nicht nur gegen die Diskriminierung der LGBT-Minderheit, sondern auch gegen den autoritären Kurs von Ministerpräsident Viktor Orbán.

Budapest. Es war abzusehen, dass die diesjährige Budapest Pride größer ausfallen würde als in den vergangenen 29 Jahren ihres Bestehens. Die Veranstalter hatten mit der doppelten Anzahl der sonst üblichen 35.000 Teilnehmenden gerechnet.

Die Realität übertraf diese Annahme bei weitem. Schätzungen zufolge nahmen am vergangenen Samstag etwa 200.000 Menschen teil, womit die diesjährige Pride die wahrscheinlich größte Demonstration in der Geschichte des Landes seit 1989 gewesen sein dürfte. Vorschnell hatte der ungarische Ministerpräsident Viktor Orbán in seiner Rede zur Lage der Nation im Februar den Organisatoren der Pride noch geraten, »sich keine Mühe zu machen, die diesjährige Parade vorzubereiten. Es ist nur Geld- und Zeitverschwendung.«

»Die Pride war nie von Interesse für uns, das ist nicht unsere Welt. Das Vorgehen von Viktor und seinen Mitstreitern überschreitet jedoch klar eine Grenze.« Ein Ehepaar auf der Pride

Der vehement betriebene Kulturkampf gegen LGBT-Rechte dient Orbán nicht zuletzt auch dazu, von anderen Problemen wie der desolaten Wirtschaft, der hohen Inflation, der Korruption oder dem Kollaps des Gesundheitswesens abzulenken. Zudem hoffte Orbán, durch diesen Kulturkampf die Opposition zu spalten. Hätte sein gefährlichster Herausforderer, Péter Magyar, sich an die Seite der LGBT-Gemeinde gestellt, hätte er dadurch konservative Wähler verschrecken können. Wohl deshalb hielt Magyar sich bedeckt. Verschiedenen Umfragen zufolge liegt seine Partei Tisza in der Wählergunst elf bis 18 Prozentpunkte vor Orbáns Fidesz.

Schon Mitte März hat das Parlament in Windeseile eine Gesetzesänderung durchgewinkt, die Kundgebungen untersagt, die »Abweichungen vom Geburtsgeschlecht, Geschlechtsumwandlung oder Homosexualität fördern oder zur Schau stellen«. Darauf reagierte Gergely Karácsony, der liberal-grüne Oberbürgermeister der Hauptstadt, prompt. »Es wird eine Pride in Budapest geben«, versprach er und erklärte die Demonstration unter dem Namen »Budapest Pride« zu einer städtischen Veranstaltung, die Freiheit und Gleichberechtigung feiere. Als solche erfordere sie keine Genehmigung durch die Polizei.

Justizminister Bence Tuzson widersprach Karácsonys Sichtweise. Er drohte ihm und weiteren Organisatoren sogar eine einjährige Haftstrafe an. Der Bürgermeister reagierte gelassen, er nannte den Einschüchterungsversuch Tuzsons »witzig« und empfahl dem Minister, die Gesetzeslage eingehend zu studieren.

Es geht um die Freiheit

Auch das angekündigte Bußgeld von 500 Euro für Teilnehmer – gut die Hälfte eines durchschnittlichen monatlichen Nettoeinkommens in Ungarn – erzielte nicht die gewünschte abschreckende Wirkung, sondern provozierte im Gegenteil landes- bis europaweite Solidarität. Etwa 70 Abgeordnete des EU-Parlaments und zwei Dutzend Bürgermeister verschiedener europäischer Städte nahmen teil.

Die diesjährige Pride war viel mehr als die übliche regenbogenfarbige Party von Angehörigen und Unterstützern der LGBT-Szene. Ein älteres Ehepaar, das namentlich nicht genannt werden will, brachte die Meinung vieler zum Ausdruck: »Die Pride war nie von Interesse für uns, das ist nicht unsere Welt. Das Vorgehen von Viktor und seinen Mitstreitern überschreitet jedoch klar eine Grenze.« Und sie fügten hinzu: »Es geht hier nicht nur um die Rechte der LGBT-Menschen, sondern auch um unser aller Freiheit.«

Kurz vor der Pride hatte Orbán die Drohrhetorik etwas gemäßigt. In seinem wöchentlichen Interview im Staatsradio tat er kund, dass die Polizei nicht eingreifen werde. Selbstverständlich bestehe die Möglichkeit, die illegale Veranstaltung aufzulösen, aber Ungarn sei ein zivilisiertes Land und man werde sich gegenseitig nichts antun.

»Zum europäischen König der Pride gekrönt«

Ein paar rechtsextreme Gruppierungen sahen das anders. Sie versuchten sich an einer Blockade der geplanten Route, doch die Polizei riegelte die Blockierer ab und leitete den Demonstrationszug kurzfristig um. Die Handvoll Gegendemons­tranten konnte den ausgelassen Feiernden nur noch von der Seitenlinie aus verärgert zuschauen.

Karácsony stellte in seiner Rede auf der Pride zufrieden fest: »Ihr seht nicht gerade so aus, als ob man euch verboten hätte«, und forderte das Publikum auf, der Regierung den Stinkefinger zu zeigen.

Oppositionsführer Magyar schrieb auf Facebook: »Gestern wurde Viktor Orbán zum europäischen König der Pride gekrönt, denn niemandem sonst ist es gelungen, durch Hassreden und Aufwiegelung eine so große Menschenmenge gegen sich zu mobilisieren, die zu einer Demonstration zusammenkommt.«

Quelle: https://jungle.world/artikel/2025/27/budapeste-pride-stinkefinger-fuer-orban

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Demo «Wir gehören dazu – Soziale Teilhabe für ALLE!»

20.⁠ ⁠Juni im Vögeligärtli 

14:00 Uhr | Picknick für alle

17:30 Uhr | Start Demo

19:30 Uhr | Konzert Tala & the African Groove

Geflüchtete und migrierte Menschen in der Schweiz erleben täglich Ausgrenzung. Es fehlt ihnen an Möglichkeiten zur Mitbestimmung und sozialer Teilhabe. Viel zu oft wird über, statt mit Geflüchteten gesprochen oder entschieden. Das macht ein Leben in Sicherheit und mit positiven Zukunftsaussichten unmöglich. 

Am 20. Juni setzen wir in Luzern ein starkes Zeichen: Für eine offene Gesellschaft, in der Vielfalt als Stärke anerkannt wird.

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L’ULTIMA ISOLA im Stattkino Luzern am 16. Juni

Heute Montag, 16. Juni, 18.30 Uhr, stattkino Luzern, Löwenplatz 11

L’ULTIMA ISOLA

Eine Gruppe von Freundinnen auf einem Ausflugsboot sieht sich bei Sonnenaufgang mit einer schockierenden Situation konfrontiert: Das Meer um sie herum ist voller Menschen, die um Hilfe rufen oder bereits ertrunken sind. Es ist Lampedusa, der 3. Oktober 2013. Vor ihren Augen findet die Tragödie statt, die 368 Tote und 20 Vermisste forderte. 155 Personen konnten gerettet werden.   Bilder dieser Tragödie gibt es keine. Doch die Aussagen der acht Freundinnen sprechen für sich. Sie beschreiben eindrücklich, was sie gesehen und erlebt haben. Und sie sind überzeugt, dass seitens der Küstenwache nicht alles getan wurde, was hätte getan werden müssen.

Dokumentarfilm von Davide Lomma, Italien, 2024
74 min; Italienisch, englische Untertitel

Im Anschluss Gespräch mit Davide Lomma, Regie, und Jonas Rüegg, Watch the Med Alarmphone Schweiz. Moderation: Barbara Müller, HelloWelcome

Eintritt frei, Kollekte.

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Feministischer Streik in Luzern – Samstag 14.6.25

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Solianlass ANTIFA UNTER ANKLAGE

INFOVERANSTALTUNG
zum Antifa-Ost-Verfahren und zur Situation von Nanuk/ KW Thomas.

Luzern, RäZel Horwerstrasse 14
Fr 30.05.25 – 19 Uhr

Bern, Anarchistischer Infoladen Borke, Reitschule
Sa 31.05.25 – 16 Uhr

Einer von uns, unser Freund KW-Thomas, unser Genosse Nanuk, sitzt seit dem Oktober 2024 in der JVA Moabit (Berlin) hinter Gittern. Thomas kommt aus Königs-Wusterhausen (KW) bei Berlin und ist seit Anfang der 1990er Jahre aktiver Antifaschist. Er machte die Baseballschlägerjahre in KW mit, erlebte die Politik der Straflosigkeit gegen Nazis dort und überlebte physische Attacken auf seine Person. Andere überlebten die Nazigewalt in dieser Zeit nicht. Später ging KW-Thomas nach Berlin und war als Internationalist auch in Rojava.

Der Tatvorwurf gegen KW-Thomas ist, dass er sich mit anderen zusammen gegen Nazis zur Wehr gesetzt haben soll. Er gehört zu einem der Angeklagten im Antifa-Ost-Verfahren. Das ganze Verfahren, aber insbesondere die Vorwürfe gegen KW-Thomas stützen sich maßgeblich auf die Aussagen des Kronzeugen und Sexualstraftäters Johannes Domhöver. Es ist offensichtlich, dass die Generalbundesstaatsanwaltschaft in Deutschland versucht, eines der grössten politischen Verfahren gegen Linke der letzten Jahre zu konstruieren und durchzuziehen.

Anwesend sind dafür ein Anwalt, der im Antifa-Ost-Verfahren eine Person vertritt und eine Aktivistin aus der Soligruppe von Thomas.
Wir wollen an diesem Abend einen Überblick über den Stand des Antifa-Ost-Verfahrens geben und eine Einordnung versuchen.
Wir werden aber auch über die Situation von KW-Thomas im Knast sprechen. Und schliesslich wollen wir mit euch über die Notwendigkeit von Antifaschismus und Solidarität in Zeiten der zunehmenden Faschisierung der Verhältnisse diskutieren.

Wer als Grundlage mehr über den Hintergrund der Antifa und der Baseballschlägerjahre erfahren möchte ist eine Woche vor der Veranstaltung herzlich zum Screening des Films „Antifa – Schulter an Schulter wo der Staat versagte“ eingeladen.

Quelle: https://lotte-bibliothek.org/?page_id=813

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Programm @Zündhölzli

12.5. Nein zur Bezahlkarte | 20.5. Diskussion Wahlen | 5.6. KuZeB bleibt! | 16.6. Für ein Ende der Polizei

Infoveranstaltung: Nein zur Bezahlkarte!

Mo, 12.05.2025 | Tür 19:00 | Beginn 19:30
@Zündhölzli, Alpenstrasse 13, 6300 Zug

Ende Februar hat das Zuger Kantonsparlament der Einführung von Bezahlkarten für Asylsuchende zugestimmt. Das Netzwerk “Gleiche soziale Rechte für Alle” engagiert sich in Deutschland gegen die dort bereits eingeführte Bezahlkarte. Mit Infokampagnen zeigen sie die Probleme der rassistischen Bezahlkarte auf: Kontrolle – Diskriminierung – Entmündigung. Mit lokalen Tauschaktionen versuchen sie den Betroffenen ein wenig Kontrolle zurückzugeben. Aktivist*innen des Netzwerks erzählen von ihren Erfahrungen.

Diskussionsrunde: Ist Wählen verkehrt?

Di, 20.05.2025 | Tür 19:30 | Beginn 20:00
@Zündhölzli, Alpenstrasse 13, Zug

“Egal, welche Partei, hauptsache Sie gehen wählen!” hört man oft. Was aber, wenn es generell verkehrt ist, seine Stimme abzugeben? Wählen wir damit auch den Status quo mit all seinen kapitalistischen Machtverhältnissen? Diskutiere mit über ein sehr kontroverses Thema! Wir hören einen Podcast-Vortrag des GegenStandPunkt und diskutieren anschliessend darüber. Du braucht keine Vorbereitung.

Infoveranstaltung: KuZeB bleibt!

Do, 05.06.2025 | Tür 19:30 | Beginn 20:00
@Zündhölzli, Alpenstrasse 13, Zug

Seit 32 Jahren betreibt der Verein KuZeB das autonome KulturZentrum Bremgarten in einer ehemaligen Kleiderfabrik. Es ist das älteste nichtkommerzielle, selbstverwaltete und eigenständig finanzierte Kulturzentrum der Schweiz. An der Infotour informieren wir euch über die Geschichte & Möglicheiten des KuZeB, die aktuelle Situation, die Widersprüche & das Erhaltenswerte, die Finanzierung und die Partizipationsmöglichkeiten. Über einen offenen Austausch mit euch freuen wir uns. Danke für eure Solidarität!

Vortrag: Für ein Ende der Polizei

Mo, 16.06.2025 | Tür 19:00 | Beginn 19:30
@Zündhölzli, Alpenstrasse 13, Zug

Warum wir die Polizei nicht reformieren können, weshalb wir Polizei und Staat nur zusammen loswerden werden und wie gemeinschaftliche Verantwortungsübernahme aussehen kann.

Hier könnte jede Ort stehen, weil in jeder Stadt und in jedem Dorf schon Menschen von der Polizei ermordet, gefoltert, inhaftiert oder angegriffen wurden. Seit ca. 160 Jahren unterdrückt und terrorisiert die Polizei jene Menschen, die in der gesellschaftlichen Ordnung niedrigstehen. Und obwohl sie genau mit diesen Auftrag gegründet wurde, nämlich Sklaverei und Kolonialismus aufrechtzuerhalten und Aufstände von Armen zu verhindern, herrscht in Deutschland unter Kritiker*innen der Polizei die Idee vor sie zu reformieren.

Die Polizei verstehen In unserem Vortrag sprechen wir darüber wie die Polizei entstanden ist, was ihre Funktion und Struktur ist und warum wir sie eben nicht reformieren können, sondern sie los werden müssen. Weitere Punkte sind: Welche Mythen über die Polizei sind verbreitet? Was für Beispiele des Widerstandes gegen die Polizei gibt es?

Lernen Verantwortung zu übernehmen Anschließend geht es um Formen von Zusammenleben bei denen Menschen gemeinschaftlich Verantwortung übernehmen: Wie gehen und gingen Gesellschaften ohne Polizei und Staat mit Konflikten, Übergriffen und äußerer Gewalt um? Was für Möglichkeiten haben wir die Macht der Polizei in unserem Alltag zu schwächen? Wir setzen an einigen Stellen anarchistische Kritiken voraus, wer mag kann sich daher vorher einen Anarchismus-Einführungsvortrag anhören. Den findet ihr hier: https://kolektiva.media/w/joPaQ2xZbCiop3J1uouh7v

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1. Mai 2025 Luzern

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1. Mai 2025: Solidarität statt Hetze – gemeinsam stark!

Ungleichheiten und damit die berechtigte Unzufriedenheit vieler Menschen nehmen zu. Statt Lösungen zu bieten, etwa für den Kaufkraftverlust oder die steigenden Mieten, lenken liberale Politiker:innen ab: mit Nationalismus und fremdenfeindlicher Rhetorik. Die Verantwortung schieben sie auf Geflüchtete und Migrant:innen und machen sie zu Sündenböcken.

Ein alarmierendes Beispiel dieser Entwicklung ist die gefährliche SVP-Initiative gegen eine «10-Millionen-Schweiz», die im Frühling im Parlament diskutiert wird. Diese Abschottungsinitiative führt zum Ende der Personenfreizügigkeit und des Lohnschutzes und fordert einen noch härteren Kurs in der Asylpolitik.

Da schauen wir nicht tatenlos zu!

Stehen wir zusammen! Wir setzen diesen Angriffen unser Engagement für sozialen Fortschritt, für gerecht verteilten Wohlstand, für Gerechtigkeit und Gleichstellung entgegen. Gemeinsam können wir nicht nur den Abbau verhindern, sondern auch Verbesserungen erzielen.

Komm mit uns auf die Strasse!

«Solidarität statt Hetze – gemeinsam stark!» Unter diesem Motto gehen wir am diesjährigen Tag der Arbeit zu Tausenden auf die Strasse. Mit unserer breiten Mobilisierung am 1. Mai wehren wir uns

gegen den Sozialabbau und die Umverteilung nach oben

gegen die Ausgrenzung von Menschen mit Migrationshintergrund

gegen die Sündenbockpolitik auf dem Rücken von Minderheiten

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SRF bi de Rächts­extreme

https://www.republik.ch/2025/04/01/srf-bi-de-raechtsextreme

Das Reportageformat «rec.» des Schweizer Fernsehens geht mit Rechts­extremen wandern und gibt ihnen Raum für ihre Selbst­inszenierung. Für die Junge Tat ist das ein Coup. Für die Schweizer Medien­landschaft ein Dammbruch.

«Hä? Das ist doch ein 1A Werbespot. Wtf», schreibt ein deutscher Rechts­extremist auf X.

«👌🏻 Richtig gut. Abgesehen von den üblichen Diffamierungen», antwortet Manuel Corchia, der Chef der rechts­extremen Gruppierung Junge Tat – und meint mit dem Emoji nicht etwa «okay», sondern «white power».

«Endlich wird mit meinen Zwangs­gebühren Sinnvolles produziert, 1A-Werbung. ✊🏻», schreibt auch der Corona-Massnahmen­gegner Nicolas Rimoldi, der mit den Rechts­extremen zusammen­arbeitet und regelmässig an ihren Veranstaltungen teilnimmt.

Die «Werbung», über die sich die Rechts­extremisten so freuen, sollte eigentlich keine Werbung sein, sondern eine Reportage von SRF. Doch heraus­gekommen ist nicht weniger als einer der grössten Coups, die die Junge Tat in ihrer viereinhalb­jährigen Geschichte bisher landen konnte: ihre Inhalte, ihre Forderungen, ihre Bild­sprache – verbreitet vom grössten Verstärker, den es in der Schweiz für audio­visuelle Inhalte gibt.

72’000 Views verzeichnete der «Werbespot» keine 30 Stunden nach seiner Veröffentlichung auf Youtube. Noch nie in ihrer Geschichte bekam die Junge Tat derart viel Platz in einem Schweizer Medium, um ihre Inhalte direkt beim Publikum zu platzieren.

Die Junge Tat ist eine rechts­extreme Organisation, die aus der organisierten Schweizer Neonazi­szene entstanden ist. Heute ist sie der neuen Rechts­extremen nach dem Vorbild der Identitären Bewegung zuzurechnen. Die Mitglieder der Jungen Tat gehen sehr strategisch vor, pflegen gute Beziehungen zu inter­nationalen Rechts­extremen und hängen immer noch mit Hitler-Fans rum.

Entstanden ist die Reportage über diese Rechts­extremisten für das SRF-Format «rec.». «‹rec.› steht für ‹record›», schrieb die Medien­stelle des SRF, als die Sendung vor vier Jahren eingeführt wurde. «Das rund 20-minütige Reportage­format ‹rec.› taucht jede Woche in Szenen, Mikrokosmen und Lebens­welten ein, die das Publikum und die Reportage­begeisterten bewegen.»

In dieser Woche bestand die «Szene», der «Mikro­kosmos», die «Lebenswelt» aus Nazisymbolen, rechts­extremen Tarn­begriffen und verharmlosender Selbst­inszenierung.

Und «SRF rec.» tauchte bis zum Hals ein.

«Embedded Journalism» an der Wanderfront

Die Reportage beginnt – nach einem kurzen Intro – in üblicher «rec.»-Manier. Das heisst: mit dem Reporter Samuel Konrad, der sich selbst filmt, wie er zu einem Treffen mit den Rechts­extremisten fährt. Die haben ihn nämlich zu einer ihrer Wanderungen eingeladen, mit denen sie mehrmals jährlich neue Leute rekrutieren.

Während der Wanderung merkt man schnell, wie sehr sich das Fernsehen von den Rechts­extremen die Bedingungen vorgeben lässt. Der Reporter wird ständig überwacht: Die Chefs der Jungen Tat schauen, wo er ist und mit wem er worüber spricht. Als er ein einziges Mal mit einem verpixelten und pseudonymisierten Teilnehmer sprechen darf und diesen fragt, ob ein Verbot der Jungen Tat für ihn eine rote Linie wäre, antwortet statt des Interviewten die Aufpasserin: «Nein nein nein, lieber Severin. Dann erst recht!»

Was die Antwort des Neumitglieds «Severin» wäre, erfährt man in der Reportage nicht. Und auch nicht, was andere Teilnehmerinnen zu sagen hätten. Denn – so beschreibt es der Reporter zu Beginn der Wanderung – «SRF rec.» hat mit der Jungen Tat «abgemacht», mit wem man «überhaupt reden darf».

Darum kommen immer wieder nur die offiziellen – und ziemlich sicher vorbereiteten – Exponenten der Jungen Tat zu Wort und können ihre Inhalte an das Fernseh­publikum verbreiten. Das Leben als Mitglied der Jungen Tat sei «saugeil», sagen diese, man könne gratis an Box­trainings teilnehmen und man sei ja gar nicht gegen queere Menschen, sondern wolle nur verhindern, dass Kindern «das» aufgezwungen werde.

In einem Fall zeigt das SRF in seiner Reportage sogar eine Sequenz, in der ein Junge-Tat-Anführer ein Buch von Martin Sellner in die Kamera hält. Sellner ist der Kopf der österreichischen Identitären Bewegung und aktuell der wohl einfluss­reichste Rechts­extremist im deutsch­sprachigen Raum.

Auf die Frage, warum SRF diese weitreichenden Einschränkungen seiner Arbeit akzeptiert hat, antwortet die Sendungs­verantwortliche Anita Richner sehr allgemein. «SRF rec.» zeige «unterschiedliche Lebens­welten und Wert­haltungen» auf und wolle «kontroverse Themen» besprechen. Die Bedingungen, unter denen der Reporter arbeiten «musste», habe man transparent gemacht. Und man habe den Anspruch, «echte und authentische Einblicke zu gewähren».

Wie «echt und authentisch» diese Einblicke noch sind, wenn die Junge Tat derart starke Vorgaben macht, geht aus der Stellung­nahme nicht hervor. Auch dass man derartige Bedingungen als Journalist selbst­verständlich einfach ablehnen kann, spielt offenbar keine Rolle.

Die Strategie der neuen Rechts­extremen

Zwar versucht die Reportage mehrmals, die Junge Tat kritisch einzuordnen. So befragt der Journalist die zwei Anführer zu ihrem Logo – einer Rune, die von der NSDAP verwendet wurde – oder konfrontiert sie mit, wie er es nennt, «dem Rassismus-Vorwurf». Die Rechts­extremisten reagieren mit eingeübten Antworten: Man lasse sich das Symbol in ihrem Logo nicht wegnehmen, «bloss weil es in einer Zeitspanne von 12 Jahren mal falsch verwendet wurde». Und man werte «andere Völker» nicht ab, sondern bejahe «unser Volk und unsere Kultur».

Viel wert sind solche Antworten nicht. Es gehört zur Strategie neuer Rechts­extremer wie der Jungen Tat, dass sie sich nicht offen zum National­sozialismus bekennen und ihre Positionen so formulieren, dass man ihnen keinen Strick daraus drehen kann. Sie wollen provokant genug sein, um die Grenzen des Sagbaren zu verschieben, aber auch anschluss­fähig genug, um die Normalisierung ihrer Begriffe und Forderungen zu erreichen. So hat es Martin Sellner, der Kopf des österreichischen Rechts­extremismus, einmal formuliert.

Ein Geheimnis ist diese Strategie nicht: Man kann sie in den Büchern nachlesen, die die Junge Tat in ihrem Onlineshop verkaufen will. Die Journalisten von «SRF rec.» durchschauen dieses Vorgehen der neuen Rechts­extremen offensichtlich nicht. Stattdessen laufen sie geradewegs in deren Falle.

Dabei geben die publizistischen Leit­linien von SRF eigentlich etwas anderes vor: «Um Aufmerksamkeit zu schaffen, lancieren Akteurinnen und Akteure sowie Interessen- und Lobby­gruppen ihre Themen zunehmend nach Marketing­kriterien und aufgrund von Überlegungen des Ereignis­managements. Auf die Aufbereitung beziehungs­weise die Inszenierung eines Themas legen sie dabei ebenso viel Wert wie auf den Inhalt. Wir müssen diese Methoden kennen und dürfen uns nicht instrumentalisieren lassen.»

Eine ernsthafte Einordnung dessen, was die Junge Tat jenseits ihrer Selbst­vermarktung ist, bieten nur ein paar Zwischen­sequenzen in der Reportage. Etwa wenn der SRF-Extremismus­redaktor Daniel Glaus die Geschichte der Gruppierung und ihre Begriffe einordnet. Oder wenn der Journalist Samuel Konrad nach den Aussagen der Junge-Tat-Anführer jeweils seine Meinung zum Gesagten äussert. Oder – ein bisschen – wenn Strafrechts­professor Martino Mona darauf hinweist, dass die Junge Tat abweichende Lebens­formen ausmerzen will. Aber eben nur ein bisschen, denn Mona fügt hinzu, dass sich das «abstrakt» zwar nicht mit einer freiheitlichen Gesellschaft vertrage, gerade eine freiheitliche Gesellschaft müsse solche Tendenzen in der Bevölkerung aber «respektieren» und «zulassen».

Mit diesen Einschüben rechtfertigt «SRF rec.» seine Reportage auch in den Kommentaren zum Youtube-Video und in seiner Stellung­nahme gegenüber der Republik. Doch wenn die Einordnung von Rechts­extremen sich abwechselt mit der Propaganda der Rechts­extremen, dann verkommt der ganze Beitrag zu einer Both-sides-Übung: hier die Rechts­extremen, die behaupten, gar nicht rechts­extrem zu sein. Dort die Fach­personen, die betonen, dass die Rechts­extremen rechts­extrem sind.

Und die Wahrheit – so der Eindruck, den die Reportage hinterlässt – muss wohl irgendwo dazwischenliegen.

Fast die Kurve gekriegt – aber nur fast

Dabei hinterfragt der SRF-Reporter seine Rolle durchaus. Zwischen all der rechts­extremen Selbst­inszenierung und den kritischen Beurteilungen sticht eine Sequenz heraus, in der Konrad selber auf den Punkt bringt, was eigentlich das Problem ist an dieser Reportage, die er da gerade produziert.

Der Journalist sitzt in seinem Auto und denkt laut in die Kamera. Zuvor hat er eine PR-Aktion der Jungen Tat mit Martin Sellner gefilmt. Dort hat ihn eine Gegen­demonstrantin angesprochen und ihm gesagt, er stehe auf der falschen Seite.

Er frage sich das schon, ob er auf der falschen Seite stehe, sagt der Reporter. «Solche Aktionen wie heute haben einen Zweck, nämlich Aufmerksamkeit zu generieren. Für Gruppen wie die Junge Tat, Personen wie Martin Sellner und so indirekt für die Inhalte, die sie vertreten. Damit ihre Positionen Anschluss finden in der Mitte der Gesellschaft. Damit verschoben werden kann, was man sagen darf und was nicht.»

Auch die Reportage, die er gerade am Produzieren sei, generiere solche Aufmerksamkeit. Und darum habe die Gegen­demonstrantin vielleicht nicht unrecht, vielleicht stehe er auf der falschen Seite.

An diesem Punkt – so denkt man – hätte «SRF rec.» die Übung eigentlich abbrechen müssen. Offenbar war dem Reporter bewusst, wie er den Rechts­extremisten gerade zudient. Doch dann greift er auf das Standard­argument zurück, mit dem Journalistinnen fast jede Geschichte recht­fertigen können, die sie gerne machen möchten – oder in die sie schon so viel investiert haben, dass sie sie nicht mehr abbrechen wollen.

«Ich glaube, dass es genauso wichtig ist, zu erzählen, was die Strategie dieser Gruppen ist.» Wie sie vorgingen, wie sie versuchten, Anschluss zu finden und ihre Ideologien salon­fähig zu machen. «Stehe ich auf der falschen Seite? Ich hoffe schluss­endlich, auf keiner Seite zu stehen, sondern einfach zu zeigen, was ist.»

Zeigen, was ist. Ausser eben das, was die Junge Tat nicht gezeigt haben möchte.

Dammbruch

Selbstverständlich hat der SRF-Journalist recht, wenn er sagt, dass man die Strategien der neuen Rechts­extremen aufzeigen und erklären muss. Das tun seit vielen Jahren auch viele Journalistinnen in der Schweiz. Doch dabei die Rechts­extremen in aller Ausführlichkeit zu Wort kommen zu lassen, ihnen Gelegenheit zu geben, sich zu verharmlosen und zu inszenieren – das braucht es dafür nicht.

Dieser Meinung sind auch rund 200 Medien- und Kultur­schaffende, die kurz nach Ausstrahlung des Beitrags einen Brief unterzeichnet haben. Darin kritisieren sie unter anderem, dass der Jungen Tat eine breite Plattform geboten und das Thema als unter­haltsame Provokation verkauft worden sei. Der Brief wurde vergangene Woche der Redaktion von «SRF rec.», der Ombuds­stelle der SRG und dem Publikums­service des SRF zugestellt.

Es scheint, als habe «SRF rec.» nicht erkannt, dass die neue Rechts­extreme ein fundamental anderes Verhältnis zu Medien hat als ihre klassisch neo­nazistischen Kameraden. Die Glatzen­nazis von früher scheuten die Öffentlichkeit. Sie trafen sich im Geheimen zu Rechtsrock­konzerten, um dort unter sich und ungestört abhitlern zu können. Wenn Medien sie an die Öffentlichkeit zerrten, waren sie weder erfreut noch vorbereitet.

Die neuen Rechts­extremen aber sehen die Medien als Instrument. Sie sind PR-Agenturen, die sehr gut wissen, wie man sich einem breiten Publikum gegenüber darzustellen hat. Sie geben sich brav und nahbar. Sie verpacken ihre Menschen­verachtung in beschönigende Worte. Und sie distanzieren sich von «Jugendsünden».

Egal, wie viel Einordnung drumherum passiert – Medien, die diese Inszenierungen zulassen, fallen auf eine Strategie herein.

Denn die braven Rechts­extremen trainieren den Strassenkampf. Ihre schönen Worte bedeuten Segregation und Vertreibung. Für ihre «Jugend­sünden» – wie es die Junge Tat selber nennt – wurden sie verurteilt, als Junge-Tat-Chef Manuel Corchia schon zwanzig Jahre alt war. Und diese «Sünden» bestanden darin, an Adolf Hitlers Geburtstag in einem Zoom-Call «Heil Hitler» zu schreien und Aufkleber mit Begriffen wie «Rassen­mischen» oder «Misch­kinder» zu drucken.

Bisher bestand in der Schweizer Medien­landschaft – bis auf wenige Ausnahmen – das stillschweigende Einverständnis, dass man die Junge Tat nicht wie eine gewöhnliche Organisation behandelt. Dass man sie nur zu Wort kommen lässt, wenn es zwingend notwendig ist – etwa wenn man sie mit schwer­wiegenden Vorwürfen konfrontieren muss. Und dass man anhand ihrer Inhalte zwar aufzeigt, wie sie funktionieren – ihnen aber nicht den Raum gibt, extra für die Medien vorbereitete Statements abzugeben.

«SRF rec.» hat dieses Einverständnis nun gebrochen. Ohne Not geben die Journalistinnen der Jungen Tat grosszügige Redezeit. Und tragen so zur Normalisierung einer rechts­extremen Gruppierung bei, deren explizites Ziel die eigene Normalisierung ist.

Um zu begreifen, in wessen Interesse die Reportage am Ende war, genügt es eigentlich, den Rechts­extremisten selbst zuzuhören.

«Dieses Mal haben wir die Doku als klar vorteilhaft eingestuft – da m.A.n das SRF-Jugend­format unglaublich Reichweite für uns schafft.»

Das sagte letzte Woche der Anführer der Jungen Tat.

Und postete einen Link auf die Sendung.

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Wohndemo! am 5.4.2025 in Zürich

Unsere Zuhause sind zu «langfristigen Anlageobjekten» geworden, Mieten zur «sicheren Rendite». In der Stadt erhöhten etwa Vermietende die Mietpreise seit dem Jahr 2022 erneut um 9%. Und auch im Umland der Stadt steigt der Druck auf Wohn- und Gewerberäume. 

Davon profitieren besonders die institutionellen Vermietenden: Banken wie die UBS, Versicherungen wie die Swiss Life, AXA Winterthur und Zurich Versicherung, Pensionskassen wie die BVK, Familienunternehmen wie die Halter AG, Briefkastenfirmen in Zug und immer mehr auch globale Konzerne wie Blackrock.

Die parlamentarische Politik unternimmt dagegen fast nichts. Im Gegenteil sind Politiker*innen bis auf Bundesebene eng mit der Immobilienwirtschaft verbunden. Die Macht der Immobilienlobby ist stark gewachsen und die Angriffe auf die Rechte von Mietenden sind immer heftiger geworden.

Das lassen wir nicht länger zu!
In vielen Quartieren von Zürich wächst Widerstand: Albisrieden, Altstetten, Heuried, Hottingen, Kreis 4 & 5, Schwamendingen, Wollishofen, etc., ebenso in Winterthur und hoffentlich bald auch in kleineren Gemeinden. 

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